Montag, 28. September 2015

13. Fee

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Als ich von Cambra Skadés Buch Eine Reise ins Land der Närrin erfuhr, musste ich es haben. Irgendwie schien es mir angemessen, etwas mehr Närrisches in mein ordentliches und diszipliniertes Leben zu lassen. Also, das Buch gefällt mir ausnehmend gut, ebenso die irgendwie rührenden Zeichnungen, die an Kinderbilder erinnern und soviel Ungeniertheit und Verspieltheit haben. Es hat auch sofort gewirkt: seit langem habe ich mal wieder ganz spontan bei der Hausarbeit gesungen.
Ich habe dann die 13. Fee, also die Unberechenbare, die Unruhestifterin, die vielleicht auch Ute Schirans Hindernisbereiterin entspricht, in mein Leben eingeladen. Denn wie wir ja alle aus dem Märchen wissen: sie kommt auf jeden Fall. Wenn sie eingeladen wird, ist sie vielleicht ein wenig gnädiger.
In katholischen Gegenden gibt es den Karneval, der den närrischen Kräften einen Zeit-Raum gibt. Die Protestanten haben es da schwer: sie müssen das ganze Jahr ernst, strebsam und ohne Raum für UnSinn sein (nicht umsonst ist der Protestantismus die Geisteshaltung, aus der der der Kapitalismus hervorgegangen ist). In anderen Kulturen hießen die Kräfte, die die gewohnte Ordnung durchkreuzten und jenseits jeglicher Moral agierten Heyoka, Loki, Coyote, Eshu usw. Ich nenne sie die 13. Fee, die Wesenheit, die gern ignoriert wird und dann kommt, wenn keine damit rechnet.
Dann wurde mir klar, daß die 13. Fee ohne meine Einladung schon seit Monaten bei mir ist. Sie hat mich vor einiger Zeit auf dem Markt über einen Korb stürzen lassen und kürzlich beim Aufsteigen auf den Roller von S. Neulich sprang mein Auto nicht an und ich konnte nicht zur Arbeit. Als es dann bei meinem KFZ-Mechaniker auf dem Hof stand, funktionierte es wieder wie gewohnt. Er sagte übrigens, Autos wären genau wie Menschen, launisch. Ich glaube, er hat Recht.
Und am Samstag wurde ich mal wieder von einer Biene in die Stirn gestochen. Einfach so, als ich gerade die Sense im Garten schwang. Ich nahm das erst mal sehr persönlich, schließlich bin ich dieses Jahr so oft wie noch nie gestochen worden. Innerhalb von 12 Stunden schwoll mein Gesicht zu einer fremdartigen Grimasse an, allerdings konnte ich wenigstens aus beiden Augen schauen. Am Samstagabend konnte ich nicht zu B.s Abschiedsfeuer und Sonntag nicht zum De Immen-Treffen. Ich verteilte das Fladenbrot und den Tomaten-Zwiebel-Butteraufstrich, die ich für dasTreffen vorbereitet hatte, in der Nachbarschaft und wendete alle Heilmethoden auf mich an, die mir einfielen. Nachts hatte ich einen Alptraum, tagsüber lief ich mit Sonnenbrille herum. Immerhin hatte ich jetzt Zeit, mich mal wieder um den Garten zu kümmern. M., die mir wieder mit Homöopathie half, sagte heute beim Anblick meiner Schlitzaugen: "Tibetan style." Da musste ich lachen. Ja, Lachen ist wohl die beste Möglichkeit, diesem neuerlichen Missgeschick zu begegnen.
Was hat mir das alles zu sagen? Ich habe da durchaus so meine Ahnungen. Die behalte ich vorerst für mich.
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Heute ging ich nicht zur Arbeit und morgen bleibe ich auch zu Hause: ich will in der Klinik schließlich nicht auch mit Sonnenbrille rumlaufen. Und nein, ich will auch kein Cortison, wie mir vorgeschlagen wurde, und ebenso wenig eine Diskussion darüber.
Und als ich heute unbehelligt von den Bienen - mit denen hatte ich vorher ein Gespräch - wieder mit der Sense meine Bahnen zog, hatte ich das Gefühl, daß der Stich auch etwas Gutes gebracht hat: Zeit!
Heute Morgen stand ich um 4:00 auf, setzte mich vors Haus unter die deutlich sichtbare Milchstraße und sah mir die Mondfinsternis an.
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Dienstag, 22. September 2015

Shit happens

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Am Samstag hatten wir ein wunderschönes Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche-Ritual. Wir werden immer freier in der Gestaltung, so daß sich Dinge ergeben können. Und auf irgendeine Weise machen die wilden Wesen um uns herum mit: dieses Mal zog eine Gruppe Kraniche ihre Kreise über den See und landete schließlich mit lautem Trompeten im seichten Wasser, wo sie wohl ihren Schlafplatz haben.
Schön finde ich auch immer das anschließende Essen, zu dem jede etwas mitbringt. Oben ist A.s Kunstwerk aus Brombeeren und Vanillepudding.

Immer noch beschwingt von dem schönen Tag fuhr ich gestern Mittag zur Arbeit. Als ich vom Auto den Hügel zur Klinik hochging, hielt meine Kollege S. mit seinem Roller neben mir und forderte mich auf aufzusteigen. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Leider konnte ich mein Bein nicht so einfach über den Sitz schwingen: meine neue Hose war so eng, mein Rucksack zog an mir, ich wollte S., der etwas nach vorn gerutscht war, nicht in den Hintern treten. Ich rutschte ab und fiel rücklings auf den Asphalt. S. schrie entsetzt: "Ich wollte dir was Gutes tun!" Ich musste lachen, obwohl mir die Knochen weh taten, und rappelte mich hoch.
Auf der Station versorgte ich meine Schürfwunde am Unterarm, ärgerte mich über den Riss im Mantelärmel und nahm einen zunehmenden Schmerz in der Schulter wahr. Schließlich entschloss ich mich doch, in die Zentrale Notaufnahme zu fahren, um einen Bruch auszuschließen.
Die Kollegen dort bereiteten mich auf stundenlange Wartezeit vor, aber ich hatte Glück: nach einer Stunde konnte ich zurück auf meine Station. Ein junger Arzt bewegte meinen Arm in alle Richtungen und war davon überzeugt, daß trotz Schmerzen nichts kaputt gegangen war. Auch Röntgen hielt er nicht für nötig, was mir ja nur recht war. Aber er wollte mir unbedingt eine Tetanus-Spritze geben. Die wollte ich jedoch nicht. Eine Diskussion mit ihm über Sinn oder Unsinn von Tetanus-Spritzen wollte ich auch nicht, also griff ich zu einer Lüge: ich wolle am nächsten Tag sowieso zu meiner Hausärztin. Wahrscheinlich glaubte er mir nicht. Ich bin einfach keine gute Patientin.
Auf dem Weg zur Station dankte ich der Erde und allen verbündeten Kräften für meine soliden Knochen.
Aber am späten Abend zu Hause empfand ich es plötzlich als Mangel, daß da keiner war, der mit heißem Tee und Trost kam.

Heute wollte ich mit der Sense mähen. Aber die Schulter schmerzte immer noch, und ich nahm es als Wink mit der Dachlatte, daß ich mal Pause machen sollte. Na ja, eine Stunde habe ich den Handrasenmäher benutzt, um die Flächen zu mähen, die ich den ganzen Sommer kurz halte. Das ging mit der Schulter. Zur Belohnung gab es einen schönen Milchkaffee und dann wurde ich furchtbar müde. Ich legte mich aufs Sofa, die Katze kuschelte sich an mich und ich schlief eineinhalb Stunden mit wilden Träumen, bis das Telefon mich weckte. Das war mein Heilungsschlaf.
Tue nichts, ist der erste Schritt des Heilens. Ich habe ihn so oft intuitiv angewendet und später bei Susun Weed gelesen. Heilung geschieht und kann nicht gemacht werden. Deshalb werde ich immer ganz misstrauisch, wenn eine_r sich Heiler_in nennt. Und deshalb misstraue ich auch der Schulmedizin und ganz besonders den Gynäkolog_innen, die es neuerdings für sicherer halten, wenn Frauen auf Hebammen verzichten. Die werden ja gerade in großem Stil abgeschafft - auch das Kieler Geburtshaus hat mittlerweile dicht gemacht.
Für mich ist das eine Bestätigung, daß wir das Thema Geburt, Sterben und die Behandlung von Krankheiten wieder radikal in die eigenen Hände nehmen müssen, an den Gesetzen und Versicherungen vorbei. Es heißt, kreativ und mutig zu sein. Vielleicht können wir da was von den Griechen lernen.
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Freitag, 11. September 2015

Freude

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Heute Morgen kam A. zum Frühstück und wir entwarfen das Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche-Ritual. Wir erzählten uns gegenseitig, wie sehr wir uns über den herzlichen und überaus hilfsbereiten Empfang der Flüchtlinge in Deutschland freuen. Meine Kolleginnen in Kiel haben Aktionen auf die Beine gestellt und auch hier auf dem Lande spielt sich einiges ab. Ich habe mich als Sprachpatin zur Verfügung gestellt und war gestern bei einem Koordinationstreffen in Selent.
Was da zur Zeit geschieht, rührt mich zu Tränen und versöhnt mich mit meiner Nationalität. Und es geht von den Menschen aus, nicht von den Politikern. Ähnliches hörte ich heute im Radio von den freiwilligen Helfern auf dem Budapester Bahnhof: die leisten Hilfe, weil sie der Stimme ihres Herzens folgen. Und das scheint mir die einzige Stimme zu sein, der eine_r folgen kann.
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Ich habe mich endlich entschlossen, meine beiden 30 Jahre alten formaldehydgetränkten Billy-Regale durch zwei Buchenholzregale zu ersetzen. Gestern bekam ich sie geliefert und war dann Stunden damit beschäftigt, sie zusammen zu bauen, aufzustellen und einzuräumen. Beim zweiten Regal ging's schneller. Trotz eines blauen Fingernagels - ich haute mir kräftig mit dem Hammer drauf - war ich anschließend sehr stolz. Ich stamme ja noch aus der Generation, die davon überzeugt war, daß Frauen für solche Arbeiten Männer brauchen.
Jetzt stehen zwei schöne, nach Holz und Öl duftende Regale in meinem Schlafzimmer und ich muss keine Gifte mehr einatmen.
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Montag, 31. August 2015

Empathie

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Da liegt sie so süß und unschuldig

Heute Morgen hörte ich draußen einen Vogel ganz erbärmlich schreien. Ich ahnte schon, daß meine Katze dahinter steckte und tatsächlich sah ich durchs Fenster, wie sie ihn immer wieder losließ und schnappte. Später räumte ich dann seine Überreste weg. Ich kann damit leben, daß Skadi Tiere tötet - neulich morgens fand ich zwei halbe Mäuse und Teile eines Spatzen in der Küche und vor der Haustür eine ganze Maus. Sie ist also eine erfolgreiche Jägerin und isst nur noch wenig von dem Fleisch, daß ich ihr anbiete. Aber daß sie die Tiere vorher zu quälen scheint, macht mir zu schaffen.
Heute hatte ich jedenfalls erhebliche Zweifel an Ute Schirans These, daß zwischen Jäger und Gejagtem eine Form von Einverständnis besteht. Der Vogel klang gar nicht einverstanden. Aber vielleicht hat er die ganze Zeit gerufen: "Mach schnell, mach schnell!"

Meine Tochter hat einen Satz gesagt, den ich gut finde. Ich habe ihn so in Erinnerung: Empathie ist ein revolutionäres Gefühl.
Ja, erst recht in Zeiten des Neo-Liberalismus.
Ich kann zum Thema Flüchtlinge den Beitrag eines ehemaligen Richters empfehlen: http://www.nachdenkseiten.de/?p=27362
Er hatte viel mit Asylanten zu tun und schreibt klar und knapp, daß der derzeitige Strom von fliehenden Menschen nur die Vorhut einer gigantischen Völkerwanderung ist, die auch durch Frontex-Zäune nicht aufgehalten werden kann. Er schlägt vor, daß wir mit diesen verzweifelten Menschen unseren Reichtum, den wir ja auf ihrem Rücken erwirtschaftet haben, teilen. Wenn wir dazu nicht bereit sind, dann werden sie sich nehmen, was sie brauchen.
Das klingt erst mal sehr ungemütlich und bedrückend, ist aber absolut richtig. Wir werden, ob wir wollen oder nicht, über kurz oder lang aus unserer Komfortzone heraus müssen. Da ist es doch am besten, finde ich, das freiwillig zu machen.
Und wer weiß, vielleicht ist das Ganze ja auch Chance. Unser Wirtschaftssystem wird jedenfalls zusammenbrechen. Ich werde ihm keine Träne nachweinen.
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Donnerstag, 27. August 2015

Flüchtlinge

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Meine erste Reaktion, wenn ich in den Nachrichten von brennenden Flüchtlingsunterkünften höre, ist: was für hirnamputierte Wichser! Ich wünsche ihnen aus tiefstem Herzen, daß sie selbst irgendwann in einer so aussichtslosen Lage sind und dringend auf Hilfe von Fremden angewiesen sind - und sich dann an ihren eigenen völlig irrationalen Hass erinnern!
So denken viele: auch Herr Gauck, der bekanntermaßen kein moralisches Statement auslässt.
Aber - es fühlt sich irgendwie nicht richtig gut an. Es hat etwas Selbstgerechtes: wir sind die Guten und die Pegidas, Faschos und Brandstifter sind die Schlechten. Das Problem wird dadurch nicht gelöst.
Nein, ich habe keine Lösung. Ich will hier nur meine Gedanken in den virtuellen Raum stellen.
Ich denke, der Hass auf die Flüchtlinge, die nach Europa strömen, hat verschiedene Ursachen. Ganz sicher hat der eine oder andere Politiker mit seinem dummen Gerede von Wirtschaftsflüchtlingen, die nur kommen, um hier die Kohle abzugreifen, dazu beigetragen. Die Mainstream-Medien tun ihrs dazu.
Aber ich glaube, hinter dem Hass steckt eine tiefe Angst. Vielleicht ist diese Angst uralt: eine in den Körperzellen gespeicherte Erinnerung an die Zeit vor einigen tausend Jahren, als die gewalttätigen Kriegervölker aus der asiatischen Steppe nach Mitteleuropa kamen und die friedliche Urbevölkerung von ihrem Land vertrieben, vergewaltigten, töteten und ihre Kultur zerstörten. Alte Mythen und Märchen erzählen von dieser Zeit, besonders gut erhalten sind sie noch im Alpenraum (welche es interessiert: Heide Göttner-Abendroth, Das Feenvolk der Dolomiten und die Bücher von Marija Gimbutas). Diese kriegerischen Völker nennen wir heute Germanen und Kelten. Wir stammen von ihnen ab, aber eben auch von den Ureinwohnern, denen Krieg völlig unbekannt war. Was ich damit sagen will: wir haben das Erbgut dieser unterschiedlichen Stämme in uns, die Zellerinnerung an Gewalt und Vertreibung, an Mangel und Elend.
Vielleicht wäre es gut, mal die echten Verantwortlichen für die Flüchtlingsströme zu nennen: das sind jedenfalls nicht die Schleuser. Es sind die europäischen Wirtschaftspolitiker, die die afrikanischen Staaten zwingen, bei uns hergestellte Agrarprodukte zollfrei einzuführen. Die sind subventioniert und deshalb so billig, daß die afrikanischen Produzenten sie nicht mehr unterbieten können und ihre Existenzgrundlage verlieren. Das sind die riesigen europäischen Fischtrawler, die die Atlantikküsten leerfischen und so dafür sorgen, daß die einheimischen Fischer nichts mehr fangen (Das, was mit TTIP auf uns zukommt, ist in Afrika längst Realität). Die Menschen dort schmeißen also ihr ganzes Geld zusammen und machen Schulden, damit ein Familienmitglied (in der Regel ein kräftiger junger Mann) nach Europa gelangt, hier sein Glück macht und das Geld seiner Familie nach Hause schickt.
Die europäischen Politiker sind ferner für die meterhohen Natodraht bewehrten Zäune an den Grenzen verantwortlich. Ohne die gäbe es keine Schleuser und kein Massengrab im Mittelmeer.
Und daß jetzt soviele Menschen aus den Kriegsgebieten des Nahen Osten fliehen müssen, dafür kann man ganz klar die USA verantwortlich machen: die haben nicht nur durch die beiden Irak-Kriege für große Destabilisierung gesorgt, sondern sowohl die Taliban wie auch IS lange mit Geld und Waffen gefördert.
Mehr zu Afrika und der Verantwortung des Westens hier:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=27289
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Jetzt will ich aber auch noch was Schönes schreiben: ich bin immer noch ganz begeistert von dem bereits erwähnten Buch von Hildegard Kurt und Shelley Sacks, Die rote Blume.
Da wird darauf hingewiesen, daß wir Menschen als erdgeschichtlich jüngste Gattung ja noch ganz am Anfang unserer Entwicklung stehen. Das heißt: wir haben die Chance und sicher auch die Aufgabe, herauszufinden, wer wir eigentlich sind, warum wir hier sind und wie es möglich sein kann, mit der mehr-als-menschlichen Welt zu kooperieren.
Ich bin davon überzeugt, daß die älteren Wesenheiten, die Mineralien, das Wasser, die Pilze, Pflanzen, Tiere die ganze Zeit darauf warten, daß wir ihnen zuhören. Ich weiß, daß ich genau aus dem Grunde hier bin. Und ich glaube, daß die Erde als Paradies und nicht als Schlachtfeld gemeint ist.

Sonntag, 16. August 2015

Tote Zonen

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Ich lese gerade ein Buch, das ich wärmstens empfehlen kann: Die rote Blume - Ästhetische Praxis in Zeiten des Wandels von Shelley Sacks und Hildegard Kurt.
Worum es darin geht, ist schwer in einigen Worten zu fassen, weshalb ich es gar nicht erst versuche. Shelley Sacks war Schülerin von Joseph Beuys und erweiterte sein Konzept der Sozialen Plastik (es gibt ein paar englischsprachige Youtube-Videos mit ihr, in denen ich sie enorm sympathisch und lebendig finde), Hildegard Kurt ist Kulturwissenschaftlerin und spielt immer mal wieder eine Rolle in der Oya.
In einem der Kapitel geht es um tote Zonen. Hildegard Kurt beschreibt, wie sie in einem Drogeriemarkt einkauft, der über eine eigene Biosparte verfügt (jetzt weiß sicher jeder, welcher Drogeriemarkt gemeint ist). Dabei stellt sie fest, daß ungefähr alles in Plastik verpackt ist und sie denkt an den Strudel von Plastikmüll im pazifischen Ozean, der mittlerweile die Größe von Europa erreicht hat. Der landet in den Mägen der Meeresbewohner und wirkt dort unheilvoll - und nicht nur dort.
Ich vermeide Plastik, wo ich nur kann. Schon lange lasse ich mir beim Einkaufen keine Plastiktüten mehr geben, trage immer ein paar Stoffbeutel und Papiertüten mit mir herum und kaufe soviel wie möglich Nachfüllbares. Dennoch kommt Plastik in meinen Haushalt. Zum Beispiel in Form von Zahnpastatuben. Auch die von mir ehemals sehr geschätzte Firma Weleda füllt mittlerweile immer mehr Kosmetikprodukte in Plastikbehälter statt wie früher in sympathische Glasflaschen. Was soll das? Das ist für mich ein Grund, sie nicht zu kaufen. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, die Kosmetikprodukte ganz weg zu lassen. In jungen Jahren habe ich mit der Cremerei angefangen, als ich in einem Reformhaus eine Gratiskosmetikberatung bekommen habe. Wer einmal anfängt zu cremen, cremt immer. Die Haut gewöhnt sich dran und stellt ihre Selbstregulation ein. Andererseits kann ich ja einfach mal ausprobieren, was passiert, wenn ich es sein lasse. Daß ich für mein Alter noch so glatte Gesichtshaut habe, hat jedenfalls ganz sicher nichts mit der Gesichtslotion zu tun, die ich benutze. Woher ich das weiß? 1994 nahm ich an einem Survival in Schweden teil: eine Woche lang konnte ich mich nicht waschen (außer mal ohne Seife in einen See springen) und erst recht nicht eincremen. Als ich wieder zu Hause war, hatte ich so glatte und reine Haut wie nie zuvor und nie wieder in meinem Leben. Das hat mir die Augen geöffnet. Schon damals habe ich meine Kosmetika deutlich reduziert und vor allem das tägliche Duschen gestrichen. Täglich mit Waschlappen und Seife waschen reicht völlig und geduscht wird nur noch alle vier Tage.

Zurück zum Buch: gerade habe ich über das Wahrnehmen ohne Fokus gelesen. Da fällt mir eine Augenübung ein, bei der ebenfalls der Fokus rausgenommen wird. Erst dann kann das ganze Bild gesehen werden. Ich denke, das kennt jedeR: wenn man etwas fokussiert ansieht, verengt sich das Gesichtsfeld immer mehr, es wird buchstäblich grau von den Rändern her. Manchmal ist fokussiertes Sehen erforderlich, als Gewohnheit bedeutet es Dauerstress für Augen und Organismus. Und es verhindert, daß wir Zusammenhänge wahrnehmen. Interessanterweise kann man dieses Prinzip auf andere Situationen übertragen: begebe ich mich in einen Zusammenhang mit festem Fokus (ein Thema, eine Zielrichtung), besteht die Gefahr, daß das Ganze starr und unlebendig wird. Eine Zusammenkunft von Menschen ohne Fokus empfinde ich jedenfalls oft als viel entspannender und belebender. Sie bietet eher einen offenen Raum, in dem Neues und Interessantes geschehen kann.
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Sonntag, 9. August 2015

Die Illusion der Freiheit

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Gerade habe ich mir den Vortrag des Kieler Psychologie-Professors Rainer Mausfeld auf Youtube angesehen: https://www.youtube.com/watch?t=2253&v=Rx5SZrOsb6M
(bin ich durch die Nachdenkseiten drauf gekommen): Unbedingt empfehlenswert! In klarer nüchterner Sprache erzählt er, warum wir der Illusion von Demokratie und Freiheit anhängen: die herrschenden Eliten haben im Laufe der Geschichte (und das war schon bei den alten Griechen so) Mittel und Wege gefunden, das Volk durch Täuschung und Fehlinformationen dazu zu bringen, alles zu schlucken. Für mich eine Bestätigung dessen, was mich seit meinem 15. Lebensjahr politisch umtreibt.
Viele von uns halten sich für gut informiert, weil sie Zeitung lesen und sich online und per TV erzählen lassen, was in der Welt passiert. Aber wir erfahren auf diese Weise nicht, was wirklich geschieht.
Noch schlimmer: im Namen der Demokratie werden die größten Grausamkeiten begangen, allen voran von den USA.
Ein Zitat von Nelson Mandela dazu: „If there is a country that has committed unspeakable atrocities in the world, it is the United States of America. They don’t care for human beings.“ (Wenn es ein Land gibt, das unaussprechliche Scheußlichkeiten auf der Welt begangen hat, sind es die Vereinigten Staaten von Amerika. Ihnen sind Menschen egal.)
Zum Schluss sagt Professor Mausfeld, daß wir aus der Falle des Getäuschtwerdens nur herauskommen, wenn wir bereit sind, uns von der Illusion der Demokratie zu verabschieden und auf diese Weise unser "natürliches Immunsystem" wieder aktivieren.
Nein, das sind keine Verschwörungstheorien, sondern schlichte Logik: die reichen Welt-Eliten wollen weder ihre Macht noch ihren Reichtum verlieren.
Wir sehen es ganz konkret am Beispiel Troika - Griechenland, dem Ukraine-Konflikt und TTIP: der Neoliberalismus ist mit Demokratie nicht vereinbar (wobei ich hier mal wieder anmerken muss, daß ich gar keine Herrschaft will, auch nicht die des Volkes, was ohnehin ein Widerspruch in sich ist).
Vor einigen Jahren habe ich mal irgendwo gehört, der Neoliberalismus sei die zeitgemäße Form des Faschismus. Ich finde, das trifft den Nagel auf den Kopf.
Warum geht die "Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf" ( so die stereotyp alle Jahre wieder wiederholte Äußerung in den Medien), warum hungert denn ein großer Teil der Menschen, warum saufen denn massenweise Flüchtlinge im Mittelmeer ab? Weil es so gewollt ist!
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Mittwoch, 5. August 2015

Garten

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Zurück von meiner diesjährigen Reise in die Rhön, auf der mich meine Tochter und ihr Freund begleitet haben. Ich möchte an dieser Stelle noch mal unsere Quartiergeberin Julia Djabalameli und ihren Spiegelshof empfehlen: www.spiegelshof.de. Es ist schön und unkompliziert dort. Wir hatten die große Küche für uns allein und haben uns abends immer etwas Leckeres gekocht. Das ging schnell, weil alle anpackten. Einkaufen ist etwas schwierig: man muss doch einige Kilometer fahren bis zum nächsten Supermarkt. Bio-Lebensmittel gibt es im weiten Umkreis gar nicht. Also nahmen wir die Zutaten für einfache Mahlzeiten im Auto mit.
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Es war richtig kalt in der Rhön. Oben auf dem Schafstein pfiff ein eisiger Wind, und wir träumten von Handschuhen. Erst am letzten Tag wurde es sehr warm. Das war auch der Tag, an dem wir ungefähr zwei Stunden lang unaufhörlich bergauf gehen mussten, weil wir den richtigen Übergang über den Elsbach verpasst hatten.
Wir haben auch einen neuen Berg gefunden, den Steinkopf, der dem Schafstein mit seinen Blockmeeren ähnelt. Sein Gipfel ist als Naturschutz-Kernzone deklariert: Sobald wir den Wald betraten, tauchten wir in eine andere Welt ein.
Wieder gab es neue Pflanzen zu entdecken. Am ersten Tag sahen wir am Berghang hinter dem Spiegelshof sogar drei Schwarzstörche.
Der magischste Ort war für mich ein Fleckchen Erde vor den Kalkfelsen auf dem Weg zum Schafstein: gelb blühende kanadische Goldrute neben einem dicken Pulk violett-rosa Dost, umringt von blassgrün blühendem Frauenmantel. Der Dost war voller Luftwesen, die dort eine heitere Nektar-Party feierten. Erst dachte ich, das sei ein kleiner Garten, von Menschen angelegt. Aber es war Nature herself, die diesen Garten geschaffen hatte. Ich muss oft an diesen Ort denken: Ich suche nach anderen Möglichkeiten des Gartenbaus, da die Art und Weise, die ich mir in den letzten zwanzig Jahren angeeignet habe, sehr arbeitsintensiv und aufwendig ist. Ich habe mich zu einem Einführungskurs in Permakultur angemeldet, mit der ich schon seit Jahren liebäugele.
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