Sonntag, 17. Januar 2016

Gute Männer

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Meine Tochter an meinem Post vom 9.1. den Satz beanstandet, in dem ich äußere, sexuell übergriffige asylsuchende Männer sollten dahin zurück geschickt werden, wo sie her kommen. Ich habe mir das noch mal durchgelesen und finde daran nichts auszusetzen. Ich möchte eher noch eine Ergänzung machen: natürlich würde ich auch gern deutsche sexuell übergriffige Männer abschieben, aber wohin?

Freitag gab es anlässlich Norberts erstem Todestag eine große Gedenkparty in Bonn bei meinem Sohn. Das war eine Feier ganz in Norberts Sinn und ich habe keinen Zweifel, daß er in seinem derzeitigen Aggregatzustand dabei war. Mir hat es Spaß gemacht, all die bekannten Gesichter wieder zu sehen. Ich musste mich dann allerdings einigermaßen früh ins Bett legen; ich hatte noch einen Hangover von meinem Nachtdienst. In der Nacht legte sich der riesige alte Kater meines Sohnes an mein Fußende, eine große Ehre. Na ja, vielleicht war ihm auch einfach die Partymucke unten im Haus zu laut.
Morgens räumten Katharina und ich die Küche soweit auf, daß man einen ersten Kaffee zu sich nehmen konnte. Spülmaschine und Kaffeemaschine versagten uns allerdings den Dienst. Dann kam J., fegte den Fußboden, versuchte vergeblich die Espressomaschine in Gang zu bringen und gab dabei einige humoristische Einlagen, so daß schon beste Stimmung herrschte, als nach und nach die anderen jungen Männer hereinkamen, die im Haus übernachtet hatten. J. kaufte ein, Martin brutzelte Spiegeleier, F. hatte das richtige Händchen für die Spülmaschine und dann gab es ein üppiges englisches Frühstück mit Eiern, Speck und baked Beans. Kieler Sprotten, Brötchen und Croissants kamen als kontinentale Ergänzung dazu. Köstlich!
Dabei ist mir aufgefallen, wenn auch nicht zum ersten Mal: diese jungen Männer sind so, wie ich sie mir vor dreißig, vierzig Jahren gewünscht habe: fürsorglich mit ihren Kindern, nicht zu schade für Hausarbeit, kreativ am Herd. Sicher sind nicht alle so, aber es hat sich sehr viel geändert und das finde ich richtig gut!
Bestens gelaunt fuhr ich nach dem Frühstück nach Münster zu meiner Mutter. Jetzt bin ich wieder zu Hause und versuche, die eiskalte Wohnung mit meinem Öfchen wieder warm zu bekommen.
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Mittwoch, 13. Januar 2016

Sexmob

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Ganz kurz heute:

Diesen Link mit dem Titel Sexmob hat mir mein Sohn geschickt: wunderbar sarkastischer Kommentar zu den Ereignissen in Köln in der Sylvesternacht. Der Schreiber hat's auf den Punkt gebracht und alle Beteiligten bekommen eine schöne Packung:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-01/sexmob-koeln-kriminalitaet-strafrecht-fischer-im-recht

Und hier kommt feine herzerwärmende Musik. Erstaunlich die Stimme von Henning May, der den Refrain singt:

https://www.youtube.com/watch?v=XTPGpBBwt1w

Das spricht mir aus meiner Anarchistinnen-Seele.

Montag, 11. Januar 2016

Geheimnisse

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Die amerikanische Sängerin und Performerin Amanda Palmer hat in einem Interview gesagt, das Geheimnis ihres Erfolgs sei wohl, daß sie sehr wenige Geheimnisse habe.
Mir gefällt das, überhaupt gefällt mir die ganze Frau - meine Tochter hat mich vor einigen Jahren auf sie aufmerksam gemacht: sie ist ungeniert, geht auf eine sehr offene Weise mit ihrer Körperlichkeit um, sie nimmt kein Blatt vor den Mund, sie scheint das Gute in Menschen sehen zu können und ist überhaupt nicht auf den Mund gefallen.
Eigentlich mag ich keine Geheimnisse. Ich mag mich gern mitteilen wie dieses Blog beweist ;-). Manche Menschen mögen das und andere nicht. Ich kann's nicht jeder und jedem recht machen. Ich möchte reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist.
Grenzwertig wird es, wenn ich Dinge über Andere erzähle. Ich gebe zu, daß mir das Tratschen nicht fremd ist. Darauf bin ich nicht stolz. Es hat eine Weile gebraucht, bis ich dieser eingefahrenen Gewohnheit auf die Spur gekommen bin.
Ich musste erst mal fühlen, wie es ist, wenn plötzlich fremde Menschen über mein Leben Bescheid wissen: als meine Trennungsentscheidung gefallen war, erlebte ich wenige Tage später, daß die Arzthelferin meines Zahnarztes auch schon Bescheid wusste. Das fühlte sich unangenehm an. Eine Frau aus meinem Umfeld hatte die Nachricht brühwarm weiter gereicht. Hier kam mir zum ersten Mal der Gedanke, daß es vielleicht gut sein könnte, im Vorfeld zu überprüfen, was die Welt erfahren sollte.
Manche Dinge möchten in Ruhe reif werden, bevor sie sich im Licht zeigen wollen.
Dann gibt es noch die dummen Geheimnisse. Ein Bespiel: als meine Tochter im Kindergarten war, hatte sie eines Tages Kopfläuse. Sowas kannte ich bis dahin nicht. Ich erzählte es im Kindergarten, weil ich annahm, daß andere davon auch betroffen sein mussten. Ich erntete nur betretenes Schweigen. Das ist mir bei dem Läusethema übrigens einige Male passiert: auch in der Schule schienen meine Kinder immer die einzigen mit kleinen Tierchen auf dem Kopf zu sein. Heute weiß ich, daß ich die einzige war, die mit diesem Thema offen umgegangen ist.
Ein Bekannter sagte mir mal: du hast keine Angst, dich zu zeigen.
Das nehme ich durchaus als Kompliment.
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Samstag, 9. Januar 2016

Sexualisierte Gewalt

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Danke für den Tip. Ich werde allerdings erst mal startpage.com ausprobieren.

Eine Freundin fragte mich gestern, was ich über die Ereignisse in Köln in der Sylvesternacht denke. Ich war ziemlich zurückhaltend, wollte noch keine Beurteilung abgeben. Heute habe ich dann in den Nachrichten gehört, daß der Polizei längst bekannt war, daß die übergriffigen Männer aus dem Kreis der Flüchtlinge kommen. Man es für nicht opportun gehalten hat, das uns, dem Volk, ehrlich mitzuteilen. Ob das Geheimhalten politisch motiviert war oder auf dem Mist des Kölner Polizeipräsidenten gewachsen ist, interessiert mich weniger. Es bestätigt einmal mehr, daß es keinen Grund gibt, den Mächtigen zu vertrauen.
Was in Köln geschehen ist, hat eine sehr alte Wut in mir aufgeweckt: die Wut, als Frau mit sexualisierter Gewalt rechnen zu müssen. Das sind uralte Erfahrungen, die wohl jede von uns in verschiedenen Abstufungen gemacht hat. Ich kann gar nicht verstehen, was Männer davon haben, im Rudel Frauen zu überfallen. Mit der Erfüllung sexueller Bedürfnisse kann das nichts zu tun zu haben, wohl eher mit einem starken Drang, Frauen zu demütigen.
Wie auch immer: die Täter müssen dahin zurückgeschickt werden, woher sie gekommen sind. Sie sind hier im falschen Land. Da bin ich ganz streng: keine weitere Chance und auch kein Verständnis. Wir können euch nicht gebrauchen.
Wenn in den Medien von muslimischer Macho-Kultur die Rede ist, finde ich das übrigens reichlich selbstgerecht: es ist ja noch gar nicht lange her, da gab es eine deutsche Macho-Kultur. Ich habe sie ja miterlebt, diese mehr oder minder offen geäußerte Frauenverachtung, die Übergriffe auf Frauen, die Rechtsprechung, die den Frauen gern die Schuld für Vergewaltigungen gab ("Ja, wenn Sie einen so kurzen Rock/ein solches Dekolletee tragen, fordern Sie Männer ja geradezu auf..."). Auch heute gibt es noch genug Dumpfbacken, die kundtun, eine Frau müsse nur mal ordentlich durchgevögelt werden, dann seien all ihre Probleme behoben. Ich glaube nicht, daß die sexualisierte Gewalt durch deutsche Männer in den letzten vierzig Jahren abgenommen hat. Also Jungs: kehrt vor eurer eigenen Haustür.
Ich wiederhole mich: solange es sexualisierte Gewalt von Männern gegen Frauen gibt, hat sich der Feminismus nicht erledigt. All die Möglichkeiten, die wir Frauen mittlerweile hier in Deutschland haben, sind weder vom Himmel gefallen, noch hat sie uns irgendein Mann gewährt: Sie sind durch die Frauenbewegung erkämpft worden.
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Sonntag, 3. Januar 2016

Deep Web

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Die Feiertage sind vorbei, meine BesucherInnen sind wieder zu Hause und jetzt bleiben mir ein paar Tage allein und ohne zur Klinik zu müssen, um den Rest der Rauhnächte bewusst auszukosten.
Ich mag es ja, wenn meine kleine Wohnung voller vertrauter Menschen ist, wenn es gutes Essen und gemütliches Sitzen am warmen Ofen gibt. Und ich mag es, wenn ich mich ganz in Ruhe in Zeit und Raum ausbreiten kann, ohne Verpflichtung, ohne die mir eigene Zielstrebigkeit. Es ist sehr kalt geworden, der Wind pfeift ums Haus. Heute Morgen war die Regentonne zugefroren. Ich musste die Eisschicht zertrümmern, um das Wasser auszuleeren und sie vorm Zerbersten zu retten.
Sylvester verbrachte ich mit J. und I. zu Hause, das erste Mal, seit ich hier wohne. Es war sehr ruhig, nur zwei Raketen und ein Böller in der Nachbarschaft. Das gefiel mir gut. Allerdings gab es Feuerwerk in den umliegenden Dörfern und ein großer Schwarm Wildgänse irrte schreiend über den Nachthimmel. Solange es knallte und leuchtete konnten sie sich nirgendwo niederlassen.
Am nächsten Morgen gab es ein üppiges Frühstück, dann brachte ich die beiden nach Hause und fuhr zum Dienst.
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Meine Kinder haben mir eine neue Kamera geschenkt, jetzt kann ich endlich gute Makroaufnahmen machen. Und sie haben wie immer dafür gesorgt, daß ich gut informiert bin: dieses Mal sahen wir die Dokumentation Deep Web 2015 mit Keanu Reeves als Sprecher.
Das Deep Web ist der Teil des Internets, der über Suchmaschinen nicht erreichbar ist. Er macht einen wesentlich größeren Teil aus und man kommt nur über spezielle Browser rein. Im Deep Web tummeln sich alle, die sich vor staatlichem Zugriff verstecken wollen: da finden sich neben den ganz düsteren Sachen wie Kinderpornografie und Waffenhandel auch Regierungskritiker und Dissidenten, die sich gefahrlos austauschen wollen.
In der Doku geht es um einen jungen US-Amerikaner, der einen virtuellen Marktplatz namens Silk Road vorwiegend für illegale Drogen geschaffen hat. Seine Beweggründe waren durchaus idealistischer Natur: er sah wie so viele nicht ein, daß der Verkauf von Drogen kriminalisiert wird und dadurch erst Drogenmafias und Beschaffungskriminalität ermöglicht werden. Er war davon überzeugt, daß der Handel sich selbst regulieren sollte unter Umgehung staatlicher Instanzen. Man kann das diskutieren: nach meiner Erfahrung mit süchtigen Menschen macht staatliche Kontrolle nichts besser, das hat die Prohibition in den USA deutlich gezeigt. Was verboten wird, geht in die Untergrund.
Der junge Mann wurde geschnappt und zu lebenslanger Haft ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung verurteilt. Das ist ein extrem hartes Urteil und steht meines Erachtens in keinem Verhältnis. Natürlich soll es Signalwirkung haben. Es zeigt darüber hinaus, daß diejenigen, die sich staatlicher Kontrolle entziehen, für ungemein gefährlich gehalten werden. Das zeigen auch die Reaktionen auf die Enthüllungen von Julian Assange und Edward Snowdon.
Ich habe mich lange Zeit nicht darum geschert, was durch meine Bewegungen im WWW über mich sichtbar wird, nach dem Motto: die spionieren uns sowieso aus, weil jeder Staat seinen eigenen Bürgern nicht über den Weg traut.
Mittlerweile denke ich etwas anders: mir passt es zum Beispiel nicht, daß Microsoft, Google etc. allein durch mein Surfverhalten ein ziemlich genaues Profil von mir erstellen können. Das nutzen sie, um mich mit auf mich zugeschnittener Werbung zu belästigen und natürlich muss ich davon ausgehen, daß sie die Infos, die sie über mich gesammelt haben, an andere Firmen verkaufen.
Wie wichtig Geheimnisse sind, habe ich erst in den letzen Jahren gelernt, übrigens durch die Kooperation mit der Natur. Ich sehe es jetzt als Form des Widerstandes, sich auf eine Weise im Netz zu bewegen, die das Ausspioniertwerden erschwert.
Das Deep Web als Ort, an dem geheime Bewegungen stattfinden erscheint mir als Analogie zum Phänomen, daß menschliche Organismen unerwünschte Verhaltensweisen, traumatische Erlebnisse und sozial abgelehntes Begehren in tiefere Schichten verschieben: auf die Zellebene, in den Bauch. Das ist unsere persönliche Unterwelt. Dort wirken sie weiter, versteckt und deformiert. Der Deckel, der sie unten hält, ist ein verspanntes Zwerchfell und eine chronisch reduzierte Atmung mit allen Folgeerscheinungen wie Bluthochdruck, Angstzuständen, Depressionen. Und solange diese Abspaltung besteht, ist unsere Lebendigkeit reduziert.
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Freitag, 18. Dezember 2015

Seeadler

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Wilde Erdbeeren blühen im Dezember und die Bienen fliegen: wir haben Frühlingstemperaturen. Nur die dunklen, verhangenen Tage erinnern daran, daß wir kurz vor der Wintersonnenwende stehen.
Vor zwei Tagen machte ich die Oxalsäurebehandlung bei den Bienen. Ob das richtig war, weiß ich nicht. Von meinen Imkerlehrern weiß ich, daß sie bis zum 21. Dezember abgeschlossen sein und in einer brutfreien Phase stattfinden sollte. Die gibt es üblicherweise etwa zwei Wochen nach einer Frostperiode. Aber wir hatten bisher keine Frostperiode, sieht man mal von ein bisschen Eis vom Autofenster kratzen vor einigen Tagen ab. B. und ich haben uns beraten: sie behandelt ihre Bienen auch. Ich habe auch mit den Bienen gesprochen und um ihre Zustimmung gebeten. Auf die Dauer möchte ich etwas anderes finden als diese Säurebehandlungen.
Über dem Wäldchen hinter dem Haus flog ein Seeadler. Er war sehr niedrig und sehr dicht. Ich bat ihn lautlos: Komm näher, bitte, komm näher!
Da machte er einen Schlenker in der Luft und flog zu mir hin. Ich konnte die Federn seiner großen Schwingen und seinen Schnabel erkennen. Er drehte seinen Kopf zu mir, machte eine Wende und flog davon.
Welch eine Freude!
Neulich erfuhr ich von einem Mann, der es wissen muss, daß die wilden Tiere, die Rehe, Hirsche, Hasen, Füchse nachtaktiv geworden sind, weil sie gelernt haben sich vor den Menschen zu fürchten.
Ich habe so oft das Gefühl, daß die Tiere Kontakt zu uns wünschen, daß sie neugierig auf uns sind. Aber wenn ich dann an jedem Feldrand einen Jagdsitz sehe und tagsüber die lauten Schüsse höre, dann gebe ich Peter Wohlleben Recht, der alle Jäger in Deutschland entwaffnet sehen möchte.
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Heute hatte ich einen geschenkten Tag, weil eine Verabredung geplatzt ist (was sich gleichzeitig stimmig und traurig anfühlte). Also fuhr ich bei trüben Wetter zum Strezerberg und besuchte mein Lieblingslanggrab im Wald, an dem ich nie eine Menschenseele sehe. Ich hockte eine Weile in der Kammer und ließ meine Wahrnehmung immer weiter werden. Ein lebendiger Strom bewegte sich meine Wirbelsäule hoch und runter, mein Kreuzbein entspannte sich, während ich tief und ruhig atmete und mich geborgen und getröstet fühlte.
Diese jungsteinzeitlichen Dolmen werden immer als Grabkammern bezeichnet. Sicher hat man in dem einen oder anderen auch Knochen gefunden, aber längst nicht in allen. Ich habe viel eher die Vermutung, daß es sich um gebärmutterartige Einweihungsorte handelt.
Wie auch immer: mir helfen diese Plätze mich wieder mit der Erde zu verbinden.

Sonntag, 6. Dezember 2015

Riders on the Storm...

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...war eins von den Doors-Stücken, die mich in den 80er Jahren, als ich endlich Kopf und Körper frei für die Musik hatte, elektrisierte. Heute morgen dachte ich daran, als ich aus dem Küchenfenster zwei Seeadler am Sturmhimmel miteinander tanzen sah. Sie genossen den Sturm, das war offensichtlich.
Sind wir nicht alle Sturmreiter, auf die eine oder andere Weise? Sturm hat etwas Überraschendes: er kann alles um- und durcheinander werfen, er kann seine zerstörerische Kraft auf Straßen, in Wäldern und Siedlungen entfalten, er fordert Aufmerksamkeit. In der Stadt bemerke ich ihn weniger, aber hier auf dem Lande ist er unüberhörbar, sorgt für dramatische Himmelsanblicke und zwingt mich, die Planen über dem Brennholzstapel und die Abdeckung der Top bar hives zu sichern.
Das ganze Leben ist ein Sturm, wirft uns hier hin und da hin, bringt gewohnte Ordnungen durcheinander, zwingt uns zu neuer Orientierung.
Bei meinem heutigen Spaziergang sah ich einen sehr großen Schwarm Wildgänse dicht über dem Land, nicht im ordentlichen Keil, wie das sonst ihre Art ist, sondern im großen lärmenden Pulk. Migratory birds heißen Zugvögel auf Englisch. Migration geschieht zur Zeit in gigantischem Ausmaß: menschliche Schwärme kommen zu uns, anders als die Zugvögel nicht aus biologischen Gegebenheiten sondern wegen Krieg, Hunger und Perspektivlosigkeit.
Nachdem B. und ich gestern eifrig versuchten, aus dem Wachs von B.s Bienen Kerzen zu fertigen (zumindest wissen wir jetzt, was wir beim nächsten Mal besser machen werden), fuhren wir abends nach Plön. Dort spielte ein Freund von B. mit seiner Band in einer Unterkunft für Geflüchtete (ich mag das Wort Flüchtlinge nicht). Als wir ankamen, war die Musik schon im vollen Gange. Also schwangen wir gleich das Tanzbein. Hat Spaß gemacht: einfach sich der Musik hingeben und den Körper sich von selbst bewegen lassen. Während des Tanzflows konnte ich die vielen jungen Männer aus dem Irak, Syrien, Eritrea und Afghanistan ansehen, ihre Freude, ihre Ausgelassenheit, auch stille Gesichter mit verschatteten Augen gab es. Als die Musiker ihre Sachen zusammen packten, wurden sie umarmt und geherzt. Ein Mann aus dem Irak sprach mich an. Er konnte ziemlich gut Deutsch, obwohl er erst seit fünf Monaten hier ist. Er bedankte sich für die Aufnahme, die er in Deutschland gefunden hat und machte mich damit etwas verlegen. Dann schenkte er B. und mir einen Schokoladennikolaus und sagte uns, wie der Nikolaus im Irak genannt wird.
Ich freue mich sehr, daß ich als Sprachpatin in Selent einen Teil dazu beitragen kann, daß diese Menschen hier gut ankommen können.
Es gibt immer wieder Befremden darüber, daß es überwiegend Männer sind. Einige sagen sogar, diese Leute überlassen ihre Frauen und Kinder dem IS. Aber es scheint ein anderes Verständnis dahinter zu stecken: diese Männer sind sozusagen die Vorhut, sie wollen alles vorbereiten, damit ihre Familien nachkommen können. Welch eine ungeheuerliche Grausamkeit unserer herrschenden Kaste, daß sie ihnen genau das jetzt verwehren wollen!
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Meine Tochter las mir kürzlich aus der Rede von Barack Obama anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises im Originaltext vor:
Er sagte, daß dieser Preis für ihn die Bestätigung dafür sei, daß den USA die Führungsrolle in der Weltpolitik zukomme.
Mir wird schlecht, wenn ich sowas höre. Nicht nur, daß ich als Angehörige des deutschen Volkes weiß, daß wir mehr als genug einschlägige Erfahrungen mit Führern haben und absolut keine weiteren brauchen. Aber eine Nation, die ihre eigenen Rassenprobleme nicht in den Griff bekommt, die ihren Bürgern erlaubt, Waffen zu besitzen und zu deren Alltag Amokläufe und Selbstjustiz gehören, die darüber hinaus seit dem Beginn ihrer Existenz fast ununterbrochen Krieg zunächst gegen die First Nations, dann in aller Welt führt, die soll sich gefälligst nur und ausschließlich um den Dreck vor ihrer eigenen Haustür kümmern.
Immer wenn Leute meinen, sie wüssten, was für andere gut sei, kommt nichts Gutes dabei raus. Das sehen wir ja gerade im arabischen Raum, wo die Amerikaner mit ihren Kriegen für völlige Destabilisierung gesorgt haben. Daß die deutsche Regierung im Eilverfahren ihre Mitbeteiligung am Krieg in Syrien beschlossen hat, zeigt leider: nix gelernt aus Afghanistan.
Und wenn Mark Zuckerberg sein Vermögen in eine Stiftung überführt, die die Welt besser machen soll, wird mir auch flau: was besser ist, bestimmt dann wohl er, oder?! Wir wissen ja: wo das Geld ist, ist die Macht.
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Sonntag, 29. November 2015

Stille

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Der Schnee ist schon wieder getaut.

Am Donnerstag war Vollmond. Als ich spät vom Yoga in mein kleines Dorf kam, schien der Mond so hell und das Schuppendach sah aus wie von Schnee bedeckt. Es lag eine unglaubliche Stille über der Landschaft. Alles war so klar und friedlich. Ich ging mit einem wohligen Gefühl ins Bett.
Früher war ich gierig auf Kicks und Thrills und versuchte, z. B. über Musik und Liebesbeziehungen an rauschhafte Erlebnisse zu kommen. Das war schön und spannend und anstrengend. Heute brauche ich viel weniger von diesen Dingen.
Die Stille, der Friede, der ruhige Atem der Erde in jener Vollmondnacht machen mich satt und zufrieden. Ich fühle mich völlig von dieser Landschaft angenommen, die ich mit dem Damwild, den Raben, den Falken, Seeadlern, Ringelnattern und all den anderen Wesen bewohne.
Die Singschwäne aus Skandinavien sind auch wieder da und ziehen in ordentlichen Keilen laut rufend über den Himmel.

Ein sehr kluger Artikel über den Terror in Paris und die immer gleiche Reaktion der westlichen Regierungen, nämlich Krieg, der wiederum neuen Terror hervorbringt aus der WOZ: https://www.woz.ch/1548/krieg-gegen-den-terror/die-schaurige-freund-feind-symmetrie
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Die grünen Peperoni aus Mallorca sind beim Trocknen rot geworden

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