Donnerstag, 3. Januar 2013

Gewalt

WSW-2012-022
Warum mein gestriger Beitrag doppelt erschienen ist, ist mir ein Rätsel. Ich hatte ein paar Bilder ausgetauscht, sonst nichts. Und jetzt stelle ich fest, daß sich weder Bilder und Text löschen lassen. Ja, der Geist in der Maschine!

Luisa Francias Worte zum Thema Gewalt vom 2.1. finde ich zustimmenswert: http://www.salamandra.de/tagebuch/start.php
Aber heute, nachdem ich durch das Radio einem wahren Overkill an Berichterstattung über die Vergewaltigung und Ermordung der indischen Studentin erlebt habe, spüre ich deutliche Gewaltgelüste gegenüber Männern, die sexualisierte Gewalt anwenden.
Das ist ein altes Thema, das mich mal wieder umtreibt. Wie die allermeisten Frauen habe auch ich sexuelle Übergriffe erlebt, vor allem als sehr junge Frau. Das erste Mal mit etwa zwölf Jahren, als ich auf dem Weg zum Sport von einer Gruppe Jugendlicher angehalten, festgehalten und ausführlich begrabbelt wurde. Dazu kamen abfällige Sprüche über meinen Körper. Von dem Tag an hatte ich meine Unbefangenheit verloren. Mit sechzehn wurde ich von einem ausländischen Mann auf dem Weg von der Straßenbahn nach Hause verfolgt, gepackt, auf eine Bank geworfen, dann warf er sich auf mich drauf. Daß ich wieder frei kam, führe ich darauf zurück, daß ich so laut wie nie geschrieen und es irgendwie noch geschafft habe, ihm meine Handtasche auf den Kopf zu hauen. Da ließ er von mir ab.
Ein Mann griff mir auf der dunklen Straße an die Brust, ich schlug ihm reflexartig mein Schlüsselbund durchs Gesicht.
Ein Mann hat mir fast den Arm gebrochen, weil ich nicht mit ihm ins Bett wollte.
In Paris hat ein alkoholisierter Mann auf offener Straße und am hellichten Tage versucht sich über mich her zu machen. Glaubt nicht, daß mir einer zu Hilfe gekommen ist. Aber offensichtlich hat meine massive Gegenwehr ihn dazu gebracht, von mir abzulassen.
Es gibt noch mehr solcher Geschichten. Ich habe mit der Zeit gelernt, mir eine Aura der Unantastbarkeit zuzulegen, weil ich nicht wie einige Freundinnen darauf verzichten wollte, nachts allein durch die Stadt zu gehen.
Das hat funktioniert.
Natürlich ist das, was die junge Frau in Indien erlebt hat, viel entsetzlicher gewesen.
Bei Berichten über Vergewaltigung überkommt mich jedes Mal enorme Wut und auch große Fassungslosigkeit.
Da in unserer Kultur die meisten Frauen sexuell genötigt oder belästigt wurden, muss es eine nicht unerhebliche Zahl von Tätern geben.
Warum tun Männer so etwas? Ich kann es nicht begreifen. Es zeigt doch, wie tief die Geringschätzung des Weiblichen in den Hirnen der Männer verwurzelt ist. Wie kann es jemals Freude und Frieden zwischen den Geschlechtern geben, wenn Frauen und Kindern Angst vor ihnen haben müssen?
Jedenfalls hört an diesem Punkt mein Pazifismus auf und ich ertappe mich dabei, daß ich große Lust habe, aus den Genitalien von sexuell übergriffigen Männern Rührei zu machen.
Mein Sohn hat mir heute einen Link über gezielte Abtreibungen von weiblichen Föten in China, Indien, Kosovo und Albanien geschickt: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/563542. In einigen Regionen gibt es schon einen Männerüberschuss, was zu Gewalt führt.
Ich wiederhole mich: so lange es sexuelle Gewalt gibt, ist der Feminismus eine Notwendigkeit.
WSW-2012-044
Mein Sohn
karaMa (Gast) - 4. Jan, 17:52

Ich habe das Bedürfnis, dich zu umarmen --- wie übrigens heute schon des öfteren beim Anschauen der DVDs über unsere Alma Mater Zeit. Liebe Grüsse KaraMa

Jutta (Gast) - 4. Jan, 18:10

Liebe Ise,

ich glaube, dass bei sexueller Gewalt gegen Frauen weniger eine Geringschätzung der Weiblichkeit eine Rolle spielt, sondern dass da eigentlich sehr viel Angst/Unsicherheit gegen das Fremde/Andere eine Rolle spielt. Aggression entsteht häufig, auch in anderen Zusammenhängen, aus Angst. Das soll natürlich überhaupt nichts entschuldigen. Aber ich denke, das muss man im Kopf haben, wenn man Gewaltprävention betreiben will.

Ein anderer wichtiger Faktor ist meiner Meinung nach die totale Reizüberflutung in der wir heute leben. Ich meine, wir Menschen haben uns hundertausende von Jahren lang in Kleingruppen lebend entwickelt und darauf ist auch zumindest der biologische Teil unseres Sexualtriebs, männlich wie weiblich, ausgerichtet. Wir riechen, spüren, erfühlen da ja unterbewusst sehr feine Signale. Und das kann nur funktionieren, wenn der Input nicht zu verwirrend und überwältigend ist.

Damit meine ich auf keinen Fall, dass Frauen sich nicht aufreizend kleiden sollten oder kein sexuell stimulierendes Parfüm benutzen sollten oder so etwas. Es geht einfach um die pure Masse von Menschen, mit denen man vor allem im städdtischen Umfeld heute fast ständig umgeben ist. Das ist ja selbst für einen gesunden, gefestigten Menschen sehr viel zu Verarbeiten. Vielleicht geht das auch nur mir so, aber ich habe dann ganz oft das Gefühl, die Situation überhaupt nicht unter Kontrolle zu haben und kann gar nicht richtig filtern, mit wem ich jetzt eigentlich Kontakt haben/kommunizieren möchte und mit wem nicht. Bei mir führt das meistens dazu, dass ich mich aus der Situation zurückziehe, entweder körperlich oder z.B. dadurch, dass ich mir einen MP3-Player in die Ohren stöpsle. Ein eher männliches Verhaltensmuster scheint aber zu sein, die Kontrolle über die verwirrende Situation an sich zu reißen, z.B. dadurch, lauter zu reden als alle anderen, sich in den Vordergrund zu drängen oder eben auch durch Gewalt. Es gab in den 60er Jahren einen amerikanischen Psychologen (den Namen hab ich leider vergessen), der Experimente mit Ratten gemacht hat. Er hat denen Futter und andere Resourcen im Überfluss zur Verfügung gestellt, so dass die Population in kurzer Zeit sehr groß wurde. Und obwohl ja genug von allem lebenswichtigem da war, sind diese Ratten irgendwann total ausgetickt und haben sich gegenseitig getötet. Wir sind zwar keine Ratten und Ergebnisse solcher Experimente auf Menschen zu übertragen ist immer ein bisschen bedenklich, aber ich denke, in diesem Fall ist da schon was dran.

Wie gesagt, auch das ist sicher keine Entschuldigung. Sexuelle Gewalt ist nicht zu entschuldigen. Aber es ist vielleicht ein Auslöser und somit etwas, wo man ansetzen kann.

katharina (Gast) - 5. Jan, 00:47

Interessant, den gedanken, wie mensche zu so einer aktion faehig sein konnten, hat gestern auch oma nicht losgelassen, und zum illustration ihres unverstaendnisses der sache woerter in den mund genommen, von denen ich nicht gedacht haette, dass sie sie kennt ("wie koennen maennner da einen hochkriegen" ist die harmlose variante).

ich musste auch an kriege denken, an die massaker und vergewaltigungen, die offenbar doppelt und dreimal so gut funktionieren, wenn eine (groessere) gruppe isoliert gegen eine andere gruppe kaempft (und einfach ein super kriegsmittel sind, auch, wenns offiziell gern verteufelt wird, ich sag nur, my lai). vielleicht sind die maenner in dem bus in indien in ihrer miniisolation gewesen, vielleicht ist das auch ein generell immer weiter um sich greifende entwicklung in einem land, dem es das kastensystem zusaetzlich erschwert.

ein wenig hoffnung scheint es aber durch die aufmerksamkeit, die dadurch ausgeloest worden ist, zu geben. vielle inderinnen, aber offenbar auch inder gehen auf die strasse.

ja, ich finde auch, luisa francia hat das problem mit den waffen gut auf den punkt gebracht.

und mir faellt wieder auf, dass wir unbedingt v for vendetta schauen muessen. der ist zwar in vielen punkten problematisch, hat aber die schoenste szene eines gewaltlosen widerstands, die ich bisher filmisch gesehen habe.

es herzt
die tochter

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