
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, hat erklärt, daß Cannabis auf keinen Fall legalisiert werde wegen seiner gesundheitlichen Risiken. Dagegen sei bei Alkohol "wissenschaftlich bewiesen", daß er in kleinen Mengen unschädlich sei.
Ich kann mich immer wieder nur über die Rückständigkeit der diversen Bundesregierungen wundern: bereits in den 90er Jahren gab es ernsthafte Vorstöße von klar denkenden Politikerinnen, z. B. Heide Moser, damalige Sozialministerin von Schleswig-Holstein, Cannabis zu legalisieren.
Das fände ich deshalb vernünftig, weil nicht mehr Haschisch oder Grass mit schädlichen Zusätzen auf den Markt käme und weil es ohnehin für viele Menschen zum Alltag gehört, genau wie für noch viel mehr der Alkohol.
Seit ich Krankenschwester bin, habe ich mit Suchtkranken zu tun. Meistens sind es Alkohol- und Tablettenabhängige, also solche, die Sklaven von legalen Drogen geworden sind. Besonders bei Alkoholikern sehe ich schwerste und irreversible Folgeschäden: entweder geht die Leber kaputt oder das Gehirn. Da hilft dann auch keine Therapie mehr. Vom sozialen Absturz, der sich in der Regel vor den körperlichen Schäden ereignet, mal gar nicht zu reden.
In meinem Umfeld gibt und gab es nicht wenige Menschen, die regelmäßig Alkohol konsumieren und sich ein Leben ohne nicht vorstellen können. Die unschädliche Grenze ist sehr niedrig, und vom Mythos von der herzschützenden Wirkung des Rotweins spricht heute zu Recht kaum noch einer.
Cannabisabhängige gibt es auch, klar. Sie kommen gelegentlich auch in die Klinik. Sie haben vielleicht mitbekommen, daß der Dauergebrauch von Cannabis zu Lethargie und Interessenlosigkeit führen kann. Ich habe aber auch Kiffer kennen gelernt, die völlig alltagstauglich geblieben sind. Die kommen natürlich nicht in die Klinik. Ich gehe davon aus, daß eine körperliche Folgeerscheinung von regelmäßigen Grassrauchen Lungenkrebs sein kann. Aber ich habe bei Kiffern noch nie kaputte Gehirne, Nerven- und Leberschäden gesehen. Und das immer wieder vorgekramte Argument, daß Cannabis Psychosen hervorruft, ist erst mal nur eine Behauptung. Sogar Psychiater räumen mittlerweile ein, daß es wahrscheinlich umgekehrt ist: Psychosekranke benutzen Cannabis gern zur Selbstmedikation.
Ich habe übrigens noch nie einen gewalttätigen Kiffer erlebt, wohl aber hochexplosive Trinker, um die ich gern einen großen Bogen mache.
Worauf ich hinaus will: mich stört die extrem bevormundende Haltung unserer Regierung, die Doppelmoral. Na klar, daß keiner der Mächtigen am Alkoholkonsum ansetzen will. Alkohol ist die Volksdroge Nr. 1, gefolgt von Tranquilizern und Schlaftabletten. Und gerade in der Politik wird bekanntermaßen ordentlich gebechert.

Noch ein Thema beschäftigt mich:
vor etwa zwei Wochen habe ich im Radio die Rezension eines Buches gehört, die sich mit der geplanten Abschaffung des Bargeldes befasst. Mit dem 500 Euro-Schein fängt es an.
Da ist mir ganz schlecht geworden, was die Folgen wären. Nicht nur, daß dann jede unserer finanziellen Transaktionen nachverfolgt werden kann. Ich könnte keinem Bettler mehr einen Euro geben. Im Falle eines weiteren Bankencrashs oder einer Staatspleite könnte unser auf der Bank liegendes Geld zur Rettung der Banken und der Staatskasse genommen werden. Beides ist bereits geschehen: in Zypern nahm man den Menschen einen Großteil ihres Ersparten einfach weg. Und die argentinischen Bürger kamen gar nicht mehr an ihr Geld.
Das ist Diebstahl, aber wenn der Staat das macht, heißt es Bankenrettung.
Nachdem mir das Thema eine Weile schwer im Magen gelegen hatte, fiel mir die Schenkökonomie ein. Geneviève Vaughn hat ein dickes und sehr schwer zu lesendes Buch darüber geschrieben. Aber eigentlich ist der Gedanke ganz einfach: ursprünglich gab es nur Schenkökonomie. Die Natur beschenkte uns mit allem, was wir brauchten. Das tut sie heute noch, auch wenn wir es vielleicht nicht mehr wahrnehmen.
Schenken ist nicht Tauschen. Ich verschenke gern Dinge und Dienste. Am schönsten finde ich es, wenn die andere Person sich nicht verpflichtet fühlt, mir etwas zurückzugeben. Trotzdem bekomme ich etwas, oft ganz unerwartet. Von Herzen schenken scheint Kreisläufe in Gang zu bringen.
Überhaupt ist Schenken wohl etwas ganz Ursprüngliches: auch meine Katze schenkt mir gelegentlich eine frisch gefangene Maus. Neulich war es ein Rotkehlchen. Zu dieser Art Geschenke habe ich aber ein ambivalentes Verhältnis.
Wenn es also kein Bargeld mehr geben sollte, dann haben wir bis dahin hoffentlich gelernt, uns wieder aus vollem Herzen gegenseitig zu beschenken: mit Saatgut, Gemüse aus dem Garten, selbstgestrickten Socken, Zeit... Vielleicht stellen wir dann auch fest, daß es nicht der Besitz von Sachen ist, der uns glücklich macht.
Marie-Luise - 11. Jun, 00:44