Mittwoch, 11. Februar 2015

Urteile

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Ich lese gerade mit großem Vergnügen Terry Pratchetts I Shall Wear Midnight. Wie die anderen Bücher über die Hexe Tiffany Aching voller köstlichem englischen Humor und gleichzeitig sehr tiefsinnig. So liebe ich es: was zum Lachen und zum Nachdenken. Es geht in dem Buch um die wie aus dem Nichts kommende Verfolgung von Hexen.
Die Frage beschäftigt mich ja schon lange: was hat dazu geführt, daß Zehntausende Frauen, Männer und Kinder über mehrere hundert Jahre wegen Hexerei verbrannt wurden? Es gibt viele Erklärungsmodelle, bei denen die Kirchen als Schuldige da stehen. Sie haben auch ganz offensichtlich den Weg bereitet. Aber sie waren es nicht allein, das muss jetzt auch mal gesagt werden. Seit ich mich mit den ganz konkreten Hexenprozessen in Schleswig-Holstein befasse, wir mir immer klarer, daß sich da etwas ganz Banales abgespielt hat: einem ist die Kuh gestorben oder die Ernte verdorben. Nun wird ein Schuldiger gesucht. Vielleicht ist es ja die Nachbarin gewesen, mit der man schon länger Streit hatte. Also wird die angezeigt.
Das ist die "Banalität des Bösen", wie Hannah Arendt es nannte. Jetzt sind die Flüchtlinge in einigen Kreisen das kollektive Feindbild.
Überhaupt sind die meisten von uns sehr schnell mit Urteilen, und damit meine ich auch mich. Ich dachte geringschätzig über eine Frau in meinem Umfeld, weil ich eine ihrer Handlungen befremdlich fand. Vor einigen Tagen ließ sie im Gespräch ganz beiläufig ein paar Worte fallen, die mein Befremden sofort auflösten. Das war ein Moment der Erleuchtung für mich: Ah, deshalb hat sie das gemacht! Sie hat auf diese Weise richtig gut für sich selbst gesorgt!
Wie oft geschehen diese Verurteilungen aus Unkenntnis?! Wie wahr ist doch das indianische Sprichwort, man solle einen anderen Menschen erst verurteilen, wenn man drei Monate in seinen Schuhen gelaufen ist.
In letzter Konsequenz würde das dazu führen, daß keiner mehr verurteilt wird.
Oft spielen ja auch Neid und Missgunst eine Rolle. Wie wäre es, wenn ich mich daran freue, daß eine andere Person Fähigkeiten hat, die ich nicht habe? Ich kann doch davon ausgehen, daß ich andere Dinge besser kann und wir uns auf diese Weise gegenseitig helfen können.
Wenn ich z. B. sehe, wie mein Nachbar mit seiner Motorsäge die Bäume in meinem Knick ganz leicht und elegant zerlegt, kann ich nur staunen. Ja super, er macht etwas, was ich erst lange üben müsste. Und ehrlich gesagt, ich habe schon genug andere Sachen zu tun, da bin ich froh und dankbar, daß er diese Aufgabe übernimmt. Dafür spalte ich dann die Stumpen und freue mich über das neue Brennholz.
Immer wieder fordert mich das Leben heraus, meinen geistigen Horizont zu erweitern. Das fühlt sich manchmal rauh und holperig an, wenn ich liebgewonnene Glaubenssätze fallen lassen muss, weil sie sich als unwahr herausgestellt haben. Aber letztendlich ist es großartig und fühlt sich sehr weit und frei an.
Alles ist möglich. Das ist auch das Thema der Lichtmesszeit.
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Dieses Foto zeigt meine Tochter und ihren Vater und ist vierunddreißig Jahre alt. Damals wurde überall und in jeder Lebenslage geraucht, und keiner hat sich drum geschert. Nicht daß ich wieder mit Rauchen anfangen möchte, aber manchmal finde ich es doof, wenn sich bei geselligen Anlässen die ganzen Raucher nach draußen verziehen und dort ihre Parallelkultur zelebrieren (müssen). Deshalb dürfen rauchende Freunde auch in meiner Wohnung schmöken. Kommt allerdings nicht oft vor.

Samstag, 31. Januar 2015

Im eigenen Saft

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Jetzt habe ich drei Tage im eigenen Saft geschmort: mich hat wieder eine deftige Erkältung heimgesucht, die sich Dienstag mit Halsschmerzen ankündigte. In der Nacht auf Freitag kam zur verstopften und gleichzeitig triefenden Nase (ja, es geht tatsächlich beides zusammen) noch ein sehr gemeiner Husten, der mich nachts aus dem Bett zwang. Der Holunderblütentee, den ich letztes Jahr während der Virusgrippe mit gutem Erfolg anwendete, brachte überhaupt nichts. Also ging ich morgens im Dunkeln warm eingemummt und mit Stirnlampe in den Garten und erntete von dem Thymian, der trotz Frost noch ganz gut aussah. Aber auch der Thymian wollte mir nicht helfen.
Ich hustete mir die Lunge aus dem Hals, bis ich in meinem Kräuterregal noch einen Rest selbstgesammelten Huflattich vom vorletzten Jahr entdeckte.
Der entfaltete sofort seine hustenstillende und schleimlösende Wirkung, ah welche Wohltat, du zuverlässiger alter Verbündeter!
Aber heute Morgen war der Vorrat verbraucht. Ich rief in der Apotheke in Selent an, und sie hatten welchen, welche Überraschung! Natürlich wurde ich wieder auf die potentiell leberschädigende Wirkung hingewiesen, und natürlich zeigte ich mich als gut informierte Kundin, die nicht wochenlang Huflattichtee trinkt. Aber ich gehe gern in diese Dorfapotheke. Ich werde dort immer sehr freundlich und persönlich behandelt, und der Apotheker mischt mir Ameisen-, Milch- und Oxalsäure für die Varroa-Behandlung in genau den kleinen Mengen, die ich brauche, und erkundigt sich nach dem Befinden der Bienen.
Vor einigen Jahren hatte ich es mal in einer Apotheke in Kiel versucht, 100 ml Oxalsäure zu bekommen. Da musste ich mir von einer strengen Apothekerin sagen lassen, daß sich solche Abgabemengen nicht rechnen würden.
Alles klar, ich unterstütze ohnehin lieber die regionalen Firmen!

Ich wäre eigentlich gern zum heutigen Oya-Tag in Lübeck gefahren, habe mir das aber dann erkältungsbedingt nicht zumuten wollen (und den anderen auch nicht). Schade!
Nachdem ich mich in den letzten Tagen meinem Kranksein hingegeben habe und zu viel mehr als am warmen Ofen hocken, mich mit alten Fotoalben und den Horoskopzeichnungen meiner Kinder zu befassen nicht in der Lage war, geht es mir heute wieder recht gut und ich freue mich auf das morgige Lichtmessritual.

Eine ehemalige Kräuterkurs-Teilnehmerin hat mir gemailt, daß sie vor drei Wochen einen kleinen Jungen zu Hause geboren hat. Ich freue mich sehr für sie und darüber, daß es noch couragierte Frauen gibt, die nicht auf der erschreckend weit verbreiteten Angstwelle mitschwimmen, die leider von der Schulmedizin vor natürlicher Geburt in Bewegung gesetzt wurde. Und welch ein Glück, daß sie noch eine Hebamme gefunden hat!
Super, K.! Ich bin stolz auf dich!
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Mittwoch, 28. Januar 2015

Verrückt

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Mein Sohn hat mich zu Recht darauf hingewiesen, meine Äußerungen zum Anschlag auf Charlie Hebdo noch mal zu überdenken. Ich habe da von "Verrückten" gesprochen. Das ist in meiner ersten Fassungslosigkeit geschehen.
Bei genauem Nachdenken wird aber klar, daß ich damit erstens der Sache derer, die der Volksmund verrückt nennt, also den psychisch Kranken, keinen guten Dienst erweise. Denn es könnte der Eindruck entstehen, daß Verrückte auch gleichzeitig potentielle Gewalttäter sind. Tatsächlich ist aber der Prozentsatz derer, die auf Grund einer seelischen Erkrankung gewalttätig werden, verschwindend gering. Es gibt sie, aber die Zahl derer, die als ganz normal gelten und dann Menschen angreifen, sexualisierte Gewalt ausüben oder töten, ist um ein Vielfaches größer.
Zweitens ist es wohl so, daß es sich bei den Tätern von Paris um die Loser eines Gesellschaftssystems handelt, Entwurzelte, Menschen, die keiner zu brauchen scheint. Das haben wir in Deutschland auf kollektive Weise in der Weimarer Republik erlebt: aus den Reihen der nach der Weltwirtschaftskrise arbeitslos gewordenen Menschen sind den Kackbraunen die Massen nur so zugeströmt. Mein Lieblingsopa war einer von denen, die den Versprechungen des Anstreichers (Bert Brechts süffisante Benennung Hitlers) auf den Leim gingen.
Das entschuldigt nichts, aber es erklärt einiges.
Überall, wo das soziale Gefälle sehr krass ist und es nur um Wirtschaftswachstum und Profit geht, aber das Wohlergehen und Zusammenleben aller lebendigen Wesen keine Rolle zu spielen scheint, droht die Gefahr von Terrorismus.
Der Zynismus der Anschläge in Frankreich spiegelt nur den Zynismus der kapitalistischen Systems.

Den sehe ich zur Zeit auch an der Kieler Uniklinik gespiegelt: seit Tagen ist die Berichterstattung voll von den multiresistenten Keimen, die dort auf der Intensivstation aufgetaucht sind und schon Todesopfer gefordert haben. Man muss dazu wissen, daß die Vorstandsmitglieder unanständig viel Geld für ihre Arbeit bekommen, daß aber seit Jahren schon Mangel an Pflegekräften besteht, die zu Gehaltskürzungen als Beitrag zur Sanierung des bankrotten Klinikums gezwungen wurden, darüber hinaus die Mitarbeiter einer ausgelagerten Reinigungsfirma mit Hungerlöhnen und zusammengekürzten Arbeitszeiten ein Pensum erledigen sollen, was schlicht nicht zu schaffen ist.
Unterm Strich kann man also sagen, daß Hygienemängel und Personalknappheit eine der Ursachen der Ausbreitung von multiresistenten Keimen ist.
Ein jahrzehntelanger fahrlässiger Umgang mit Antibiotika tut sein Übriges dazu.
Das Pflegepersonal des UKSH hat in den letzten Jahren immer wieder mit Überlastungs- und Gefahrenanzeigen auf die Misere hingewiesen. Wenn nun der Vorstandschef behauptet, es gäbe genug Personal und die Hygienemaßnahmen seien bestens, finde ich das auch nur zynisch und ignorant.
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Sonntag, 25. Januar 2015

Totenfeier

Unter Früchte findet ihr die diesjährigen Termine. Es gibt Veränderungen.
Im Sommer gibt es auch wieder eine Rhön-Exkursion.
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Am Donnerstag vor einer Woche ist der Vater meiner Kinder zu Hause in seinem Bett an seiner schweren Krebserkrankung gestorben. Mein Sohn, sein zweiter Sohn aus der Beziehung mit einer meiner Nachfolgerinnen, ein Freund meines Sohnes aus Kindheitstagen und ich waren bei ihm.
Anschließend haben wir alle benachrichtigt, die mit ihm in irgendeiner Weise verbunden waren. Es ergab sich, daß ganz schnell die Wohnung voller Leute war, die Abschied nehmen wollten. Am nächsten Tag kamen dann auch meine Tochter und N.s zweite Tochter in Bonn an. Zwei Tage und drei Nächte lang saßen Menschen um N.s Bett und in der Küche, erzählten ihre Erlebnisse mit ihm, schauten alte Fotos an, hörten Musik, die er gern gehabt hatte. Wir haben geweint und gelacht, gegessen und getrunken und eine ziemlich gute Zeit gehabt.
Wohl kaum einer hatte so etwas bisher erlebt: einen Tod, der zu Hause in der gewohnten Umgebung stattfinden durfte, und einen Gestorbenen, der bei seiner eigenen Totenfeier dabei sein konnte, sowie genug Zeit, um sich in Ruhe zu verabschieden. Das Ganze hatte etwas sehr Heilsames.
Ich habe in diesen Tagen einmal wieder gespürt, daß das wirklich Wichtige im Leben Beziehung ist, und war so froh, daß ich mit dem Toten schon lange in Frieden bin. Es gibt Dankbarkeit für unsere gemeinsame Zeit und Traurigkeit wegen des Leids, das wir uns gegenseitig zugefügt haben.
Was mich auch sehr gefreut hat: die Kinder haben sich für die Barke-Frauen als Bestatterinnen entschieden. Ich habe sie bei Ute Schirans schamanischer Unterweisung kennengelernt. Welche es interessiert: www.die-barke.de.
Ich glaube, daß es für uns sehr heilsam wäre, wenn wir das Sterben wieder zurück in unser Alltagsleben nähmen. Daß das prinzipiell möglich ist, haben N.s Kinder und Freunde bewiesen, die sich in den letzten Wochen und Monaten die Pflege ihres kranken Vaters und Freundes nach ihren Kräften und Möglichkeiten geteilt haben und ihm auf diese Weise einen wirklich würdigen Übergang ermöglicht haben.
Danke euch allen! Dankbar bin ich auch, daß ich dabei sein durfte. Gute Reise, N.!
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Samstag, 10. Januar 2015

Je suis Charlie Hebdo

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Was diese Killer in Paris gemacht haben, ist sowas von armselig - mir fehlen die passenden Worte. Karikaturisten hinmetzeln, wofür? Und dann als Märtyrer sterben wollen... Die französische Polizei hat ihnen den Gefallen ja nun getan. Ich hätte ihnen von ganzem Herzen lebenslänglichen Knast gegönnt.
Ich weiß nicht, was diese Verrückten von Boko Haram, IS, Al Kaida und wie sie alle heißen bewegt. Es kann nur eine schwere kollektive Geisteskrankheit sein.
Sowas kennen wir ja aus der Geschichte: die Inquisition mit den Hexenverbrennungen, die Metzeleien der Christen nach der Kolonisierung der beiden Amerikas und der Holocaust.
Zugegeben fühle ich noch aus einem ganz persönlichen Grund Beklemmung: in meiner Zeit als Maoistin habe ich an die gewaltsame Revolution geglaubt und den "Klassenfeinden" den Tod an den Hals gewünscht. Irgendwie waren die damaligen GenossInnen und ich davon überzeugt, daß aus all der Zerstörung etwas Gutes entstehen würde.
Irgendeine innere Instanz hat mich davor bewahrt, zur Tat zu schreiten. Ich bin so dankbar dafür!
Damals hätte mich übrigens kein Argument von meinen Überzeugungen abbringen können. Änderung hat sich erst im Laufe der Jahre eingestellt.

Dennoch bin ich davon überzeugt, daß die gewaltbereiten Bewegungen, ob nun aus dem linken, dem rechten oder dem islamistischen Spektrum, ihren Keim in unserer westlichen Wirtschaftsform, im kolonialistischen Denken haben ("Wir wissen, was gut für euch ist"), die viele Völker ihrer Lebensgrundlagen beraubt hat, siehe Afrika. Ich glaube, vieles wäre anders gekommen, wenn nicht die beiden Bushs damals den Irak bombardiert hätten. Wo auch immer die USA eingriffen, haben sie nichts besser gemacht. Was haben sie überhaupt in anderen Ländern zu suchen? Haben sie nicht genug eigene Probleme zu lösen?
Wenn jetzt die hohlköpfigen Pegida-Leute gegen die drohende Islamisierung des Abendlandes auf die Straße gehen, möchte ich daran erinnern, daß vor ungefähr 1500 Jahren die Christen ihre Religion mit blutigster Gewalt in Mitteleuropa installiert haben und daß die meisten alten Kirchen auf ursprünglich heidnischen heiligen Orten gebaut worden sind, daß heilige Bäume gefällt worden sind, daß Kriege im Namen der christlichen Religion geführt wurden.
Wirkliche geistige Weite zeigt sich in der Bereitschaft, jedem Menschen seine spirituelle Freiheit zu lassen und sich an der Vielfalt zu erfreuen.
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Dienstag, 6. Januar 2015

Perchtentag

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Die Rauhnächte sind vorbei. Heute habe ich die Wohnung gesäubert, alle Räume, Schuppen und Holzschuppen ausgeräuchert und etwas zu essen für die wilden Wesen in den Knick gestellt. Wie die meisten Menschen mag ich solche Rituale - sie erfreuen mein kindliches Selbst. Und die wilden Wesen mögen sie auch: ich finde am nächsten Tag immer schön sauber ausgeleckte Schüsseln.
Die Barbarazweige sind teilweise aufgeblüht. Leider hat sich die Makrofunktion nun gänzlich verabschiedet. Ich werde mir also doch eine neue Kamera erlauben müssen. Es ist schon verrückt mit den neuen Geräten: sie funktionieren eine gewisse Zeit, nicht lange in der Regel, dann kann eine sie wegschmeißen. Im Schrank habe ich noch einen sehr alten Fotoapparat von meinem Vater aus den 50er Jahren mit Extra-Belichtungsmesser. Der funktioniert noch, leider nicht digital.
In der neuen Oya kommt u.a. die grüne Europa-Abgeordnete Rebecca Harms zu Worte. Da ist mir aufgefallen, daß sie auch schon dieses typische Politikersprech draufhat: Rezession stoppen, in den Energiesektor investieren, um Arbeitsplätze zu schaffen usw. Sie verspricht sich wohl auch einiges vom Millionenplan von Jean-Claude Juncker, der im schlimmsten Falle neue Atomkraftwerke in der EU subventionieren könnte. Das ist doch alles Lichtjahre entfernt von den Menschen.
Da sitzen sie in den Parlamenten, die PolitikerInnen, in ihren Anzügen und Blazern. Diese Uniformen müssen wohl sein, als so eine Art Schutzanzug. Das meine ich ganz ernst: so wie man in den Parlamenten miteinander redet, naja "miteinander" ist gar nicht das richtige Wort - wie man sich ständig verbal gegenseitig in die Pfanne haut... Ach Leute, da kann doch nichts Gutes bei raus kommen!
Und die Art und Weise, wie die deutsche Regierung mit den Griechen umgeht, finde ich richtig widerlich. Da bekomme ich wieder Anwandlungen von Scham wegen meiner deutschen Staatsangehörigkeit.
So, das ist mir alles zum Thema Kamera eingefallen: Digitalkameras mit sehr kurzer Lebensdauer herzustellen sorgt vielleicht auch für Arbeitsplätze, auf jeden Fall aber für gigantische Mengen Müll.
Ich bin heute im neuen We'Moon-Kalender mehrmals auf das Wort shape shifting, Gestaltwandel, gestoßen. Das stammt aus dem alten animistischen Denken, als Menschen noch um ihre enge Verwandtschaft mit allen anderen Tieren gewusst haben. Ja, das wünsche ich mir auch für die Wirtschaft: daß sie neu geträumt, neu gedacht, völlig ihre Gestalt wandelt zu etwas, das allen Wesen dient und keinem schadet.
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Samstag, 3. Januar 2015

Magische Rauhnächte

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Neulich erfuhr ich, daß die Rauhnächte mittlerweile auch in den Fundus der evangelischen Kirche aufgenommen wurden. Eine Freundin erzählte mir, daß eine Pastorin in Hamburg Menschen Rückzugsräume für die einzelnen Rauhnächte zur Verfügung stellt. Nun ist es ja nichts Neues, daß sich die Kirche heidnischer Bräuche bemächtigt, um sich attraktiver fürs Volk zu machen. Das war schon unter Karl dem Schrecklichen so üblich, dessen Haupt-Bekehrungsmittel allerdings rohe Gewalt blieb. Heute machen das die IS-Leute so, wobei ich erhebliche Zweifel habe, daß es ihnen wirklich um Religion oder gar Spiritualität geht.
Gut, ich will besagte Pastorin natürlich nicht mit dem IS in einen Topf werfen. Von mir aus soll sie machen, was sie will. Schön wäre allerdings, wenn sie dann auch die eigentliche Herkunft dieses Brauches offen benennen würde.
Ich erlebe die Rauhnächte bewusst seit Mitte der 80er Jahre und finde, daß diese Zeit zwischen den Jahren geradezu dazu einlädt, die Alltagsroutinen weitgehend zu lassen und so einen Raum zu schaffen, in dem es möglich wird, ins Große Ganze hinein zu fühlen, zu lauschen, zu sehen. Irgendwie scheint in diesen Tagen alles still zu stehen. Ich fange Worte und Bilder auf, die in mir etwas hervorrufen.
Am zweiten Tag nach der Mütternacht/Heiligabend traf ich meine Nachbarin B. mit ihrem Hund vor dem Haus. Wir wurden Zeuginnen eines seltsamen Ereignisses: ein Keil Graugänse zog über den Himmel, was hier nichts Ungewöhnliches ist. Aber die Spitze der ordentlichen Formation bildeten zwei Singschwäne.
Da konnten wir nur staunen. B. sagte schließlich: "Zusammenarbeit ist also angesagt."
So isses.
Am Abend kamen meine Tochter mit Freund und Katze zu Besuch und blieben einige Tage. Wie jedes Jahr wurde viel und üppig gespeist - auch das ist seit meiner Kindheit ganz charakteristisch für Weihnachten. Ich finde es nicht schlimm, denn nach einigen Tagen Völlerei habe ich genug von Süßigkeiten und Fleisch (dieses Jahr gab es Wildschweinkeule mit Rotkohl, köstlich!) und kehre ohne Anstrengung und Verzicht wieder zu meiner gewohnten weitgehend vegetarischem Lebensweise zurück.
Daß man auf dem Teppich herumliegt und sich dabei seine Geschenke ansieht, gehört auch zu Weihnachten, siehe unten.
Vorsätze fürs neue Jahr habe ich nicht. Ich erlaube mir aber, meine uralte Kindheitskonditionierung, die Beste sein zu müssen (so wollte mein Vater das immer), abzulegen. Nicht mehr danach zu streben, die Beste zu sein, macht wohl auch erst Kooperation möglich: dann kann ich mich ehrlich darüber freuen, wenn Menschen in meinem Umkreis Dinge gut können, die ich nicht so gut oder gar nicht kann.
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Sonntag, 21. Dezember 2014

Nana

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Zweimal wurde ich in den letzten Tagen zu einer christlichen Weihnachtsveranstaltung eingeladen. Das hat mich seltsam berührt. Ich bin mit siebzehn Jahren aus der Kirche ausgetreten, meine Kinder sind nicht getauft. Ich habe überhaupt kein Problem mit den Botschaften des Menschen Jehoshua von Nazareth, bekannter unter dem latinisierten Namen Jesus. Aber mit den Kirchen habe ich erhebliche Schwierigkeiten, ganz besonders mit ihrem Hauptsymbol, einem armen gefolterten Menschen, der an ein Hinrichtungsinstrument genagelt ist. Die davon ausgehende Botschaft ist klar: Leiden ist angesagt.
In dem bereits erwähnten Buch von Uwe-Christian Arnold wird eine Frau zitiert, die die christliche Religion als Leidensideologie bezeichnet. Das bringt es gut auf den Punkt.
Wie wohl alle Menschen, die in unserem Kulturkreis aufgewachsen sind, bin auch ich nicht von dieser Ideologie verschont geblieben. Mein großes Pflichtbewusstsein, auch meine Neigung, mehr zu arbeiten, als mir gut tut, gehen ganz sicher auf meine protestantische Erziehung zurück. Aber ich weigere mich zu leiden.
Nein, die christliche Religion ist nicht meine spirituelle Heimat.
Gestern haben wir die Wintersonnenwende gefeiert. A. und ich hatten das Ritual geplant. Aber als gestern ein ordentlicher Sturm übers Land fegte und heftige Regenschauer niedergingen, haben wir uns gegen unseren Platz unter den alten Eichen am Vogelsee und für einen Spaziergang zu einem mir heiligen Platz in der Nähe entschieden. A. hatte die Idee, Nana, die alte westafrikanische Göttin, Mutter der Zeit, die die Ursuppe rührt, in den Mittelpunkt unseres Rituals zu stellen. In Münster hatte ich zwei Jahre Unterricht in westafrikanischem Tanz. Tanzend stellt eine sich den archetypischen Energien, genannt Götter, zur Verfügung. Das sind tiefgehende Erfahrungen.

Heute Mittag schien die Sonne fahlweiß aus den Wolken. Wie flach der Bogen ist, den sie im Laufe des kurzen Tages vom Südosten zum Südwesten zieht!
Ich habe in den letzten Wochen unglaublich viel gearbeitet. Heute gab es den Endspurt: Holz im Schuppen aufstapeln. Jetzt bin ich bereit für die Rauhnächte.
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Sabrina Gundert hat ein neues Buch geschrieben: Hab Mut und geh - Das Herzensweg-Praxisbuch. Danke, Sabrina, fürs Zuschicken!
Es ist schön zu lesen und macht Mut, das zu leben, was einer wirklich am Herzen liegt. Das ist das Gegenbild zur christlichen Leidensideologie.

Empfehlen möchte ich auch ein ganz anderes Werk: Die Graphic Novel Im Schatten keiner Türme von Art Spiegelman, der mit dem Comic Maus über den Holocaust und Auschwitz bekannt geworden ist. In dem neuen Buch verarbeitet er sein persönliches Erleben von 9/11 als unmittelbarer Nachbar des World Trade Centers. Wir kennen ja alle diese unfassbaren Bilder (Ich habe mir damals wieder und wieder den Einschlag der Flugzeuge sowie das In-sich-zusammen-fallen der Türme angesehen und konnte es einfach nicht fassen). Er beschreibt, wie es ihm als Augen- und Ohrenzeuge ging, indem er sich gekonnt des Mediums Graphic Novel bedient.

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