
Der Top Bar Hive ist für mein erstes Bienenvolk bereit. Die Tischler, die ihn mir letztes Jahr gebaut haben, nennen ihn Bienenhaus. Das klingt schön und viel besser als die Übersetzung von Top Bar Hive: Oberträgerbeute. (Manchmal finde ich Deutsch doof.)
Ich habe in den letzten Tagen viel über Bienen und mich nachgedacht: ohne Zweifel will ich mit ihnen zusammenleben und von ihnen lernen.
Aber: ich will sie nicht gegen Varroamilben behandeln müssen. Die Chemikalien, die wohl einige Imker noch verwenden, sind eh indiskutabel. Aber auch die Milch-, Ameisen- und Oxalsäurebehandlungen der Ökoimker mag ich nicht. Sie verursachen Verätzungen, sie bewirken genetische Veränderungen, sie verhindern möglicherweise, daß die Bienen jemals lernen, mit der Varroa-Milbe umzugehen. Es ist ja so, als wenn wir lebenslänglich Antibiotika einnehmen würden und uns dadurch unser Immunsystem komplett ruinieren.
Nun sagen alle Imker, die ich bisher kennengelernt habe: ohne unser Tun sterben die Bienen aus.
Das habe ich auch im letzten Jahr ständig rumerzählt und fühlte mich berufen, die Bienen zu retten.
Dann habe ich gegoogelt. Und siehe da: es gibt in Deutschland Menschen, die ihre Bienen noch niemals gegen Varroa behandelt haben. Und sie leben, gut sogar!
Vielleicht gibt es sogar noch viel mehr, die sich aber nicht outen, weil sie zu Recht befürchten, große Schwierigkeiten zu bekommen.
Was schwächt die Bienen? Natürlich die ganzen Gifte, die so großzügig auf den Acker gespritzt werden. Ganz sicher auch der Stress, dem sie als gezüchtete Hochleistungs-Honig-Produzentinnen ausgesetzt sind. Und auf jeden Fall die mehrfachen Säureeinbringungen in die Bienenvölker. Da bleibt keine Kraft mehr, sich mit einer Milbe auseinanderzusetzen.
Was wäre, wenn wir konsequent darauf verzichten würden, ihnen den Honig wegzunehmen und ihnen stattdessen Zuckerwasser anzubieten? Wenn wir aufhören würden, uns in die Auseinandersetzung der Bienen mit der Varroa einzumischen? Wenn wir stattdessen den Bienen gute blütenreiche Orte zum Leben, ausreichend Platz und bedingungslose Zuneigung geben würden? Wenn wir ihnen erlauben würden, ihren natürlichen Schwarmtrieb als Mittel der Volksverjüngung auszuleben?
Ich glaube, dann würden erst mal viele Bienenvölker sterben, aber eben nicht alle. Die Überlebenden würden sich weiter vermehren. Und dann können die Bienen uns vielleicht irgendwann mal wieder ein wenig Honig schenken.
Ja, ich weiß, die berufsmäßigen Imker wären dann am Ende.
Vorletzte Nacht auf der Station bin ich zu dem Schluss gekommen, daß ich mir Bienen als Mitbewohnerinnen wünsche und daß sie kommen werden, wenn es richtig ist.
Und weil ich von der tatkräftigen Sorte bin, habe ich die Dorfimkerin, meinen Imkerlehrer H., die Wehrführer der freiwilligen Feuerwehren von Selent und Lammershagen und den Betreuer der Schwarmbörse angerufen, um meinen Wunsch laut und deutlich in die Welt zu bringen. Außerdem habe ich die Oberträger mit flüssigem Bienenwachs angepinselt und das Bienenhaus ins Freie gestellt. Morgen rufe ich auch noch den Plöner Imkerverein an.
K. von der Schwarmbörse sagte heute: "Die Bienen sind noch nicht so richtig in Schwarmstimmung. Man muss Geduld haben."

Marie-Luise - 22. Mai, 22:39