April

So sah es am Wochenende aus...

...und so heute Morgen nach dem Aufstehen
Was macht eine an einem Tag, an dem es abwechselnd regnet und schneit und graupelt? Ich fuhr erst mal ganz früh nach Kiel zu meiner großartigen Friseurin, die mir freundlicherweise vor der offiziellen Geschäftsöffnung einen Termin gegeben hatte (ich hätte sonst bis nach ihrem Urlaub Anfang Juni warten müssen). Ich landete im Stau, na klar: Baustelle auf der B 76. Nach dem Haareschneiden holte ich mir eine Süddeutsche. Das Wechselgeld fiel mir aus der Hand und unter den Tresen. Als ich schon wieder auf der Straße war, kam der Ladeninhaber mit der Süddeutschen hinter mir her: "Wollen Sie Ihre Zeitung nicht?" "Heute ist nicht mein Tag", sagte ich. Ein Mann mit einem Pappbecher in der Hand kam aus dem Laden und sagte: "Meiner auch nicht." Dann lachten wir erst mal alle drei.
Ich ging ins Bakeliet an der Möllingstraße/Ecke Stiftstraße. Das Frühstück, das ich wollte, gab es nicht, da der Bäcker einen Unfall gehabt hatte. Ich bekam dann doch was zu Essen und vor allem sehr leckeren Kaffee. Dazu las ich die Süddeutsche: eine Seite zum 30. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern: an die Ratlosigkeit und den blinden Aktionismus, der in den Tagen nach Bekanntwerden des radioaktiven Fall-out begann.
Die Ratlosigkeit gab's dann erneut nach der Katastrophe von Fukushima. Und was haben die Menschen draus gelernt? Der deutsche Atomausstieg läuft überaus schleppend, und in der Ukraine, dem Kernland des ersten Super-GAU, sollen zwei neue Reaktoren ans Netz. Das charmant-morbide Ruinen-Ambiente des Bakeliet und die Gasmaske auf der Toilette passte gut zu dem Artikel.

Dazu fällt mir ein: vor einigen Wochen im Nachtdienst erzählte mir ein junger Patient von dem riesigen Magmareservoir unter dem Yellowstone-Park in den USA. Wenn dieser Vulkan eines Tages ausbricht, rechnet man mit einer globalen Verdunkelung durch die Aschewolke und in Folge mit einer neuen Eiszeit, die Leben in weiten Teilen der Erde unmöglich machen könnte.
Während der Schilderung kam wie aus dem Nichts ein Satz in meinen Sinn: Etwas muss uns stoppen!
Ich glaube, daß dieser Satz stimmt: wir Menschen schaffen es offensichtlich nicht, uns selbst in unserer überaus nachhaltigen Destruktivität zu begrenzen. Also muss es von außen geschehen und vielleicht durch eine Katastrophe solchen gigantischen Ausmaßes wie der Untergang von Atlantis (so es ihn gegeben hat).
Zugegeben: ein Teil von mir wünscht sich das. Ein Teil wünscht sich, daß es anders möglich sein kann.
Es ist ja nicht damit getan, daß wir in Zukunft nur noch z. B. Bio konsumieren oder z. B. Elektroautos fahren. Wie man's dreht und wendet, es ist immer noch zuviel, mehr als die Erde hergibt.
Ein Freund fand etwas abfällige Worte über die Oya-Leute, die ja auch über solche Sachen berichten: sie hätten Angst vor dem Untergang.
Ich weiß nicht, ob sie Angst haben. Ich habe keine: wenn die Menschheit untergeht, so hat sie es verdient.
Mein Gefühl ist Schmerz: Schmerz wegen der Grausamkeit, der Unachtsamkeit, der Respektlosigkeit, der Entwurzelung der Menschheit, des Mangels an Liebe zum Lebendigen. Das ist es, was mich umtreibt.
Später ging ich ins Waschcenter, um dort den Küchenflickenteppich, der die Spuren von Skadis nächtlichen Mäuse-Tötungs-Orgien trug, einigermaßen fleckenfrei waschen zu lassen.
Und schließlich fuhr ich noch zur Wollwerkstatt in Hammer-
http://www.wollwerkstatt-kiel.de/-, den besten Wollladen, den ich kenne, und kaufte dort wunderschöne ökologische Schafwolle aus England für einen neuen Pullover, der laut Strickmuster den schönen Namen Dessine-moi un mouton (Zeichne mir ein Schaf aus Der kleine Prinz)trägt.
Heute Abend hatte ich ein sehr schönes Telefonat mit einem alten Imker aus dem Wendland, der über den Imkerverein seine Varroa-Behandlung mit potenzierter Oxalis (Sauerklee) bekannt gemacht hat. Er war früher Waldorfschullehrer, und wir fanden sofort eine Wellenlänge. Jetzt schickt er mir sein Präparat mit einer genauen Anleitung. Er legt ganz viel Wert darauf, daß die Varroamilbe nicht als Feind der Bienen und der Imker gesehen wird. Und da rennt er bei mir offene Türen ein: ich glaube, die Varroamilbe will uns etwas zeigen, was wir noch nicht verstanden haben.
Solche Menschen gibt es auch. Sie werden die Menschheit nicht retten, aber ich freue mich, daß ich mal wieder die Chance hatte, einen von ihnen kennen zu lernen.
Also, alles in allem war es doch mein Tag heute!
Marie-Luise - 26. Apr, 22:20