Dienstag, 31. Juli 2012

Wolf

Litha-2012-066
Heute Morgen legte mir eine Kollegin die Tageszeitung auf den Schreibtisch, und das Bild einer Wölfin sprang mir ins Auge. Es war eine Wölfin aus dem Tierpark Eekholt, aber dann erfuhr ich, daß tatsächlich ein Wolfsrüde in der Nähe von Bad Segeberg in einem Wald von einer Kamerafalle aufgenommen worden war.
Also hat sich mal wieder ein wilder Wolf nach Schleswig-Holstein getraut.
Darüber freue ich mich, und ich drücke ganz fest die Daumen, daß er eine Gefährtin findet und die Chance hat, hier im Norden ein Rudel zu gründen.
Zu Wölfen habe ich seit Mitte der 80er Jahre eine enge Beziehung. Kurz vor dem Durchbruch in meiner damaligen Körpertherapie begegnete mir der Wolf, als in einer Sitzung ein mächtiger Schrei aus mir herausbrach. Nie zuvor habe ich so geschrien und danach auch nie wieder. Ich wusste bis dahin nicht, daß ich zu solchen Geräuschen fähig bin. Es war ein Moment von Befreiung und Kontakt mit dem wilden Wesen, das in mir unter all den zivilisatorischen Schichten immer noch lebendig ist. Und dieses wilde Wesen tauchte damals als Wolf im Wald vor meinem inneren Auge auf.
Nach den Kolkraben kommen die Wölfe wieder und hoffentlich auch bald die Bären.
Litha-2012-068
Im Nachtdienst habe ich mich durch das Buch Wir sind der Wandel von Paul Hawken durchgearbeitet. Ich fand es mühselig zu lesen und empfehle es deshalb nicht. Aber Paul Hawkens Idee, daß all die Initiativen und Gruppen auf der Erde, die ökologisch und sozial tätig sind und keine Anführer haben, sondern auf anarchistische Weise sich selbst organisieren, das Immunsystem der globalen menschlichen Gesellschaft bilden, finde ich spannend. Mal sehen, ob es diesem Immunsystem gelingt, den Krebs, der die menschliche Gattung seit mehreren tausend Jahren befallen hat, zu heilen.
Das Spannende am Immunsystem ist ja, daß es im Körper selbstorganisiert tätig ist: es gibt keinen Anführer, der sagt, was zu tun ist. Keinen Herrscher, keine Regierung, nichts was von oben nach unten wirkt. Das Immunsystem arbeitet jenseits unseres Bewusstseins. Seine einzelnen Mitglieder wirken kooperativ, jedes an seinem Platz und nach seinen Möglichkeiten. Manchmal braucht es vielleicht einen Impuls, damit es tätig wird: zum Beispiel die erklärte Absicht, gesund werden zu wollen. Aber dann weiß es tausendmal besser als unser Gehirn, ein Arzt oder ein Heiler, was zu tun ist. Das Immunsystem hat auch keinen Ort, es ist etwas Fließendes, das überall im Körper anwesend ist. Es hat ein Gedächtnis und es steht in dauernder Kommunikation mit anderen Bewohnern des Körperuniversums.
Faszinierend!

Sonntag, 22. Juli 2012

Gier

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Wenn ich bei anderen Menschen Gier diagnostiziere, ist es ja nur fair, mal bei mir selbst zu gucken.
Das fiel mir heute ein, als ich mit meinem frisch reparierten Fahrrad (ja, ich habe den nach unten rutschenden Sattel tatsächlich selbst feststellen können, ha!) endlich mal wieder eine richtige Tour machen konnte. Ich fuhr zur Kiesgrube mit vielen Plänen: die Runde für den nächsten Kräuterkurs auszukundschaften und Beifuß und Johanniskraut für meine persönliche Medizin zu sammeln. Während ich durch dieses einzigartige Biotop streifte, erstaunliche Pflanzen entdeckte und mich freute, fiel das viele Wollen aus mir heraus.
Es ging erst mal nur ums Wahrnehmen und Genießen der Vielfalt. Irgendwann stand ich vor dem Johanniskraut und wußte, daß ich nur eine Pflanze sammeln würde. Nur so konnte ich ihr und meiner Wahrnehmung genügend Raum geben.
Ich habe einen Satz von Gertrude Ernst-Wernicke in Erinnerung: "Eine Pflanze wirkt durch unsere Absicht." Wenn ich zehn Kräuterbücher lese, finde ich mindestens zwanzig verschiedene Wirkungsweisen. Nehme ich dann noch Hildegard von Bingen dazu, scheint mir, daß die Pflanzen im Mittelalter eine gänzlich andere Wirkung als heute hatten.
Heilpflanzen sind eben keine standardisierten Medikamente, sondern Lebewesen. Und als solche reden sie nicht mit jedem. Manche scheinen auch launisch zu sein. Und ganz sicher hat der Bewusstseinszustand beim Sammeln und Zubereiten der Medizin einen Einfluss auf ihre Wirksamkeit.
Und gleichzeitig kenne ich den Impuls, ganz viel von einer Pflanze haben zu wollen, zu horten. Dem gebe ich jetzt immer weniger nach. Dabei hilft, daß ich einfach nicht viel Platz zum Lagern habe.
Beim Beifuss-Schneiden sang ich und wurde dabei von einem kleinen Vogel begleitet, der vor mir herflog, sich immer wieder auf einen Ast setzte und sein Lied sang. Und ein Kiebitz drehte mit klagenden hellen Lauten seine Runden über mir, als wolle er mir deutlich machen, daß ich in seinem Revier bin. Eine Lerche sang herzergreifend, und ich fühlte mich wieder in meine Kindheit, auf die sommerlichen Felder im Solling zurück versetzt.
Als ich die Kiesgrube verließ, mußte ich mich einfach umdrehen und bei all den Wesen bedanken, daß ich ihr Reich betreten durfte.
Litha-2012-061

Montag, 16. Juli 2012

Was brauche ich wirklich?

Litha-2012-029
Dieser schöne Eisenhut stand bis vor wenigen Tagen an der Straße. Dann grub ein Mann aus dem Dorf ihn aus und pflanzte ihn in seinen Garten. Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihn darauf hin anzusprechen, werde es aber auf jeden Fall tun.
Ich kenne die Gier, etwas persönlich besitzen zu wollen. Ich selbst grabe schon lange keine wilden Pflanzen mehr aus, um sie in meinen Garten zu setzen. Wenn ich unbedingt eine Pflanze haben will, besorge ich mir Samen oder Pflanzen aus einer Gärtnerei. Und ganz oft vertraue ich auch darauf, daß die richtigen Pflanzen schon von allein ihren Weg zu mir finden werden.

Nun ist es amtlich:
HessNatur ist von der Schweizer Private Equity-Gesellschaft Capvis aufgekauft worden. Wer mehr wissen will: www.hngeno.de (die Genossenschaft, die sich zur Weiterführung von HessNatur vor zwei Jahren gegründet hat)
www.wir-sind-die-konsumenten.de (dort gibt es unter anderem Boykott-Erklärungen). Wie bereits gesagt: Ich kaufe gar nichts mehr bei HessNatur!

Außerdem befasse ich mich immer häufiger mit der Frage: Was brauche ich wirklich?
Neulich unterhielten Horst und ich uns über das Thema. Obwohl ich ja eher zur unteren Einkommensstufe gehöre, obwohl ich weitgehend ökologisch und sozial bewusst einkaufe: wenn alle Menschen meinen Lebensstandard hätten, wäre das aus den Ressourcen der Erde nicht zu decken. Das heißt in logischer Konsequenz auch für mich: abspecken.
Ich lasse diesen Gedanken in mir wirken und spüre keine Angst, eher Neugier: wie will ich nach dem Kollaps unserer Wirtschaftsordnung leben?
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Gestern Abend ging ich in der Abenddämmerung zur alten Buche im Wäldchen. Ich sah und hörte eine Eule, horchte auf das Knispeln, Kratzen und Scharren kleiner Tiere, schaute durch die Blätter der Buche in den hellen Nordhimmel und verschmolz mit dem mächtigen Baum: alle Sinne weit geöffnet, wurde ich immer ruhiger und gedanken-loser und glitt allmählich in eine Zwischenwelt, die nicht beschrieben, nur gefühlt werden kann. Das macht mich viel glücklicher als ein neues Kleidungsstück, sei es noch so ökologisch.

Sonntag, 8. Juli 2012

Die Farben der Erde

Litha-2012-019
Jutta und Sabine, danke fürs Teilen eurer Ansichten über das Schneckenproblem.

Es geht wohl immer um das gleiche Thema in verschiedenen Nuancen: wie ist ein für alle erfreuliches Zusammenleben mit menschlichen und nicht-menschlichen Lebensformen möglich?
Um noch mal auf die Schnecken zurück zu kommen: die machen ihren Job. Ich möchte gern verstehen, was sie mir mit ihrem Verhalten mitteilen.
Es gibt ein paar Märchen, die über ein Zusammenwirken von Tieren und Menschen erzählen: von den Hausschlangen, die Haus und Hof Glück brachten, solange sie von ihren Bewohnern geachtet und gefüttert wurden. Oder von den Helden, die in die Welt zogen, dabei Bienen, Vögeln oder Ameisen aus irgendeiner Notlage halfen und dann irgendwann von diesen Wesen Hilfe in einer aussichtslos erscheinenden Situation bekamen. Ich glaube, daß diese Geschichten etwas über unsere ursprüngliche Beziehung berichten. Daß Menschen sich mit Tieren verwandt und auf Augenhöhe fühlten, finde ich, wie bereits an anderer Stelle berichtet, in den Bildern der Höhlen von Chauvet und Lascaux wieder.
Mit dem Verlust dieser Verbindung ist uns etwas sehr Wesentliches verloren gegangen.

Heute war ich auf einem De Immen-Treffen bei einem Bioland-Imker in Niedersachsen. Schön war wieder der Austausch mit diesen vielen verschiedenen Menschen, ihre unterschiedlichen Ansichten, ihre Herzlichkeit, das leckere Büfett aus mitgebrachten Köstlichkeiten, das viele und laute Lachen auf der gemeinsamen Autofahrt.
Aber ich habe auch ganz deutlich gemerkt, daß mir die berufsmäßige Imkerei mit Hunderten Völkern nicht gefällt, egal ob Bioland oder konventionell.
Bei dieser Art zu wirtschaften bleibt etwas auf der Strecke: eben die Verbindung zum Wesen Biene. Allein die vielen Bienen, die an den Scheiben des großen Raums mit den Honigschleudern saßen und umhersurrten, machten mich traurig. Ich hätte ihnen gern ein Fenster geöffnet und sie rausgelassen.
Ich glaube, daß wesensgemäße Imkerei nur dann eine Chance hat, wenn die Bienen mit uns zusammenleben wie eine Katze oder Hühner oder die erwähnte Hausschlange: einige Völker, die uns ein wenig von ihrem Honig abgeben, während wir ihnen bunte vielfältige Blütenpflanzen anbieten.
Ja, ich sehe auch die andere Seite: ohne die Bioland- und Demeter-Imker wären nicht diese absolut notwendigen Prozesse gegen die Gentechnik- und sonstigen Agrargiftschleudern möglich.
Der Bioland-Imker sagte, die Agrarlobby wäre so stark, daß wir keine Chance gegen sie hätten: z.B. ist Raps eine der wichtigsten Trachtpflanzen für Bienen, aber gleichzeitig so belastet mit Chemikalien, daß viele Imker ihre Demeter-Zulassung verlieren. Er wirkte sehr entmutigt.
Wieder zu Hause ging ein gigantischer Regenguss herunter, während die Schnecken gerade die letzten Reste von meiner allerletzten Zucchinipflanze verputzten. Und hinter meinem Garten stand ein doppelter Regenbogen - die Farben der Erde.
Solange es immer wieder solche Schönheit gibt, werde ich mich nicht entmutigen lassen.
Litha-2012-036
Noch was: HessNatur ist an den Capvis-Konzern verkauft worden, der mit seinen Gewinnen an der Börse spekuliert. Ich war jahrelang Kundin von HessNatur, weil sie von allen Öko-Textilherstellern die höchsten Standards hatten, auch in puncto Fair trade, und mir ihr Design besser gefiel als das ähnlicher Anbieter. Dann kaufte irgendwann Karstadt-Quelle den Laden, was mir schon nicht schmeckte. Nachdem Karstadt-Quelle pleite ging, sollte HessNatur an einen US-Investor verscherbelt werden, der auch im Rüstungsgeschäft hängt. Dagegen bildete sich ein Initiative, die mit Boykottdrohungen die Übernahme verhinderten und eine Genossenschaft, hngeno, gründeten. Der alte Eigentümer wollte aber nicht an die Genossenschaftsanteilseigner verkaufen. Damit ist HessNatur für mich gestorben. Ich kaufe dort von jetzt an kein einziges Kleidungsstück mehr.

Freitag, 6. Juli 2012

Schweres Lernen

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Die beiden Fotos hat mir Friederike freundlicherweise überlassen. Sie hat auch einen Bericht über unsere Suche nach den Langbetten auf dem Strezerberg geschrieben. Sobald ich weiß, wo er veröffentlicht ist, gebe ich es bekannt.

Ansonsten ist mir gerade das Herz schwer. Es gibt einige Dinge, die mich beschäftigen. Wie berichtet, habe ich mein Feld für neue Kontakte geöffnet. Nun muss ich üben/lernen, zu entscheiden, wer mir gut tut. Ich habe oft mit sehr bedürftigen Menschen zu tun. Sie erinnern mich daran, daß ich selbst lange Zeit ein sehr bedürftiger und dadurch auch anstrengender Mensch für meine Mitwelt war. Ich habe ja lange Jahre gebraucht, um zu lernen, daß kein anderer Mensch meine uralten Löcher füllen kann.
Und dann gibt es noch die Schnecken, über die ich bereits berichtete. Es macht mir Schmerzen, jeden Morgen zu sehen, was sie schon wieder abgeraspelt haben. Soviel Arbeit war für die - nein, nicht Katz - Schneck! So wenig bis gar nichts für mich übrig. Das ist schon bitter, und meine Gelassenheit hat mich längst verlassen.
Eine Frau aus dem Dorf, die durchaus öko ist, hat mir gesagt, daß sie Schneckenkorn streut. Sie ist mit ihrer Toleranz am Ende.
Nein, das werde ich nicht machen: kein Töten, kein Absammeln.
Heute sagte mir ein Freund, ich solle den Saatguthersteller wechseln, weil ich offensichtlich minderwertige Samen aussäe. Schlaumeier! Erstens beziehe ich nicht nur von einem, zweitens kann ich nicht glauben, daß Dreschflegel und Bingenheimer nur schlechtes Saatgut produzieren.
Ich glaube, daß es hier etwas gibt, was ich noch nicht begreife, was mit Zusammenarbeit, Zusammenleben zu tun hat.
Übrigens: in der neuen Oya habe ich gelesen, daß es jetzt darum geht, wie der Mensch vom Schädling zum Nützling wird. Wie treffend!
Heute habe ich mit ziemlicher Verspätung gehört, daß Maria Thun, die Frau mit dem Aussaatkalender, im Februar gestorben ist.
Ich habe den Aussaatkalender an die zwanzig Jahre. Anfangs habe ich versucht, mich akribisch daran zu halten. Das ging nicht. Vielleicht wäre es gegangen, wenn ich den ganzen Tag Zeit für meinen Garten gehabt und wenn das Wetter mitgespielt hätte.
Dann hat mir absolut nicht gefallen, daß da immer von der Veraschung von Schädlingen die Rede war: die Tiere, die eine nicht im Garten haben wollte, sollten bei bestimmten Planetenkonstellationen verbrannt und dann im Garten verstreut werden. Das scheint mir die biologisch-dynamische Form der Kriegsführung zu sein.
Anfangs schienen ihre Wettervorhersagen noch eine hohe Trefferquote zu haben, später dann seltener.
Vielleicht ist es sowieso gut, sich mit den Vorhersagen, gleich welcher Art, zurückzuhalten: mir scheint, daß sich soviel ändert und wir alle gar nicht wissen können, wohin die Reise geht.
Das Jahr 2012 ist mit sovielen Projektionen befrachtet, die sich zwischen Weltuntergangsprophezeihungen und Weltrettungsutopien bewegen. Vielleicht ist es gut, sich darin zu üben, einfach nur wahrzunehmen, was ist.
Dennoch halte ich Frau Thun für eine bedeutende Pionierin und möchte sie an dieser Stelle würdigen. Und durch sie habe ich verstanden, was es mit den unterschiedlich hohen Bögen auf sich hat, die der Mond im Laufe seiner Zyklen macht.
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Samstag, 30. Juni 2012

Widrigkeiten

Litha-2012-011
Zur Zeit könnte ich fast jeden Tag sagen: Irgendwas ist immer.
Es fing damit an, daß die Deckel nicht mehr auf die beiden Top bar hives passten. Die Bretter der Seitenwände hatten sich nach außen verzogen. Wie einer der Tischler so schön sagte: "Im Gegensatz zu uns arbeitet Holz immer."
Nachdem ich tagelang bibberte, daß jetzt die Oberträger mit den Waben abrutschen würden, bekam ich eine neue Kiste und konnte die Bienen umquartieren. Übrigens hatte tatsächlich ein Oberträger schon eine gefährliche Schrägneigung.
Mein Fahrrad hat den Winter im feuchten Schuppen und Katharinas tägliche Fahrten zur Schule in Selent nicht gut überstanden und musste gründlich in Ordnung gebracht werden. Weil es nicht in mein kleines Autochen passt, hat mein neuer Nachbar E. es in seinem großen Wagen nach Lütjenburg zum Fahrradladen gebracht und wieder abgeholt.
Am Donnerstagabend fuhr ich frohen Mutes nach Bellin zum Public Viewing in Dorfgemeinschaftshaus. Auf halbem Weg rutschte ich mitsamt Sattel in die Tiefe. Die Fahrradleute hatten dämlicherweise den Metallstreifen entfernt, den der liebe Horst mir vor Jahren angebracht hatte, um genau das Problem zu beheben.
Daß Italien das Spiel gewonnen hat, hat mich deutlich weniger erschüttert, als die Tatsache, daß es auf dem Lande doch sehr schwierig ist, einen guten Fahrradmechaniker zu finden, der dann auch noch in akzeptabler Nähe arbeitet.
Vielleicht konnte ich deshalb in der Nacht nicht einschlafen. Mein gewohntes Schlafmittel, eine Stunde ziemlich anstrengendes Yoga, half dieses Mal überhaupt gar nicht. Irgendwann schlief ich dann doch ein, um etwa drei Stunden später wieder aufzuwachen. Draußen entlud sich ein gewaltiges Gewitter. Durch meine geschlossenen Augen sah ich die Blitze, denen sofort krachende Donner folgten. Da stand ich auf, zog meine Regenjacke an und versprühte mit meiner großen Gartenspritze EM (Effektive Mikroorganismen) im Gemüsegarten, wo seit einigen Wochen die Schnecken wieder ganze Arbeit leisten.
Wahrscheinlich, weil ich vor einiger Zeit damit angegeben habe, daß ich schon länger kein Problem mehr mit Schnecken habe. Das hätte ich nicht sagen sollen, denn in diesem Jahr machen sie sich über fast alles her.
Früher bin ich regelmäßig hysterisch geworden, wenn ich sah, was die Schnecken von meinen Pflänzchen übrig ließen. Dann habe ich sie jahrelang Abend für Abend abgesammelt und weggetragen (heute weiß ich: das hätte ich mir sparen können, denn Schnecken kehren zurück). Schließlich hatte ich Laufenten und keine Schnecken mehr, dafür aber ander Probleme (einen Küken mordenden Erpel, chronischen Wurmbefall der Enten, Stress wegen der staatlich angeordneten Vogelgrippe-Hysterie).
Heute weiß ich über Schnecken, daß sie die Müllabfuhr der Natur sind. Sie machen überaus sinnvolle Arbeit: sie vernichten das, was ich besser nicht essen sollte, weil es auf die eine oder andere Weise minderwertig ist. Es ist schwer für mich zu schlucken, daß das offensichtlich auch für mein gutes Bio-Saatgut gilt, sogar für die Wermut-Stauden aus dem Kräuterpark Stolpe und - besonders schmerzhaft - auch für das Bilsenkraut, das ich schon seit Jahren selber vermehre (na ja, das esse ich nicht).
Aber alles, was wild ist und sich seinen Ort selbst ausgesucht hat, lassen sie in Ruhe, zum Beispiel die köstlichen kleinen 'Walderdbeeren, die hinter dem Holzschuppen wuchern.
Ich sprühte also in aller Fraugöttinfrühe Effektive Mikroorganismen, weil ich vor einiger Zeit die Eingebung hatte, daß das dem Boden auf jeden Fall gut tun würde. Ob es die Schnecken auf einen anderen Geschmack bringt, wird sich zeigen.
Am Donnerstagnachmittag kam Alma mater-Schwester Friederike, die gerade in Plön weilte, für ein paar Stunden vorbei. Wir fuhren zum Strezerberg, um das schöne Langbett zu besuchen.
Ich bin schon einige Male dort gewesen, aber dieses Mal machte es sich unsichtbar. Es war wie verhext. Als ich mich zum Pinkeln hinhockte, wusste ich plötzlich, in welche Richtung wir gehen mussten. Im gleichen Moment hatte Friederike die gleiche Eingebung. Aber als wir uns den Steinen näherten, war es, als habe eine gigantische Hand alles einmal um 180° gedreht.
Ich kann mir das alles gar nicht erklären, was mich zugegebenermaßen stört. Möglicherweise wollte uns die Anderswelt einfach mal an der Nase herumführen. Auch der Rückweg führte uns in völlig unbekanntes Gelände: zu einem magischen, mit Seerosen bedecken See mitten im Wald, dann zu einem Funkturm, über Wege mit Hunderten von winzig kleinen Krötenkindern und schließlich wieder zurück zu meinem Auto.
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Samstag, 23. Juni 2012

Öffnung

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Nachdem ich eine Woche lang gewartet habe, um eine neue Speicherkarte bei Aldi zu erstehen, um dann festzustellen, daß die mit meiner Kamera nicht kompatibel ist, habe ich meine alte Karte neu formatiert. Das hat's gebracht. So einfach! Warum nicht gleich so!
Walpurgis-2012-096
In der letzten Zeit spüre ich das Bedürfnis, mein in ruhigen geordneten Bahnen verlaufendes Leben für Spontanes, besonders für Menschen zu öffnen. Diesen Wunsch habe ich also den vier Windinnen mitgeteilt, und plötzlich geschehen unvorhergesehene Dinge, die meinen durchgeplanten Alltag durcheinander bringen.
Zum Beispiel: gestern standen plötzlich M. und T. mit ihrer kleinen Tochter vor der Tür. Eigentlich wollten sie zu meiner Nachbarin S., aber die war nicht zu Hause. Ich werkelte wie eine Wilde im Garten herum, um Platz für neue Pflanzen zu schaffen, da hörte ich M. meine Namen rufen.
Und so ließ ich die Sense fallen und kochte Kaffee. Wir haben draußen in der Sonne gesessen, uns gut unterhalten und Spaß an der kleinen T. gehabt: sie kann gerade laufen und spazierte nackt über den harten Kies, spielte mit den leeren Blumentöpfen, rührte mit einem Holzstöckchen darin herum, planschte in der Bütt mit dem Regenwasser und hatte soviel Spaß. Wie oft habe ich Kinder erlebt, die ständig neues Spielzeug gekauft bekommen, möglichst noch "pädagogisch wertvolles", und nur rumquengeln und sich langweilen. Die kleine T. hat entspannte Eltern, die auch nicht in Hysterie ausbrachen, als das Kind sich in Windeseile dem Haufen Schwalbenscheiße auf der Holzkiste unter dem Dach näherte (ich kratze die zum Ende der Schwalbensaison ab und gebe sie auf den Kompost). Und geimpft wird die Kleine auch nicht, erfuhr ich gleich. Sie hat also gute Chancen, ein robustes und gesundes Kind zu sein.
Noch etwas fiel mir gestern auf: ich bin dabei, mein Männerbild zu revidieren. Das geschieht schon seit einiger Zeit. Ich bin sehr erfreut, immer häufiger Männer zu sehen, die sich für ihren Nachwuchs interessieren, sich dafür verantwortlich fühlen, fürsorglich und zärtlich sind, nicht vor Füttern und Windelwechseln zurückschrecken und - da ist mir das Herz ganz weit aufgegangen - ihren Frauen Freiräume ohne Kinder zu ermöglichen. Die haben mir als junger Mutter so gefehlt.
Es war schön mit den Dreien.
Walpurgis-2012-095

Samstag, 16. Juni 2012

Allmende

Die Speicherkarte von meiner Kamera hat sich verabschiedet, deshalb heute ohne Fotos.
Das Dorf Weissenhaus, Gemeinde Wangels, samt zugehörigem Strandabschnitt ist vor einigen Jahren an einen Hamburger Millionär verkauft worden. Der hat einige seiner Millionen reingesteckt und macht jetzt dick Reklame für die neue "Spa- und Wellness-Oase". Wir sind oft am Strand gewesen, lag er doch nur wenige Kilometer von Kükelühn entfernt. Im Sommer haben wir dort nackt im Sand gelegen und uns in die Ostsee geschmissen, in den rauheren Jahreszeiten den Sturm genossen und Loch- und andere schöne Steine und Donnerkeile gesammelt.
Danach gab es oft Pommes mit Mayo und Kaffee im von wuchernden Kartoffelrosen umgebenen Garten des Holzhauses direkt am Strand.
Das Holzhaus ist abgerissen worden, weil so ein primitiver Imbiss natürlich nicht zu einem Wellness-Gelände passt. Stattdessen steht da jetzt ein schniekes "Bootshaus", das "California cuisine" und Fußball-EM-Glotzen in noblem Ambiente anbietet.
Nein, ich war da noch nicht, und ob das jemals stattfinden wird, ist fraglich. Ich lese aber zur Zeit an jedem Laternenpfahl die Reklame zur Eröffnung und habe auch neugierig im Internet gesurft.
Und als ich im März mit Astrid direkt nebenan an der Steilküste unterwegs war, habe ich bereits die Auswirkungen bemerkt: der große Parkplatz ist mittlerweile asphaltiert und mit Schranken versehen, also neuerdings gebührenpflichtig.
Wieder mal ist ein Stück Erde, das von allen genutzt und genossen werden konnte, einkassiert worden.
Ich bin eine große Fanin der Allmende-Idee: früher hatte jedes Dorf ein gemeinsam genutztes Stück Land. Das konnte Weideland sein oder auch ein Wald. In England waren das die commons.
Ich brauche kein "Wellness-Resort", ich möchte weiterhin gern an einem wilden Strand spazieren gehen, mich nackig in die Sonne legen können und den Charme eines alten Bretterbuden-Imbiss genießen. Das ist meine Art von Wellness.
Außerdem habe ich eine tiefverwurzelte Abneigung gegenüber extrem reichen Menschen, weil ich weiß, daß diese Art von Reichtum nur möglich ist, wenn irgendwann andere Menschen dafür ausgebeutet worden sind. Ja, es gibt natürlich auch Ausnahmen: vor einigen Jahren habe ich von einem jungen Mann gelesen, der durch Erbschaft Millionär geworden ist und einen großen Teil seiner Knete der Organisation Attac vermacht hat. Das finde ich mal eine sympathische Geldanlage.

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