Dienstag, 2. Oktober 2012

Frauen-Männer-Kongress

HTuNG-2012-011
Ich bin gerade von meiner Reise zum Frauen-Kongress und dem anschließenden Frauen-Männer-Kongress im Hof Oberlethe bei Oldenburg in Niedersachsen und einem kurzen Abstecher nach Münster zurück.
In Münster ist der Dom wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, deshalb konnte ich Barbara keine Kerze hinstellen als Dank für die wunderbaren Erlebnisse. Ich werde andere Formen des Dankes finden.

Drei Tage Frauenkongress mit spannenden Referentinnen: Mira Michelle ließ uns die Ahnenlinie zurück bis zur Göttin vom Hohle Fels nachvollziehen und in einem schönen Ritual die Frau der Zukunft tanzen.
Astrid Brinck aus Chile lud mit uns gemeinsam singend die Richtungen ein und ließ uns einen Mondtanz tanzen. Ich genoss ihre lebensfrohe lateinamerikanische Art und ihre Warmherzigkeit.
Deborah Sundahl belehrte uns theoretisch und praktisch über die Themen G-Punkt und weibliche Ejakulation.
Am Donnerstagabend hatte ich Dank DJane Maja die Möglichkeit, tanzend in einen paradiesischen Raum zu gelangen.
Am Freitag kamen die Männer, angeführt von Dieter Halbach, der schöne Musik machte.
Am Freitagabend wurde im Café des Seminarhauses von einigen Männern und Frauen mit Gitarren, Trommeln und Stimmen Musik gemacht. Da packte mich der Sing- und Tanzvirus, und jede Scheu fiel von mir ab. Ich musste einfach tanzen, es ging gar nicht anders, und ich hatte ungeheuer viel Spaß mit mir und den Anderen.
Das wurde noch getoppt am Samstag: den ganzen Tag hatten wir den Männern gegenüber gesessen und ihnen gesagt, was zu sagen war - endlich mal! Und weil es mir ein Bedürfnis war, nahm auch ich das Mikrofon und sagte, was ich schon lange in mir trage: daß ich meine eigene Männerverachtung leid bin und keine Lust mehr habe, sie für alle menschengemachte Düsternis auf dieser Planetin verantwortlich zu machen.
Sehr gut gefallen haben mir in diesem Zusammenhang auch die Vorträge von Alexandra Schwarz-Schilling und Dolores Richter zum Thema Frauen-Männer.
Abends wurde wieder getanzt. Und hier geschah etwas Magisches: ich tanzte mit einem Mann, und dabei ereignete sich soviel in mir und zwischen uns beiden. Es war ein Spiel, es war ein Ausprobieren, es war ein gemeinsames Fließen, ein Sich-Annähern und Auseinanderdriften und Wieder-Zusammenkommen. Tanzend konnte ich mich halten und wirbeln lassen, bis mir schwindelig war, dann wieder spielerisch vor ihm herumhüpfen, mich berühren lassen und wieder für mich tanzen. Und die ganze Zeit sahen wir uns in die Augen. Das war sehr aufregend und sehr schön, und ich bin so glücklich über diese Begegnung!
Mit einem anderen Mann hatte ich einen minutenlangen intensiven Augenkontakt, an den ich mich mit warmen Gefühlen erinnere. Und dann die vielen guten Gespräche, die zärtlichen Kontakte mit Frauen.
Im Grunde kann ich gar nicht ausdrücken, was ich in den letzten Tagen erlebt habe: es war so groß und ich bin gespannt, wie es sich auf mein Leben auswirkt.
Meine Tochter war bis Samstagmittag dabei, auch das ein großes Geschenk.

Mein ganz großer Dank geht an die Initiatorinnen Tatjana Bach und Mayonah Bliss, denen es gelungen ist, mit diesem Kongress Körper, Seele und Geist zu nähren und zu erfreuen.
Ich spüre, daß wir tatsächlich in eine neue Zeit gehen, die wir mit den Männern, die das wollen, gemeinsam gestalten.
Soviel für heute. Vielleicht gelingt es mir in den nächsten Tagen, noch etwas ausführlicher zu werden.
HTuNG-2012-009

Montag, 24. September 2012

Ritual

HTuNG-2012-002
Der Herbst ist da: bunte Ahornblätter auf dem Pflaster, brausender Sturm und Regen. Am Freitag haben wir die Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche am See gefeiert, beobachtet von scheuen Silberreihern, einem Seeadler und drei Kranichen, die trompetend über uns hinwegflogen.
Ich feiere seit über zwanzig Jahren die Jahreskreisfeste, allein und mit anderen, mit Frauen und einige Male auch mit meinem Ex-Mann, mal stark strukturiert und mal in freier Form, und habe das Bedürfnis, noch tiefer ins Erleben des ewigen Kreisens hinein zu gehen.
Es ist nicht beschreibbar, es muss erlebt werden. Jetzt haben wir die Schwelle zur dunklen Zeit überschritten, mit der so viele Menschen große Schwierigkeiten haben. Vielleicht hat es damit zu tun, daß unsere Kultur die natürlichen Zyklen ignoriert. Es gehört eine Menge Bewusstheit und Beharrlichkeit dazu, sich zu entscheiden, langsamer zu werden, sich der Traumenergie der Dunkelheit hinzugeben, bei sich selbst anzukommen.
Ich genieße wieder das Feuer im Öfchen.

Ein anderes Ritual fand gestern vor dem Gut Schmoel statt, wo das Gelände für die Entstehung des Hexensteins von Jan Koberstein vorbereitet wurde. Ich war dazu eingeladen worden - vielen Dank dafür! - und fuhr vor dem Spätdienst für ein Stündchen hin.
Davon abgesehen, daß ich immer noch ganz verzaubert bin von der Idee, diesen "Hexenstein" als Gemeinschaftswerk zu errichten und so zur Heilung der durch die Inquisition geschlagenen Wunde beizutragen, war ich auch erstaunt, mit welchem Interesse dieses Projekt begleitet wird.
Da hat ein Mensch zur richtigen Zeit die richtige Eingebung gehabt. Daß das in meiner Nähe passiert! Spannend! Und daß ein Dorf dieses Projekt mit Geld und Energie unterstützt! Wow!

Gestern erfuhr ich von A., die ich bei dem Hexenstein-Ritual traf, daß der Geomant Marko Pogacnik von Teilen Ostholsteins, speziell der Bungsbergregion, gesagt habe, dort wirke ein Fluch, der sich besonders gegen Frauen richte. Ich habe ja zehn Jahre da gelebt und mich nach den ersten beiden schwierigen Jahren auch sehr zu Hause gefühlt. Und dennoch habe ich an manchen Orten auch immer eine große Enge und Unbeweglichkeit gespürt, ein Festhalten an Überkommenem, ein Dichtmachen gegenüber Fremden und Fremdem.
HTuNG-2012-003

Sonntag, 16. September 2012

AllEinSein

Schnitterin-2012-118
Meine diesjährige Party fand bei kühlem, stürmischen, regnerischem Wetter statt. Mein Wunsch nach Sonne und Wärme wurde dieses Jahr nicht erhört. Trotzdem kamen über den Abend verteilt immerhin dreißig Leute, die sich nicht vom Wetter abschrecken ließen.
Zur Belohnung gab es ein reichhaltiges Buffet, gute Musik (danke, Robert, deine DVD hat sich mal wieder bewährt, außerdem haben Katharina und Martin dafür gesorgt, daß all die Stücke, die ich mir ausgesucht haben, endlich auf den MP3-Player kamen). Martin sorgte bis in die Nacht für ein schönes, ruhiges Feuer mit einem großen Glutkegel.
Es gab herzerwärmende Begegnungen und Gespräche am Feuer. Die das erste Mal hier waren, sagten, wie schön sie diesen Ort fänden. Es kam aber auch die Frage, ob ich hier nicht einsam wäre.
Nein, ich bin nie allein. Ob ich auf meinem Hügel sitze und in die Weite schaue, ob ich im Wald oder im Haus bin, ich bin umgeben von lebendigen Wesen. Ich habe als sehr kleines Kind, das im Gipsbett lag, gelernt gut mit Alleinsein klarzukommen. Wenn ich AllEinSein so schreibe, wie Ute Schiran es macht, dann wird deutlich, was es wirklich bedeutet: verbunden sein mit allem, was ist. Ich glaube, das geht nur, wenn eine ganz und gar bei sich selbst zu Hause ist.
Gleichzeitig habe ich die Gesellschaft von Martin und Katharina genossen. Da war Leben in der Hütte, viel Lachen, Albernheit, Verspieltheit. Und sie haben mir ganz viel geholfen: beim Aufbauen und Abräumen, Abwaschen und Kochen.
Bei dem ganzen Machen und Tun ist mir klar geworden, was mich an den schamanischen Methoden, die heutzutage in Kursen vermittelt werden, so stört: es muss ein so großes Brimborium getrieben werden, bis eine oder einer dann endlich Kontakt zur Anderswelt bekommen kann. Ich merke schon lange, daß mir das so nicht entspricht. Mir entspricht eher die Alltagsmagie: bei gleichförmigen Bewegungen gelingt es mir oft, abzutauchen in andere Sphären und dann mit neuen Einsichten und Erkenntnissen wieder zurück zu kehren. Das ist wohl das, was Frauen immer gemacht haben: magisch zu wirken beim Zwiebelschneiden, wie Ute Schiran es mal ausgedrückt hat.
Alltags- und Anderswelt durchwirken und durchdringen sich, es gibt keine scharfen Grenzen.
Schnitterin-2012-123

Montag, 10. September 2012

Ameisensäure und Bienengift

Schnitterin-2012-120
In diesem Jahr behandele ich die Bienen noch weitgehend so, wie ich es bei meinen Imkerlehrern gelernt habe. Dazu gehört auch die Ameisensäurebehandlung, um die Varroamilbe zu dezimieren.
Vor der ersten Behandlung habe ich schlecht geschlafen, so unwohl fühle ich mit diesem Verfahren. Es ist halt großer Stress und Körperverletzung für die Bienen. Die Ameisensäure wird auf ein Schwammtuch gegeben und dieses auf die Oberträger gelegt. Die Bienen brausten hörbar auf, als ich das tat. Am nächsten Tag habe ich das Schwammtuch wieder entfernt und einige Tage später die toten Varroen auf dem weißen Einlegeboden (in der Imkersprache Windel genannt) gezählt. Es waren so viele, daß eine weitere Behandlung erforderlich war.
Ich spreche mit den Bienen und erkläre ihnen, warum ich das mache. Es scheint mir nicht richtig zu sein, aber die Alternative sind höchstwahrscheinlich tote Bienenvölker im nächsten Frühjahr.
In diesem Jahr lasse ich ihnen ihren Honig. Und öffne alle Sinne, um zu erfahren, wie ich den Bienen auf andere Weise helfen kann, mit der Varroa fertig zu werden.
Es ist wie mit den Schnecken, die mir in diesem Jahr das meiste abgefressen waren. Sogar das Zwiebelgrün haben sie so konsequent weggeknuspert, daß ich nur kleine Zwiebelchen ernten konnte. Töten kann nicht die Lösung sein, das weiß ich genau.
Es muss Möglichkeiten geben, sich mit den Wesen der "mehr-als-menschlichen Welt" zu einigen. Diesen Begriff habe ich übrigens David Abram zu verdanken, dessen Buch Im Bann der sinnlichen Natur ich gerade lese. Sehr empfehlenswert! Der Mann weiß was! Diese Möglichkeiten will ich lernen. Schließlich sind auch Schnecken und Varroen Teil des Großen Ganzen und haben eine Funktion.
Zum Ausgleich habe ich übrigens die dicksten Kartoffeln meines Lebens geerntet. Wie war das mit der dümmsten Bäuerin?

Neulich hat mich mal wieder eine Biene gestochen, als ich die Observationsklappe für die Varroa-Kontrolle öffnete. Sie flog heran und stach in meinen rechten Unterarm, einfach so. Am nächsten Tag hatten Unterarm und Handgelenk einen faszinierenden Gestaltwandel vollzogen: ich hatte plötzlich den Arm einer dicken Frau. Außerdem juckte er höllisch. Ich habe ein wenig rumexperimentiert: Spitzwegerichsaft hat in diesem Fall kaum geholfen, aber häufige Waschungen mit Essigwasser befreiten mich vom Juckreiz. Vielleicht haben auch die Apis-Globuli geholfen. Nach mittlerweile drei Tagen sieht der Arm wieder fast aus wie meiner.
Es ist schon spannend, was so eine winzige Menge Bienengift anrichten kann.
Schnitterin-2012-115

Donnerstag, 30. August 2012

Frauenbewegung

Schnitterin-2012-097
Bohnen zum Essen und zum Aussäen aus meinem Garten

Hallo Stefan, danke für den Tipp mit den Laufenten. Ich hatte jahrelang welche, und es stimmt: es gab keine einzige Schnecke in meinem damaligen Garten. Dennoch möchte ich keine mehr haben: ich kann sie hier nicht artgerecht halten, da ich keinen Teich habe.

Vor einigen Tagen entdeckte ich auf YouTube ein Video, in dem sich Detlef Schönenberg mit Dagmar Neubronner unterhält. Detlef hat mich Anfang der 90er Jahre als Therapeut während meiner Körpertherapieausbildung begleitet. Ich fand ihn damals sehr klar und bin für seine Unterstützung beim Meistern meiner damaligen Lebensstromschnellen nach wie vor dankbar.
Um so mehr haben mich seine Äußerungen in dem Video befremdet: er bedauert den Zerfall der Familie, die er als Keimzelle der Kultur begreift und sieht als Verursacherin die Frauenbewegung. Und die wiederum wäre vom CIA angezettelt worden, weil man mit der Gleichstellung der Frauen ja dann auch von denen noch Steuern einnehmen könne.
Hallo? Das ist ja eine ganz abgefahrene Hypothese!
An anderer Stelle äußert er seinen großen Respekt für die Frauen, die nach dem Krieg das Land wieder aufgebaut haben und wieviel Verehrung er überhaupt für Frauen hat.
Offensichtlich hat er nicht mitbekommen, daß besagte Trümmerfrauen von dem Moment an, als ihre Männer aus dem Krieg nach Hause kamen, wieder in ihren jahrhundertealten Status als Besitz eben dieser Männer zurückfielen. Ich hab's an anderer Stelle in diesem Blog schon mehrfach dargestellt, daß wir Frauen bis in die 70er Jahre eigenes Geld nur verdienen konnten, wenn unsere Ehemänner ihre Erlaubnis dazu gaben und daß wir deutlich weniger Rechte hatten als Männer. Wenn eine Frau überhaupt den Mut hatte, eine erlittene Vergewaltigung anzuzeigen, wurde in der Regel ihr die Schuld gegeben, weil sie in den Augen der Richter irgendwas getan hatte, das den Mann animierte. Alles in allem waren Frauen Menschen zweiter Klasse: es wurde ihnen die Intelligenz, die Kraft und die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen abgesprochen. Ich könnte Seiten füllen mit Beispielen für unerträgliche Glaubenssätze über Frauen, aber ich spar's mir ein, sonst kommt mir die Wut wieder hoch. Nur soviel: ich hab es erlebt, wie es war. Daß ich Feministin geworden bin liegt nicht am CIA. Ich bin mir sicher, daß Frauen wie Simone de Beauvoir, Alice Schwarzer, Luisa Muraro und Helke Sander (das war die, die Hans-Jürgen Krahl vom SDS eine Tomate an den Kopf warf, weil sie es leid war, daß die sozialistischen Genossen zwar das Proletariat befreien wollten, aber Frauen weiterhin wie Sklavinnen behandelten) komplett aus eigenem Antrieb handelten.
Daß es eine Frauenbewegung gab - und es war ja keineswegs die erste - lag schlicht und einfach an den empörenden Verhältnissen, die gerade nach dem Krieg besonders deutlich wurden.
Die Frauenbewegung erreichte, daß Frauen endlich ihr eigenes Geld verdienen konnten und nicht mehr lebenslänglich in Abhängigkeit von ihrem Mann lebten. Die Frauenbewegung brachte endlich mehr Freiwilligkeit in die Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Sie musste kommen, die Zeit war einfach reif.
Und wir sind noch nicht am Ende: daß Frauen und Männer für ihr finanzielles Auskommen ganztags arbeiten müssen und die Kinder schon frühzeitig in Krippen sollen, finde ich ganz schlecht.
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Kinder und eine 40 Stunden-Woche sind entschieden zuviel.
Ich verstehe, daß die Frauenbewegung gerade bei Männern meiner und auch Detlefs Generation viel Irritation hinterlassen hat: plötzlich wurden ihre jahrhundertealten Privilegien gekippt. Plötzlich galten ihre alten Glaubenssätze über das Weibliche nicht mehr. Plötzlich waren sie gefordert, ihren Dreck selbst wegzumachen und sich an der Familenarbeit zu beteiligen.
Ja, die Familie in ihrer alten Form ist brüchig geworden. Es wird etwas Neues entstehen. Ich bin neugierig darauf. Und ich würde gern Männer kennenlernen, die bereit sind, daran mitzuwirken, statt den alten, gar nicht so guten Zeiten hinterher zu jammern.
Schnitterin-2012-103
Eine Ringelnatter hat mir ihre Haut geschenkt

Montag, 27. August 2012

Vögel

Schnitterin-2012-057
Ich denke noch mit Sehnsucht an die Alpen.

Gestern hörte ich ein Rascheln im Kamin, während ich meine morgendlichen Übungen machte. Es klang wie ein Vogel, der in den Schornstein geraten war.
Im Kaminofen waren die Aschereste ganz durcheinander gewirbelt, und es fand sich etwas Vogelkacke. Ich schraubte die Klappe am Ofenrohr auf: da war nur Ruß. Dann öffnete ich die Klappe am Kamin (wie dankbar bin ich für meinen gut sortierten Werkzeugkasten!). Da saß ein kleiner Vogel. ich konnte ihn in die Hand nehmen und sein winziges Herz wild klopfen fühlen. Vor der Haustür öffnete ich die Hand: ein rußschwarzer Spatz flog in den Himmel.
Als ich die Klappe wieder schließen wollte, entdeckte ich einen zweiten Spatz, der zu entkommen versuchte. Er flog gegen die weiße Zimmerdecke und hinterließ dort Rußabdrücke, dann flüchtete er unter ein Regal. Schließlich fand er das geöffnete Fenster.
Ich war so froh, daß ich die beiden befreien konnte.

Den ganzen Tag saß ein großer Schwarm Stare auf der Fichte im Garten und hoch oben in der Birke von meinen Nachbarn. Sie plauderten und schwatzten, daß es eine Wonne war. So ein Lärm und soviel mitzuteilen!

Im Schuppen saß ein gerade flügge gewordenes Schwalbenkind und sah mich an. Es ließ mich ganz nah heran kommen und zeigte kein bisschen Furcht. Wann fangen Tiere an, Angst vor Menschen zu haben? Ich nehme an, sie lernen es von ihren Eltern.
Schnitterin-2012-037

Donnerstag, 23. August 2012

Bergwelt

Schnitterin-2012-076
Ich komme gerade aus Tirol zurück, wo ich mit meinen Kindern eine gute Zeit hatte. Es war die Idee meines Sohnes gewesen, der im letzten Jahr in der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung einen Artikel über den Biobauernhof der Familie Alber in Sankt Anton am Arlberg gelesen und daraufhin beschlossen hatte, daß wir dort Urlaub machen müssten.
Wilder Eisenhut in gewitterblau und cremeweiß, verschiedene Enzianarten, Silbermantel, Arnika, Teppiche von verblühten Küchenschellen, Heidelbeeren und Preiselbeeren - allein die üppige Vegetation versetzte mich in Ekstase. Ich fühlte mich sofort wieder in meine Kindheit versetzt, als meine Eltern mit uns in den österreichischen Alpen auf die Berge gestiegen sind und ich mein erstes Pflanzenbestimmungsbuch bekam.
Allerdings stellte ich auch mit Schrecken fest, daß meine Kondition nur im Flachland gut ist: längst klettere ich nicht mehr wie eine Gemse die Berge hoch. Ich tröste mich damit, daß wir gleich am ersten Tag und ohne Vorbereitung 1000 m Höhe zu Fuß bewältigt haben. Oberhalb der Baumgrenze glühte die Sonne erbarmungslos. Der Abstieg bescherte mir eine riesige Blase und einen schmerzenden Hallux valgus. In den folgenden Tagen versuchte ich es dann abwechselnd mit den Sandalen meiner Tochter (gut zu meinen Füßen, aber nur begrenzt zum Klettern geeignet), barfuß (nur streckenweise gut, aber nicht auf Geröll) und in meinen neuen Wanderschuhen (die alten haben leider nach zehn Jahren ausgiebigem Gebrauch und mehreren Reparaturen endgültig ausgedient). Am dritten Tag begannen meine Füße, sich aus ihrer Verkrampfung zu lösen und sich für den wechselnden Untergrund zu öffnen.
Dann war leider unser Ausflug auch schon wieder zu Ende. Aber jetzt ist meine Lust auf die Berge wieder wach geworden.
Schnitterin-2012-041
Verschnaufen auf dem Weg zur Leutkircher Hütte
Schnitterin-2012-063
Füßekühlen in der Rosanna

Sonntag, 5. August 2012

sich öffentlich machen

Litha-2012-078
Diesen Rainfarn fand ich gestern auf der Windschutzscheibe meines Autos, als ich mit den Teilnehmerinnen des Kräuterkurses von unserem Gang zurückkam. Wer oder welche auch immer das war: ich habe mich sehr gefreut!

Vor einigen Tagen wurde ich mal wieder darauf angesprochen, daß ich in diesem Blog so sehr persönliche Sachen öffentlich mache. Neu war nicht die Aussage, sondern meine Reaktion darauf: vielleicht war es die die Missbilligung, das deutliche Befremden, das ich bei der anderen Person spürte - ich fühlte mich plötzlich beschämt und ganz ungemütlich.
Ich habe lange darüber nachgedacht. Gehe ich zu weit? Ja, ich bin in der Vergangenheit einige Male zu weit gegangen, wenn ich über andere berichtet habe. Das war bereits einmal Thema, und seitdem achte ich darauf. Schade ich mir selbst, indem ich gelegentlich sehr persönliche Äußerungen mache? Ich glaube eigentlich nicht. Vielleicht machen sich meine LeserInnen ein falsches Bild von mir, aber die Gefahr besteht doch noch mehr, wenn ich in meinen Berichten immer an der Oberfläche meines Lebens bleibe. Begebe ich mich mit meiner Offenheit in Gefahr? Ich wüßte nicht wie.
Ich habe geforscht, woher dieses plötzliche Schamgefühl kam und bin fündig geworden: als Kind gab es öfter Situationen, in denen ich von meinen Eltern aufgefordert wurde, etwas zu unterlassen, z.B. als ich mit meiner Freundin einen Ringkampf machte und mein Vater dazu kam und sagte: "Hör auf, Mädchen tun so etwas nicht." Ich wusste nicht, warum Mädchen sowas nicht tun, aber in der Stimme und im Gesicht meines Vaters war etwas, das mich dazu brachte, nie wieder Ringkämpfe mit irgendeiner zu machen. Und ich schämte mich ganz fürchterlich.
Die Generation meiner Eltern war verklemmt und gehemmt. Es gab unzählige Sachen, über die man nicht redete. Die meisten Gefühle waren tabu. Sexualität sowieso.
Kein Wunder, daß in dieser Zeit die 68er Bewegung ausbrach: jetzt wurden die unerträglichen Tabus Stück für Stück gebrochen. Ich war dabei. Das war meine Therapie gegen die unerträgliche Scham: die Scham über meinen weiblchen Körper und die einengenden Tabus, die damit zusammenhingen. Ich wollte frei sein, mich frei bewegen können.
Nicht ohne Grund legten damals soviele Frauen ihre BHs ab, auch ich. Manche verbrannten sie auch öffentlich als Symbol der Einengung und Deformierung.
Ich habe immer wieder Tabus gebrochen, in vielen Bereichen: vielleicht bin ich einfach von Natur aus ein sehr freiheitsliebender Mensch. Und ich habe wieder erfahren: Dinge können sich verändern, weiter entwickeln, wenn darüber gesprochen wird.
Das habe ich auch beim Coming-out vieler Schwuler in den 80ern erlebt: das teilweise provozierende Öffentlichmachen ihres Schwulseins als Reaktion auf die vorausgegangene Unterdrückung und Kriminalisierung ihrer naturgegebenen sexuellen Präferenz. Mir hat es Spaß gemacht, sie zu erleben, und ich habe sie verstanden.
Ich habe als unglückliche junge Ehefrau und Mutter "Schattenmund" von Marie Cardinal und "Die Scham ist vorbei" von Anja Meulenbelt gelesen, beides extrem persönliche Autobiografien, die wesentlich intimere Dinge öffentlich machten als ich in diesem Blog. Diese Bücher haben mir geholfen, mich nicht so allein und gestört zu fühlen. Ja, ich bin diesen Frauen immer noch für ihre Offenheit und ihren Mut dankbar.
Oder die sehr geschätzte Annie Sprinkle: sie war Pornodarstellerin, sie hat ihre eigene Sexualität bis in den letzten Winkel erforscht und das in Bild, Film und Performances öffentlich gemacht. Ich habe sie vor einigen Jahren mal in Hamburg erlebt und finde sie wunderbar. Es ist ein großes Glück, daß es TabubrecherInnen wie sie gibt. Sie bringen Weite in die Welt.
Ich werde also weiter, wenn mir danach ist, Persönliches in mein Blog bringen. Wem und welcher es nicht gefällt, muss es nicht lesen.
Übrigens: natürlich habe ich Geheimnisse. Und um über mich Bescheid zu wissen, braucht es mehr als die paar Zeilen, die ich ab und zu von mir gebe.
Litha-2012-071

zurück

Aktuelle Beiträge

Ich ziehe um
https://hollesgarten.wordp ress.com/
Marie-Luise - 10. Mär, 12:06
Immer die gleiche Geschichte
Vorletztes Wochenende war ich mit I. in Flensburg....
Marie-Luise - 9. Mär, 23:24
Kummer
Meine liebe kleine Skadi ist tot. Sie ist nur drei...
Marie-Luise - 20. Feb, 21:12
Fluss
Ich hatte mir den Sonntag frei getauscht, um zum De...
Marie-Luise - 6. Feb, 17:01
Marienkirche
Am Sonntag besuchte mich M. und ich zeigte ihr unseren...
Marie-Luise - 31. Jan, 01:35

Suche

 


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren