Der nächste Schwarm

Gestern schwärmte das große Bienenvolk zum zweiten Mal. Ich jätete gerade meine Gemüsebeete, als mein Nachbar mich holte: "Schau mal nach deinen Bienen!" Eine wilde Wolke kreiste über dem Garten, zog spiralig erst Richtung Kiefer (Oh, bitte nicht dort landen! Da komme ich nie dran!), dann über den Flieder im hinteren Knick und ließ sich schließlich als schöne Traube hoch oben in der alten morschen Mirabelle nieder. Da stand ich nun und verrenkte mir den Hals. Wie sollte ich die jetzt bekommen? Ich mit meiner Abneigung gegen hohe Leitern, zumal wenn sie an morsche Bäume gelehnt sind.
B. war nicht zu erreichen. Also ging ich nach gegenüber zu T. Sein Sohn O. erklärte sich bereit. Also versuchten wir es mit einer Trittleiter und einer hohen Leiter, auf die ich sogar stieg! In dem Moment war mein ganzer Schiss verflogen, wichtig war nur, wie ich an das Bienenvolk komme. Es saß aber zu hoch.
O. stieg nun auf die Leiter und bog den Ast samt Schwarmtraube herunter, während ich auf den Kompost stieg und eine große Maurerbütt auf dem Kopf balancierte. O. ruckte an dem Ast, es regnete Bienen auf mich und in die Maurerbütt, aber die Königin war nicht dabei. Die Bienen hängten sich von neuem an den Ast. Wir versuchten es noch einmal, vergeblich. O. äußerte die Vermutung, daß der Abstand zwischen Schwarmtraube und Maurerbütt zu groß sei.
Dann kam B. Wir stellten den Gartentisch unter die Schwarmtraube und stiegen drauf. Ich hielt wieder die Maurerbütt über meinen Kopf, O. zog den Ast mit dem Sauzahn (das Gartengerät mit dem längsten Stiel) so weit herunter wie möglich und B. schnitt ihn ab. Der Ast fiel mitsamt dem Schwarm in die Bütt.
Jetzt ließen sich die Bienen einfach in die Schwarmkiste füllen und der Rest fand sich nach und nach ebenfalls ein. Wie sehr erzieht der Umgang mit Bienen zu Langsamkeit und Achtsamkeit! Sie haben ihre eigene Zeit, sie können nicht gedrängt werden. EineR würde höchstens schmerzhafte Stiche riskieren.
Faszinierend finde ich auch die Sanftmut und den Langmut der Bienen: wir hatten ihnen einiges zugemutet und obwohl wir drei keine Schutzkleidung trugen, gab es keinen einzigen Stich.
Als ich mit der summenden Schwarmkiste in Kiel ankam, wo Jans in seinem Garten schon alles vorbereitet hatte, zogen sie ganz friedlich in den bereitstehenden Top BarHive ein. Man sagt ja, daß Imker eine gerade zu übersinnliche Beziehung zu ihren Bienen haben. Das glaube ich mittlerweile auch: die Tiere scheinen zu wissen, daß wir ihnen helfen wollen. Ich glaube, daß sie es in diesem wilden Stadtgarten sehr gut haben werden.

Beim Lesen von Die Gaben der Bienen von Karsten Massei kam mir das Bild von einem See, um das Verhältnis von der mit unseren körperlichen Sinnen wahrnehmbaren Welt und der Anderswelt deutlich zu machen. Wir nehmen wahr, was oberhalb der Wasserfläche ist. Unter der Wasseroberfläche befindet sich eine andere Welt mit anderen Gesetzmäßigkeiten.
Wir brauchen andere Sinne als unsere körperlichen um sie wahrzunehmen. Der erste Schritt ist anzuerkennen, daß es neben unserer noch eine andere Welt mit anderen Wesenheiten gibt, die uns ständig begleiten.
Heute brach ich mit meiner Gewohnheit, nicht wählen zu gehen: ich fuhr bei bestem Sommerwetter mit dem Fahrrad nach Bellin. Im Dorfgemeinschaftshaus saßen drei Männer hinter einem langen Tisch. Ich bekam Pralinen angeboten und etwas sehr Nettes gesagt, machte gut gelaunt mein Kreuzchen und fuhr beschwingt durch Wald und Feld wieder nach Hause.
Warum ich dieses Mal wählen war? Weil ich nicht der Lobby der Genmanipulierer, Giftspritzer und Patente-auf-Saatgut-Erheber das Feld (im wahrsten Sinne des Wortes) überlassen will.
Bin ich inkonsequent? Ja, und es gefällt mir!!
Marie-Luise - 25. Mai, 21:30