Donnerstag, 29. November 2012

Miesmuscheln

Allerheiligen-2012-003
Liebe Evelyn, spannend, was du über die Verbindung Venus/Inanna und Pentagramm schreibst. Da habe ich schon wieder was dazugelernt. Danke!

Heute Abend hat mir meine Freundin Ida ihren Mann Jans ausgeliehen. Wir waren im Blé noir am Blücherplatz in Kiel und haben Moules et frites (Miesmuscheln und Pommes) gegessen. Sehr empfehlenswert! Ich fühlte mich wieder an meine vielen Campingurlaube in Frankreich erinnert. Jans und ich haben uns gut unterhalten. Das tun wir schon seit mehr als fünfundzwanzig Jahren und immer wieder haben wir uns neue und spannende Sachen zu erzählen.
Unter anderem ging es auch um die systemische Aufstellung. Ich habe das Bienenthema weiter in mir bewegt:
einige halten die Honigbiene für das höchstentwickelte Wesen. Diese Aussage rief zunächst deutliche Resonanz in mir hervor. Aber mir gefällt die Hierarchie nicht, die durch Worte wie "höchstentwickelt" ausgedrückt wird. Zunächst spielte ich mit den Wörtern "weitestentwickelt" und "am tiefsten entwickelt". Jetzt denke ich, daß wir alle nicht in der Lage sind, solche Beurteilungen vorzunehmen. Ich glaube auch nicht, daß sie uns weiterbringen. Ist es nicht eher so, daß alles, was auf dieser Planetin lebt, Teil des Großen Ganzen ist, Zellen im kosmischen Körper, und jedes das andere braucht?
Der Satz der Imker, daß die Biene nicht ohne den Menschen überleben kann, ist in meinen Augen ein Glaubenssatz. Eher kann der Mensch nicht ohne die Biene überleben. Wahrscheinlich ist das die große Angst, die hinter den Bemühungen der Imker steht, die Biene am Leben zu halten.
Auch die Bilder des Films tauchen immer wieder auf: der Alm-Öhi, der die Bienenkönigin abmurkst, weil sie sich nicht um seinen Wunsch nach Reinrassigkeit schert. Die Tatsache, daß er mit bloßen Fingern und ohne Schutzkleidung die Königin aus ihrem Volk herausnehmen und töten kann, ohne von den Arbeiterinnen totgestochen zu werden, gibt mir sehr zu denken. Kann es sein, daß die Bienen sich durch Züchtung, Ausbeutung und Pestizide in einem Zustand chronischer Depression befinden und sich deshalb nicht mehr wehren können? Ist der Colony Collapse Disorder (das plötzliche Verschwinden der Arbeiterinnen aus dem Bienenstock und damit der Zusammenbruch des Volkes)möglicherweise ein kollektiver Suizid?
Viele unbeantwortete Fragen und das Gefühl, daß es viel von den Bienen zu lernen gibt.
Allerheiligen-2012-007

Sonntag, 25. November 2012

Pentagramm

Allerheiligen-2012-009
Seit mehr als 25 Jahren trage ich ein silbernes Pentagramm um den Hals. Zunächst war es für mich ein Zeichen meiner Verbundenheit mit den Frauen, die auf den Scheiterhaufen der Inquisitoren verbrannt wurden und die erst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts nach Generationen des Vergessens/Verdrängens wieder ins kollektive Bewusstsein gehoben wurden.
Manchmal sagten Menschen: "Was für ein schöner Stern." Einige fragten, ob ich Jüdin sei, obwohl doch der Davidstern aus zwei ineinander geschobenen Dreiecken besteht und sich deutlich von einem Pentagramm unterscheidet.
Mittlerweile werde ich häufig gefragt, warum ich diesen Stern um den Hals trage.
Das Pentagramm ist ein ganz altes Symbol mit vielen Bedeutungsschichten: ganz sicher war es mal ein Schutzzeichen, der Drudenfuß. Es erinnert an einen Gänsefuß. Am besten gefallen mir folgende Deutungen: als stilisierter Mensch mit ausgebreiteten Armen, wie er auch im Goldenen Schnitt von Leonardo da Vinci abgebildet wurde, als Zeichen für die Elemente Wasser, Erde, Luft, Feuer und den Geist, der alles zusammenhält und als Symbol, daß alles mit allem zusammenhängt, weil ein Pentagramm in einer Bewegung gezeichnet werden kann, ohne den Stift jemals neu anzusetzen.
Das Pentagramm kommt auch als natürliche Form vor: wenn eine einen Apfel quer durchschneidet. Probiert es aus!
Eine Frau fragte mich, ob ich magiegläubig sei. Da müsste erst mal geklärt werden, was denn Magie ist. Für mich gilt die Definition der spirituellen Frauenbewegung: Magie ist die Kunst nach Belieben das Bewusstsein zu ändern. Das können Kinder noch ganz unbefangen, es gehört zum Handwerkszeug der Schamanen, es gehört sicher generell zu den menschlichen Möglichkeiten.
Was ich gestern erlebt habe, ist in meinen Augen auch Magie:
Ich war zu einer systemischen Strukturaufstellung in Hamburg. Eingeladen hatte mein Imkerverein. Wir wollten etwas über das Verhältnis Biene - Mensch herausfinden.
Übrigens hat diese Form der Aufstellungsarbeit nichts mit Hellinger zu tun. Ich habe vor Jahren einige Vorträge von ihm auf DVD gehört und finde ihn durch und durch patriarchal imprägniert - kurz gesagt: er gefällt mir gar nicht.
Wie unsere gestrige Aufstellung auf unser Verhältnis zu den Bienen und ihr Überleben wirkt, muss sich noch herausstellen. Soviel kann ich aber schon sagen: es war ungeheuer spannend wahrzunehmen, wie sich Missempfindungen in Wohlbefinden wandelten, wenn der Platz gewechselt und wie sich im Laufe der Arbeit eine Struktur ergab, in der jeder und jede ganz körperlich erleben konnte, daß wir als Stellvertreter eines Systems alle miteinander verbunden waren.
Der klare Bezug auf den Körper hat mir sehr gut gefallen: das ist für mich vertrautes Terrain. Alles Wissen, alle Weisheit ist im Körper. Bin ich nur aufmerksam genug, erfahre ich durch ihn alles, was ich wissen muss.
Immer wieder lerne ich spannende Menschen unter meinen ImkerkollegInnen kennen: Menschen mit einem sichtbaren Leuchten, mit deutlich wahrnehmbarer hoher Energieladung. Das ist schön.
Allerheiligen-2012-006

Sonntag, 18. November 2012

November

Ahninnenfest-2012-002
Ahninnenfest vor einer Woche

Ich habe den Eindruck, für die meisten Menschen ist der November der verhasseste Monat. Nicht für mich: während ich gestern die dicke Schicht gelben Eichenlaubs in der Einfahrt zusammenharkte, genoss ich den freien weiten Blick durch die Äste der leergefegten Bäume. Ich mag den Novembernebel, die grauen kurzen Tage, die dazu einladen, sich ans warme Feuer zu setzen, langsam zu werden und sich nach innen zu wenden. Den Garten kann ich jetzt Wind und Wetter und sich selbst überlassen und anfangen, mich in der Zeit auszudehnen.
Ich fuhr im Nebel nach Hause, siebte Puderzucker auf meinen Geburtstagskuchen (morgen werde ich 59 Jahre alt) und war sehr einverstanden mit mir und der Welt, so wie sie ist.
In diesem Jahr ist viel passiert, was ich nicht in Worte fassen kann. Mir scheint, daß etwas in mir immer weiter, immer offener, immer akzeptierender wird. Und ich verabschiede mich Stück für Stück von den Schubladen, auch von denen, die ich mir selbst gezimmert habe.
Ein Beispiel ist die Schublade mit der Aufschrift "Die Männer".
Ahninnenfest-2012-003
Luisa Francia beschrieb kürzlich in ihrem Blog, wie sie auf einer Zugfahrt mit einem Rudel besoffener Männer zusammentraf, die in den Gang pinkelten und sich auch sonst gründlich daneben benahmen. Sie zog daraus den Schluss, daß die Männer es ihr unmöglich machten, sich mit ihnen anzufreunden.
Meine erste Reaktion war ein heftiges Aufwallen: wie wohl jede von uns kenne ich solche Situationen. Ich habe sehr unangenehme und bedrohliche Erlebnisse mit alkoholisierten Männern gehabt. Ich mag diese Art von Rausch nicht, ich finde Betrunkene im besten Falle langweilig, im schlimmsten abstoßend.
Dieses Aufwallen brachte wieder meine ganze Liste von Vorwürfen und Schuldzuweisungen an die Männerwelt ans Licht.
Dann wusste ich plötzlich, daß meine Reaktion einer Konditionierung entspricht: nämlich die Männer für alles verantwortlich zu machen, was nicht rund läuft in unserer Welt.
Ich glaube mittlerweile, daß Schuldzuweisungen uns nicht weiterbringen.
Ja, ich kenne die Statistiken, daß Männer 80% aller Gewalttaten begehen. Ich habe Frauenverachtung erlebt und weiß, daß sie auf dieser schönen Planetin in vielen Ländern noch tief in den Zellen eingeätzt ist.
Und ich finde auch, daß Männer verantwortlich für die Heilung ihrer eigenen Deformierungen sind.
Was ich sagen will: es gibt nicht die Männer, ebenso wie es nicht die Frauen gibt. Es gibt bei beiden Geschlechtern welche, die sehr schlecht und welche, die gut drauf sind.
Auf dem Frauenkongress hat Astrid Brinck in ihrem schönen Ritual die Geschichte von der Initation eines Mädchens in das Stadium der erwachsenen Frau erzählt. Sie begegnet den wilden Geistern der freien Natur, die ihr klarmachen: eine erwachsene Frau beklagt sich nicht mehr über ihre Eltern.
So sehe ich das mit den Männern: eine eigenmächtige Frau beklagt sich nicht mehr über die Männer. Sie hat die Kraft und die Freiheit, sich mit denen zusammenzutun, die ihr guttun und die anderen zu lassen. Sie ist nicht länger Opfer.
Auch der oft geäußerten Annahme, daß Frauen die besseren und nützlicheren Menschen sind, kann ich nicht (mehr) zustimmen.
Es sind Frauen, die Genitalverstümmelungen an Mädchen ausführen. Es sind Frauen, die ihre Söhne zu lebensuntüchtigen Muttersöhnchen abrichten. Es sind Frauen, die untereinander intrigieren und sich gegenseitig in die Pfanne hauen. Der Falklandkrieg wurde von einer Frau angezettelt. Das sind nur einige wenige Beispiele.
Auch die Ansicht, daß Männer biologisch weniger wichtig sind als Frauen, finde ich ignorant. Ich traue der Evolution zu, daß sie gute Gründe gehabt hat, nach dem Weiblichen irgendwann auch das Männliche hervorzubringen. Von den Bienen habe ich gelernt, daß das Männliche für die genetische Vielfalt zuständig ist. Denn die Parthenogenese bringt ja immer nur Klone hervor, also Monokulturen.
Wie so viele andere Menschen glaube auch ich, daß wir auf der Schwelle zu einer neuen Zeit stehen. Die Aufgabe und große Herausforderung scheint mir darin zu bestehen, daß wir lernen, als weibliche und männliche Menschen zusammenzuwirken zum Wohle des Großen Ganzen. Ich glaube auch, daß es noch mehr Geschlechter gibt, deren Existenz erst allmählich ins öffentliche Bewusstsein dringt.
Ahninnenfest-2012-005

Samstag, 10. November 2012

More than Honey

HTuNG-2012-059
Erst mal das Neuste von der Hess Natur/Capvis-Front aus einer Mail von den Leuten von www.wir-sind-die-konsumenten.de:

Liebe Unterstützerinnen, liebe Unterstützer der hnGeno,
Gegenwärtiger Eigentümer des einstigen Ökopioniers Hessnatur ist der Fonds "Capvis III" mit Sitz in der Steueroase Jersey. Die gleichnamigen Schweizer "Partner" sind nicht Eigentümer, sondern die Verwalter des Fonds. Wir haben viele Wochen recherchieren müssen, um wenigstens einige der Anteilseigner des Fonds identifizieren zu können. Das Ergebnis ist verblüffend: Davon investieren alle entweder direkt in die Rüstungsindustrie, verwalten Kapital der Rüstungsindustrie oder vermehren das Kapital von Gesellschaften, die ihrerseits in die Rüstungsindustrie investieren. Die größten uns bekannten Anteilseigner investieren außerdem in die Atombombe, oder verwalten das Kapital von Gesellschaften, die wiederum in die Atombombe investieren. So findet sich unter den Geldgebern von HarbourVest etwa der "BWXT Y-12 National Security Complex", der für das gesamte Atombombenarsenal der USA zuständig ist:

http://www.dreigliederung.de/news/12110402.html

Dies auszusprechen, ist uns noch erlaubt, da die Geschäfte der Anteilseigner von Capvis nicht Gegenstand der einstweiligen Verfügung sind.
HTuNG-2012-062
Ich habe gerade den Film More than Honey im Kino gesehen. Unbedingt sehenswert, läuft aber nur eine Woche.
Der Film dokumentiert sorgfältig, was in China, Europa, USA und Australien mit den Bienen los ist. Es war wenig Neues für mich dabei, aber die bekannten Tatsachen noch mal in Bild und Ton vorgeführt zu bekommen, war schon heftig.
Nur ein paar Streiflichter: Unter Mao Tse tung wurden in China die Spatzen vernichtet, weil die den Menschen das Getreide wegfraßen. Daraufhin gab es eine Insektenplage gigantischen Ausmaßes. Darauf wurde mit einem noch gigantischeren Pestizideinsatz geantwortet. Seitdem gibt es ganze Regionen ohne Bienen. Wanderarbeiter bestäuben jetzt mit Pinseln die Obstblüten.
Das wäre allerdings in Kalifornien mit seinen ungeheuren Mandelbaum-Monokulturen nicht machbar. Da werden Bienenvölker truckweise hingebracht und dann gleich mal nebenbei mit Giften aller Art besprüht. Die Menschen, die diese Gifte ausbringen, müssen Gasmasken tragen, die Bienen natürlich nicht. Die füttern mit dem vergifteten Nektar ihren Nachwuchs.
Auch für einen Schweizer Alm-Imker konnte ich keine Sympathie aufbringen. Der hat doch tatsächlich eine seiner Bienenköniginnen eigenhändig getötet (ihr den Kopf mit dem Fingernagel abgezwickt), weil sie sich mit Drohnen einer anderen Rasse gepaart hatte. Er wollte halt reinrassige Bienen haben, obwohl doch allmählich jeder nicht gänzlich Hirnamputierte wissen könnte, daß genetische Vielfalt die wirklich robusten Naturen hervorbringt. Na ja, dafür sind ihm dann auch seine Völker an Faulbrut erkrankt und er musste sie verbrennen. Ich gebe zu, daß sich mein Mitgefühl in Grenzen hielt.
Am besten hat mir ein kerniger US-Imker gefallen, der von den sogenannten Killer-Bienen erzählte, von denen so üble Geschichten kursieren, seit sie aus Südamerika gekommen sind. Er hat nämlich die Erfahrung gemacht, daß diese in der Tat sehr wehrhaften Bienen ohne Probleme mit der Varroa-Milbe fertig werden. Er sagte, er könne sich diesen Bienen nur mit Schutzanzug nähern, aber er wäre überzeugt, daß sie noch leben würden, wenn es uns nicht mehr gäbe.
Daß Bienen fast überall auf der Erde sterben, ist kein Wunder. Es sind die Gifte, die Varroa und der entsetzliche Umgang der Groß-Imker mit diesen Tieren.
Mir wäre es jedenfalls recht, wenn ich in Zukunft in Schutzanzug imkern müßte, dafür aber mit wehrhaften Bienenvölkern leben dürfte. Die hiesigen sind ja so gezüchtet, daß sie sich buchstäblich gegen nichts mehr wehren können.

Und wo ich gerade dabei bin, gegen den Kapitalismus zu wettern:
Neulich habe ich erfahren, daß ganz in meiner Nähe eine neue Stromtrasse mit gigantischen Masten und einem ungeheuren Elektrosmog-Ausstoß gebaut werden soll. Dafür werden großräumige Landschaftszerstörungen erforderlich sein. Die Begründung ist, daß man diese neue Trasse für den Ökostrom aus den Windkraftanlagen braucht, der dann über Kiel nach Bayern fließen soll. Die sich dagegen wendende Bürgerinitiative will stattdessen Erdkabel. Das finde ich keine Alternative: gibts in der Erde etwa keinen Elektrosmog? Es ist wohl eher nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Eigentlich wird doch spätestens jetzt klar, daß es nicht um den guten Ökostrom und den bösen Atomstrom geht, sondern daß wir so oder so über unsere Verhältnisse leben. Wir verbrauchen einfach zuviel Energie. Und da ich immer nur bei mir selbst etwas verändern kann, denke ich darüber nach, in welchem Bereich ich noch konsequenter auf Strom verzichten kann. Ich habe da schon einen guten Anfang gemacht mit Flotter Lotte statt Pürierstab, manuellem Sahnequirl statt elektrischem Mixer (der die Sahne übrigens in exakt derselben Zeit steif schlägt wie der strombetriebene), Holztrockengestell statt elektrischem Trockner für Apfelringe und Kräuter. Einen Fön habe ich seit dreißig Jahren nicht mehr und ich muss mich auch nicht mehr jeden Tag duschen (ja, auch das verbraucht Strom), stattdessen wasche ich mich wie früher mit kaltem Wasser und Seife, was nebenbei auch Haut und Kreislauf spürbar gut tut.
Und ganz wichtig: je weniger ich konsumiere, desto weniger Strom wird für die Herstellung von Produkten gebraucht. Dann kann die Wirtschaft natürlich nicht wachsen und das wäre mir sehr recht, denn desto eher kommt der Kollaps unseres Wirtschaftssystems.
Ja, ich habe mich jetzt gerade in Rage geschrieben. Es fällt mir gerade wieder mal sehr schwer auszuhalten, was die menschliche Gattung anderen Lebewesen zufügt.

Donnerstag, 1. November 2012

Tödin

HTuNG-2012-037
Ich glaube, das Bild vom Sensenmann, dem Gevatter Tod, der Menschen unerbittlich vom Leben abschneidet, hat sich erst im Mittelalter entwickelt.
Davor war der Tod eine Frau, die die Seelen nach ihrem Gang über die Brücke in die Anderswelt freundlich in Empfang nahm. Wir finden diese Gestalt als Hel in der germanischen Mythologie und als Holle in den alten Märchen unseres Kulturkreises. Sie hütete die Seelen, bis sie bereit waren für ihre nächste Inkarnation.

Gestern hatte ich die Gelegenheit, eine tote Frau im Haus meiner Nachbarn S. und E. zu besuchen. Sie lebte dort seit etwa zwei Monaten, als klar war, daß sie ihre schwere Krankheit nicht überleben würde. Dort konnte sie die Ruhe und Geborgenheit finden, die wir alle uns wahrscheinlich für einen würdigen Übergang in die andere Welt wünschen.
Ich habe durch meine Arbeit schon einige Menschen sterben sehen. Im hektischen Betrieb eines Krankenhauses ist das selten würdig. Während meiner Zeit als Krankenpflegeschülerin habe ich wenigstens noch das eine oder andere Mal erlebt, daß Sterbende nicht allein gelassen wurden.
Mittlerweile ist der Tod zum größten Tabu geworden: in Krankenhäusern darf einfach nicht mehr gestorben werden. Denn wenn es geschieht, dann fährt die Schulmedizin alles an Apparaten auf, was die Medizingerätehersteller auf den Markt werfen, um ein Herz wieder zum Schlagen bringen. Da spielt auch das Alter keine Rolle. Es ist einfach nur gruselig. Aber die jungen KollegInnen lernen in der Krankenpflegeschule, daß ein ruhiges Sterbenlassen "unterlassene Hilfeleistung" ist. Eine Kollegin sagte mir sogar, daß sie meine Haltung nicht billigen könne, da ich ja eigenmächtig die Entscheidung über Leben und Tod eines Menschen treffe, wenn ich auf Reanimation verzichte.
Das sehe ich ganz anders: alle diejenigen, die reanimieren, was das Zeug hält (und glaubt bloß nicht, daß eine Patientenverfügung davor bewahrt!), treffen die Entscheidung, den natürlichen Gang des Lebens nicht zu akzeptieren.
Ein Anästhesist hat mich allerdings wieder beruhigt. Er sagte, daß das ganze Reanimieren gar nichts bringt, wenn ein Mensch sich fürs Sterben entschieden hat. Ich selbst habe es einige Male erlebt, daß ein Herz wieder zum Schlagen gebracht wurde, aber der Reanimierte dann nach einigen Wochen im Koma doch gestorben ist.

Die Frau, die bei meinen Nachbarn gestorben ist, lag ganz zart und friedlich in ihrem Bett. Sie hatte ein schönes Kleid und ihren Schmuck angelegt bekommen. Im ganzen Zimmer brannten Kerzen. Ich setzte mich mit einer Tasse von dem bereit stehenden Tee zu der Toten und war ganz verzaubert von der klaren und hellen Atmosphäre im Raum. Vor dem geöffneten Fenster stand ein Vogelhäuschen, in dem sich die Meisen tummelten. Ich sah in die weite Landschaft, die den Blick direkt in den leuchtend blauen Himmel lenkte. Diese Aussicht hatte die Sterbende gehabt. Von ihrem Bett aus hat sie auch den vollen Mond sehen können, bevor sie auf die andere Seite ging.
Mir kamen in diesem Zimmer die Tränen, und es war nicht Trauer. Ich habe diese Frau kaum gekannt und nur einige Male ein paar Worte mit ihr gewechselt.
Es war so überwältigend schön, hier sein zu können, in diesem liebevoll dekorierten Raum, ganz allein mit der Toten und in Stille und Frieden.

Es gibt ein gutes Buch von Erni Kutter: Schwester Tod. Ich kann es sehr empfehlen, weil es zu einer neuen/alten Sterbekultur animiert.
HTuNG-2012

Montag, 29. Oktober 2012

Kompost

HTuNG-2012-052
Endlich kann ich hier wieder Bilder und Beiträge hochladen. In den vergangenen beiden Tagen bekam ich immer nur kryptische Fehlermeldungen. Ja, der Geist in der Maschine...

An alle, die mein Blog lesen und Kommentare schreiben: Ich freue mich (fast immer) über Resonanz, auch wenn ich darauf nicht immer antworte. Oft sprechen eure Beiträge für sich, dann muss ich nicht auch noch meinen Senf dazu geben. Manchmal habe ich auch keine Lust zu antworten.

Als ich Samstagmorgen Raureif auf der Wiese sah, beschloss ich, daß es Zeit für den Kompost war. Dafür kratzte und fegte ich erst mal einen halben Eimer Rauchschwalbenkot aus dem Schuppen. Es ist unglaublich, wieviel Scheiße so kleine Vögel produzieren können. Mittlerweile kleben sieben Nester an den Balken. Da nützt es wenig, wenn ich alles mit Plane abdecke. Sie haben so wenig Möglichkeiten zu brüten, weil es kaum noch alte Ställe gibt, in denen sie in nutzbringender Symbiose mit Kühen und andern Tieren leben können.
Aber im nächsten Jahr werde ich die kaputten Fenster dichtmachen (lassen) und eine Art Zwischendecke aus Planen einziehen. Dann haben die Schwalben noch die Öffnung im Giebel zum Rein- und Rausfliegen und ich kann im Herbst die Plane abnehmen und den Kot direkt auf den Kompost werfen.
Aus dem im Laufe des vergangenen Jahres gesammelten Material machte ich eine schöne Kompostmiete, packte Lagen aus zusammengeharkten Ahornblättern dazwischen, ein paar Hände voll Urgesteinsmehl, Hornspäne, den Rest EM (effektive Mikroorganismen) und das "Geschenk" der Schwalben. Die Sonne schien mit aller Kraft, aber es pfiff ein kalter Ostwind. Ich arbeitete mich schnell in Schweiß und dachte darüber nach, ob ich wohl noch genug Rasenschnitt mit der Sense zusammenbekäme, um die Miete abzudecken.
Als ich vom Nachbargrundstück den Rasenmäher hörte, spurtete ich hin und durfte mir zwei volle Schubkarren Rasenschnitt zusammenharken - genug, um den fertigen Kompost perfekt zu ummanteln.
HTuNG-2012-049
Nach getaner Arbeit leuchtete die tiefstehende Sonne die Landschaft mit einem atemberaubenden Kupferlicht an.
Kaum hatte ich alles aufgeräumt und das Haus betreten, ging draußen ein mächtiger Hagelschauer nieder.
Es scheint mir, daß das Wetter mit mir zusammenarbeitet, seit ich nicht mehr darüber schimpfe. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dieses Jahr an allen Tagen, die ich mir dafür reserviert habe, im Garten arbeiten können. Nie hat mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und das will beim diesjährigen Sommer etwas heißen!
Als ich mit der Gärtnerei anfing, habe ich mich bemüht, nach den Aussaattagen von Maria Thun zu arbeiten. Ich fand ihre astrologischen Wettervorhersagen erstaunlich treffend, aber nach ihren Pflanzzeiten konnte ich nicht arbeiten. Das kann wahrscheinlich nur ein Mensch, der nichts anderes tut, als sein Feld zu bestellen.
HTuNG-2012-054

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Feminismus

HTuNG-2012-030
Ein schöner Tag:
nach dem Markt traf ich mich mit Ida zum Essen und anschließend leisteten wir uns Cappucino, Kuchen und Pralinen bei Schokodeern an der Holtenauer Straße. Manchmal muss einfach etwas Luxus sein. Schokodeern stellen alles selbst aus ökologischen und regionalen Zutaten her. Absolut köstlich! Und in dem Laden arbeiten auch lauter Schokodeerns!
Nachmittag fuhr ich bei schönem Wetter zwölf Kilometer hügelauf und hügelab nach Lütjenburg zum Bioladen, weil es da Sachen gibt, die ich sonst nirgendwo bekomme, z. B. getrocknete Wildkirschen, die ich gern in meinen morgendlichen Porridge tue. Vielleicht gelingt es mir irgendwann mal, die selbst zu trocknen, aber vermutlich erst als Rentnerin ;-). Außerdem gibts da immer die neuste Ausgabe von Brennstoff, dieser kostenlosen Zeitschrift aus Österreich, in der ich immer wieder zutreffende, nachdenkenswerte und erfreuliche Dinge finde, etwa zum Thema Heimat:
"Wenn man gar nicht (oder kaum) in sich selber daheim ist, dann ist man für Ablenkungen aller Art anfällig, verführbar zu allen möglichen Unsinnigkeiten. Schon die Kinder sind Zielscheibe der Werbe-, der Computer- und der Konsumindustrie und so überrascht es gar nicht, dass Kinder in Afrika, trotz minimaler materieller Möglichkeiten, viel eher in sich selber daheim sind und so meistens verträglichere Mitmenschen sind als unsere Kinder , die von tausend Ablenkungen zerfressen werden. Warum lassen wir das zu?"
Heini Staudinger muss das wissen, weil er Projekte in Afrika hat und sich dementsprechend oft dort aufhält.

Als ich mein Fahrrad vorm Bioladen abstellte, drehte sich eine vorbeigehende Frau nach mir um. Es war G., eine ehemalige Nachbarin aus Kükelühn. Da mussten wir erst mal ein Weilchen schnacken. Ich bin ja vor fünf Jahren ohne Abschied aus dem Dorf verschwunden, weil ich nicht die Nerven für Fragen und Erklärungen hatte. Heute habe ich mich über unser Treffen gefreut.
Nach dem Einkauf fuhr ich mit Blick auf die Abendsonne zurück, ganz stolz über meine sportliche Leistung. Zwischendurch machte ich noch Fotos vom wunderbaren Himmel über dem Selenter See, während große Keile von Kanadagänsen laut rufend über mich hinwegzogen.
HTuNG-2012-028
Als ich meinem Vater neulich gegenüber äußerte, ich wäre Feministin, verstand er das als Männerfeindlichkeit. Das denken wohl einige.
Der Feminismus entstand aus der Empörung über die Situation der Frauen in den Industrienationen und verlief in mehreren Wellen: die erste fand ungefähr um 1900 herum statt und es ging um das Wahlrecht für Frauen. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts sah es relativ gut für die Frauen aus, bis die Nazis wieder alles zunichte gemacht haben. Leider sind viele Frauen ihnen damals auf den Leim gegangen.
Die nächste Welle fing in den sechziger Jahren des letzen Jahrhunderts an. Ich bin Feministin geworden, als ich erkennen musste, daß die Linken, zu denen ich mich zugehörig fühlte, im realen Leben genauso ausbeuterisch und verächtlich mit Frauen umgingen wie die bürgerlichen Männer.
Der Feminismus ist keine einheitliche Bewegung. Es gibt darin auch Frauen, die ganz entschieden gegen Männer sind. Sie werden ihre Gründe dafür haben. Berühmte Pionierinnen der Frauenbewegung haben enge und langjährige Beziehungen zu Männern gehabt: Simone de Beauvoir hatte jahrzehntelang Jean Paul Sartre als Lebensgefährten, um nur ein Beispiel zu nennen.
Beim Frauen & Männer-Kongress hörte ich einen Mann sagen, er verstände nicht, warum es heute noch Feministinnen gäbe.
Ich möchte dazu sagen: solange es noch sexualisierte Gewalt und solche Abscheulichkeiten wie Zwangsprostitution gibt, solange noch der Mann in der Medizin und in vielen anderen Bereichen als der Prototyp gesehen wird, solange ist Feminismus eine Notwendigkeit. Frauen sind in unserer Kultur mindestens seit der Inquisition als Menschen zweiter Klasse behandelt worden. Da sitzt noch viel Schmerz und Wut in unseren Körperzellen. Heilung braucht Zeit und Wachsamkeit ist angebracht.
Und dabei bin ich mir bewusst, daß auch das Gros der Männer Opfer der patriarchalen Strukturen ist. Wenn die auch anfangen, sich um ihre Genesung kümmern, dann stehen die Chancen gut, daß wir es schön miteinander haben können.
Ach und nicht zu vergessen die unzähligen Frauen auf unserer Planetin, denen es ganz miserabel geht (ich sage nur: Afghanistan) und die noch einen langen schmerzhaften Weg vor sich haben und unsere ganze Solidarität brauchen!

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Selbstversorgung

HTuNG-2012-024
Gestern sah ich ein Video über den Selbstversorger Gottfried Stollwerk, der im Osnabrücker Land auf einem alten Hof mit einigen Tieren zusammen und unter einfachsten Umständen lebt. Er ist absolut kompromisslos, sagt z.B.: "Wenn ich kein Atomkraftwerk will, darf ich keinen Strom verbrauchen. Wenn ich lebendige Fische im Meer will, darf ich kein Abwasser produzieren." Wenn ich auch nicht so krass leben will wie er, hat mich dieser kleine Film doch sehr zum Nachdenken angeregt: es genügt eben nicht, von Atom- oder Kohlestrom auf Ökostrom umzusteigen. Wer macht sich schon Gedanken darüber, unter welchen Bedingungen Windräder produziert, transportiert, aufgestellt und gewartet werden? Wer denkt darüber nach, welche Rohstoffe der Erde für die Herstellung von Photovoltaikanlagen entrissen werden? Der Begriff der Zuvielisation, den ich zuerst in der Oya entdeckt und übernommen habe, drückt es kurz und knapp aus: wir produzieren, kaufen und verbrauchen zuviel.
Ich überlege immer wieder, wie ich noch mehr Strom einsparen könnte. Und das mache ich, nebenbei bemerkt, nicht mit Energiesparlampen, dieser gigantischen Volksverarschung!
Zurück zu Gottfried, der morgens seinen hageren Körper mit den schönen Arbeitsmuskeln in die Sonne hält und einen Gruß in die Landschaft jodelt, der mit drei Liter Wasser pro Tag auskommt und im Winter nur einen Raum mit Holz heizt, der selber schlachtet und das Fleisch für den Winter einkocht, der das Heu für seine Kühe mit der Hand mäht. Ab und zu fährt er mit dem Fahrrad nach Osnabrück zum Tangotanzen. Als ich ihn da mit seiner Freundin übers Parkett schwofen sah, wurde ich ganz neidisch: bemühe ich mich doch seit dem letzten Winter darum, Tango lernen zu dürfen. Aber leider fehlt mir bis jetzt der passenden Partner dafür.
Gottfrieds Freundin lebt auf dem gleichen Hof in einer eigenen Wohnung. Sie kann sich nicht für diese karge Lebensweise erwärmen und hat Strom und fließendes Wasser. Finde ich ideal: beide können nach ihrer Fasson glücklich sein und sich sehen, wenn sie Lust aufeinander haben. Die Besuchsehe ist ein für mich ziemlich attraktives Lebensmodell: keine ewigen Auseinandersetzungen um die Hausarbeit, keine Abhängigkeiten und größtmögliche Freiwilligkeit.
Angerührt hat mich die Szene, wo die beiden Kühe, natürlich mit Hörnern, vor Gottfried stehen. Das sieht so vertrauensvoll, so familiär aus.
Sehr inspiriert habe ich heute, nachdem ich aus dem Nachtdienst aufgetaucht bin, die Sense gedengelt, gemäht, einen riesigen Keil schnatternder Wildgänse und einen Regenbogen über dem Selenter See gesehen und mich des Lebens gefreut. Dann kam auch noch der zuverlässige Herr L. mit der ersten Fuhre Holz angefahren, als hätte er gehört, daß ich heute Morgen an ihn gedacht habe.
HTuNG-2012-027
Letzte Woche war Sabrina Gundert, eine junge Journalistin aus Kiel, bei mir und hat mich zu meinem Leben befragt. Sie arbeitet an einem Buchprojekt über spirituelle Frauen und ist auf mich durch meine Kräuterkursflyer gekommen. In ihrem Reisetagebuch beschreibt sie ihre Arbeit:
http://www.raumpionierin.de/?p=610

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