Dienstag, 29. Dezember 2009

Raunächte

Barbarazweige
Herbst-2009-055
Katharinas WG-Katze
Herbst-2009-063
Stefan, Martin und Katharina
Herbst-2009-066
Weihnachten ist vorbei: meine Tochter und ihr Freund kamen mit der WG-Katze, die mein Bedürfnis zärtlich zu sein weckte, zwei Tage später kam auch noch mein Sohn aus Bonn angereist. Wir haben es uns gutgehen lassen, zunächst bei knackigem Frost, dann bei Schneematsch und trüben Tagen, haben uns ausgiebig beschenkt, gut gegessen (Wildschweinbraten, Rotkohl, Spätzle und selbstgebackene Plätzchen), haben Memory gespielt (Martin ist eindeutig der Memory-König), gemütlich in der Küche gesessen, gelesen und mit der Katze gespielt. Weil meine Kinder fanden, daß ich filmklassikermäßig deutliche Lücken habe, gab es dann an zwei Abenden auch noch die drei ersten Folgen von Starwars in nichtsynchronisierter Originalversion.
Ich mag es, Weihnachten auf diese Weise zu zelebrieren. Nicht umsonst ist dies eine besondere Zeit, selbst wenn der ganze christliche Überbau entfernt wird: die dunkelste Zeit des Jahres, das Bedürfnis nach süßer und kräftiger Nahrung, nach Ruhe, nach Zusammensein mit der Sippe, nach Stille, nach Wärme. Es erscheint mir ganz widersinnig, in dieser Zeit zu arbeiten. Genau das habe ich aber gestern und heute wieder getan, nachdem ich meine Kinder zum Bahnhof gebracht habe.
Katharina hat J. besucht, was nach langer Zeit wieder die Trauer darüber weckte, daß unsere Wege auseinandergingen. Einige wenige aus dem Kreis meiner FreundInnen haben kein Verständnis für die Dauer meines Abschieds und finden, ich müßte doch längst offen sein für eine neue Beziehung. Aber ich bin nicht so schnell, daß war ich nie. Ich habe mich sehr tief auf diesen Mann eingelassen und lange geglaubt, daß wir miteinander alt werden und die verschiedenen Formen der Liebe miteinander erfahren würden. So existieren in meinem jetzigen Leben Freude und Trauer nebeneinander. Heilung braucht ihre Zeit.
Jetzt habe ich meine Wohnung wieder für mich und widerstehe der Versuchung, einen Großputz zu machen. Stattdessen öffne ich meine Sinne für die Energie der Raunächte.

Samstag, 12. Dezember 2009

Alles ist da

Herbst-2009-054
In den letzten Tagen habe ich die Zeitschrift KursKontakte durchgelesen. Ich kann sie sehr empfehlen: wenn man die Kleinanzeigen auf den ersten Seiten links liegen lässt, findet man einige sehr interessante, zukunftsweisende und Hoffnung machende Artikel zum Thema: wie wollen wir leben?
Mich erfasste ein ungeheures Glücksgefühl, das mich dazu brachte, singend durch meine schöne Wohnung zu hüpfen, und ich hatte bestimmt auch eine strahlende Aura um mich herum. Ich kann gar nicht sagen, was genau passiert war. Oft scheint es mir ja in der letzten Zeit, daß diese häufigen Glücksgefühle von innen her kommen, aus heiterem - oder auch bewölktem - Himmel.
Das unterscheidet sich so deutlich von meinem früheren Lebensgefühl, das sehr vom Außen, von anderen Menschen abhing.
Ich bin einfach überzeugt, daß wir in einer ungeheuer spannenden Zeit leben, in der ganz viele wache Menschen bereit sind für ein besseres Leben, für die Heilung vom Wahnsinn des Patriarchats und des mit ihm verbundenen globalen Kapitalismus. Es gibt viele gute Ideen und den unbedingten Willen, der Liebe zu folgen, die doch unter all dem Schutt und den patriachotischen Verstümmelungen in uns leuchtet. Welche allerdings nur die Mainstreamblätter liest oder dem unsäglich langweiligen und dumpf machenden Fernsehprogramm folgt, wird eher von den alltäglichen Hiobsbotschaften vergiftet werden.
Aber jenseits davon, da gibt es sie schon, die "bessere Welt", das gute Leben. Unter dem Pflaster liegt der Strand, sagten die Anarchos und Spontis der 60er Jahre. Wir ändern nichts, indem wir bekämpfen. Dabei bleibt nur unsere Energie auf der Strecke. Außerdem macht Kämpfen uns dem Bekämpften immer ähnlicher. Wir ändern Dinge, die wir unerträglich, ungerecht, lebensfeindlich finden, indem wir anders leben und zwar erst mal mit all unseren Fehlern und Verletzungen und der Bereitschaft, sie zu erkennen und uns darauf hinweisen zu lassen.
Auf einem meiner Spaziergänge in meiner neuen Heimat kam ich durch eine Art Sumpflandschaft mit Seen und Tümpeln. Da waren Schwäne und Gänsesäger, die gleich aufflogen bzw. sich entfernten, als sie mich wahrnahmen. Und da wurde mir deutlich, daß die wilden Tiere ja immer Angst vor uns Menschen haben und das aus berechtigten Gründen. Aber eine Biologin, die mit einem Forschungsschiff in der Antarktis war, hat mir erzählt, daß die Pinguine dort nur neugierig waren. Sie wußten einfach noch nicht, wozu Menschen fähig sind.
Dazu bin ich hier: um zumindest bei mir selbst und in meinem direkten Umfeld Heilung geschehen zu lassen, indem ich mich in den Dienst der großen Felder stelle, wie Ute Schiran sie nennt.

Samstag, 5. Dezember 2009

Eingebung

Herbst-2009-046
Heute morgen wachte ich mit einer Erkenntnis auf:
Es geht darum, über das Jäger-und-Sammlerin-Bild von Männern und Frauen hinauszugehen. Denn - mal im Ernst - Jäger und Sammler gibt es in unserer Kultur schon lange nicht mehr (und ich rede natürlich schon gar nicht von den in der Regel reichen Männern, die Jagen als Hobby betreiben).
Wir leben in einer Umbruchzeit, und es scheint darum zu gehen, etwas ganz Neues zu lernen. Offen sein, lauschen auf das, was sich äußern will. Den Blick öffnen für das, was sein kann und was werden will.
Die alten Rollen sind jedenfalls schon länger nicht mehr angesagt, und das Zusammenbrechen von alten Routinen erzeugt Unsicherheiten, verständlicherweise. Aber es ist doch auch spannend, die Geburt von etwas Neuem zu erleben.
Auch auf der biologischen Ebene mußten alte Glaubenssätze abtreten: lange hat man uns ja erzählt, daß beim Befruchtungsvorgang im Bauch einer Frau die Spermien einen Wettlauf zum Ei machen, den das Stärkste und Beste dann gewinnt, während das Ei ganz still und passiv alles geschehen lässt.
Mittlerweile weiß man, daß es sich ganz anders verhält:
Das Ei kommuniziert mit den Spermien durch Botenstoffe und öffnet sich schließlich aktiv für das Spermium, das es in sich haben möchte. Der ganze Vorgang ist noch viel komplexer. Ranga Yogeshvar hat ihn in Quarks & Co vom WDR am 31.8.1999 beschrieben.
Das wirft ja auch den alten Glaubenssatz von den Männern als dem aktiven Geschlecht und den Frauen als dem passiven Geschlecht über den Haufen, mit dem ich immer schon Schwierigkeiten hatte, weil es nicht mit meiner Wahrnehmung übereinstimmte.

Mir gefällt es übrigens, daß mittlerweile ein Austausch in meinem Blog zu Stande kommt. So habe ich mir das gewünscht!

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Vollmond

Herbst-2009-051
Werte Tochter, danke für deinen Beitrag. Ja, du hast Recht, es gibt gerade unter den jüngeren Männern durchaus welche, die offensichtlich Spaß mit ihren Kleinen und Verantwortung für sie empfinden. Überhaupt hat sich einiges verändert, wenn ich mit dem vergleiche, was vor dreißig Jahren noch normal war. Und die, die alles mit dem Jäger-Argument begründen, scheinen mir die Dinosaurier unter den Männern zu sein. Es gibt ja auch welche, und die haben die "Wissenschaft" auf ihrer Seite, die das, was in unserem White-Male-System als männlich definiert wird, mit irgendwelchen Ereignissen im Hirnstoffwechsel erklären. Aber auch das ist ja wieder eindimensional gedacht und berücksichtigt nicht, daß auch der Hirnstoffwechsel wie alles in lebendigen Systemen in Resonanz mit seiner Umgebung steht. Sonst müssten sich ja die Mosuo- oder Khasi-Männer genauso verhalten wie die Weißen.
Übrigens möchte ich nicht leben wie die Mosuo, stamme ich doch aus einer Generation, in der die Töchter gelernt haben, ihre Mütter abzulehnen. Ich habe lange gebraucht, um meinen Frieden mit meiner eigenen Mutter zu schließen und den Wahnsinn, der hinter dieser Mütter-Ablehnung steckt, zu erkennen. Wahnsinn deshalb, weil wir nun mal in einem Universum leben, in dem alles, aber wirklich alles von einer Mutter bzw. einer mütterlichen Urform abstammt.
Auch werden in dem Buch über die Mosuo die Männer als sehr kindliche und auf die Anweisungen der Frauen angewiesen dargestellt. Das ist nicht das, was ich mir wünsche.
Ich glaube nicht an die Wiedereinführung des Matriarchats. Ich glaube/hoffe, daß Frauen und Männer erwachsen werden und gemeinsam Verantwortung tragen für ihr persönliches Leben und die Gemeinschaft.
Für mein persönliches Leben gilt im Moment aber: den Vollmond genießen, der in der letzten Nacht die ganze stille Landschaft mit seinem weißen Licht geflutet hat. Im Übrigen bin ich mit meiner jetzigen Lebensform sehr zufrieden.
Auf einem Hügel habe ich einen Holunder-Hain mitten in einem Lärchenwald gefunden. Von dort kann ich sogar mein Haus sehen.
Ja, alles ist da.

Samstag, 28. November 2009

Mosuo

Herbst-2009-041
Danke für die schönen Lilien, Lynn! Sie machen sich gut in der Vase, die mein Sohn mir aus dem Iran mitgebracht hat.
Von Ida habe ich das Buch "Das Paradies ist weiblich" geschenkt bekommen. Der argentinische Journalist Ricardo Coler hat es geschrieben, nachdem er das Volk der Mosuo in der chinesischen Provinz Yunnan besucht hat. Über die Mosuo habe ich bereits bei Alma mater von Heide Göttner-Abendroth und Iris Bubenick-Bauer einiges gehört und auf dem Mutter-Gipfel im Sommer 2008 einen Mosuo-Mann erlebt.
Ricardo Coler beschreibt, wie die kleinen Kinder von der ganzen Familie betreut werden. Mit Familie sind die Blutsverwandten gemeint, die alle unter einem Dach leben. Biologische Vaterschaft interessiert niemanden, es gibt sozusagen eine soziale Vaterschaft, die durch die Brüder der Mutter und sonstige männliche Bewohner eines Haushaltes ausgeübt wird. Eine Mosuo-Mutter bleibt ungefähr ein Jahr lang mit ihrem neugeborenen Kind zusammen und geht dann wieder arbeiten.
Beim Lesen dieser Passage erinnerte ich mich mit Trauer an mein erstes Jahr mit meinem Sohn. Wie sehr habe ich mich auf dieses Kind gefreut, wie sehr wollte ich es haben, und wie schwer wurde es dann, Mutter zu sein. Ich wollte meinen Sohn stillen, was Mitte der Siebziger eher die Ausnahme war. Um alles gut und richtig zu machen, las ich Bücher über Kindererziehung und den Umgang mit Säuglingen, geschrieben von männlichen Kinderärzten und Gynäkologen. Es gab damals noch nichts aus Frauenhand in meiner Umgebung! Dazu kam, daß ich zu der Zeit nicht darin geübt war, meinen eigenen Instinkten zu trauen und mich eher auf Fachleute verlassen habe. Nun, die Empfehlung dieser Bücher war, daß ein Säugling nur fünfmal am Tag gestillt werden sollte, damit er nicht verwöhnt wird. Das reichte natürlich nicht, wie sich schnell herausstellte. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Das Resultat war, daß ich mein Kind in den Nächten mit furchtbar schlechtem Gewissen habe schreien lassen - ich wollte ja alles richtig machen - und tagsüber habe ich ihn fünfmal gestillt, nicht nach seinen Bedürfnissen, sondern nach Plan.
Das klingt heute grotesk, und als 1980 meine Tochter geboren wurde, habe ich mich nach ihren und den Bedürfnissen meines Körpers gerichtet. Und ich lernte immer mehr, mich nicht mehr auf Experten sondern auf mich zu verlassen. Darin bin ich mittlerweile, was Gesundheit, Ernährung und Pflege angeht, absolut kompromisslos geworden.
Traurig war auch, daß das Muttersein für mich mit Isolation und völliger Überlastung verbunden war. Mein damaliger Ehemann kam nur am Wochende nach Hause und erwartete von mir, daß ich ihn mit guter Laune, Sex und keinerlei Ansprüchen für die sicher harten Erfahrungen bei der Bundeswehr entschädige. Ich dagegen hatte die ganze Woche fast nur mit meinem kleinen Sohn zu tun gehabt, saß ohne Auto und ohne Telefon fest in Hiltrup bei Münster und wollte am Wochende ein wenig Entlastung bei der Hausarbeit, beim Kochen und bei der Kinderbetreuung. Es gab häufig ganz furchtbaren Streit zwischen uns, und im Grunde war unser Beschluss, ein gemeinsames Kind zu bekommen, der Anfang vom Ende unserer Beziehung.
Solche Geschichten höre ich oft von jungen Paaren mit kleinen Kindern. Neulich bekam ich einen "Stern" in die Finger und las einen Artikel über die "neuen" Väter, die trotz Ursula von der Leyen immer noch wenig motiviert sind, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Ein Vater äußerte sich in etwa so: Er habe festgestellt, daß es nicht sein Ding sei, sich um seine kleinen Kinder zu kümmern, Männer seien eben Jäger und müßten nach draußen.
Was für ein Dumpfbackenspruch!
Die Vorstellung, daß sich ein ganzer Clan um die Kleinen kümmert, gefällt mir gut. Und ganz sicher geht es auch den Kindern besser mit wechselnden Bezugspersonen, die ausgeruht und gut gelaunt sind und alle etwas anderes zu bieten haben.
Ich denke viel über die Kleinfamilie nach. Sie hat sich eindeutig nicht bewährt. Es mag gelegentlich vorkommen, daß es Menschen darin gut geht, aber das scheint mir doch sehr die Ausnahme zu sein. Sie ist ja auch eine patriarchale Erfindung und wird vielleicht den Bedürfnissen der Männer gerecht, und auch das wage ich mittlerweile zu bezweifeln.
Noch bis 1977 durfte eine Ehefrau nur berufstätig sein, wenn ihr Mann zustimmte, und er konnte ohne ihr Einverständnis auch ihren Job wieder kündigen, wenn er der Meinung war, daß sie die Hausarbeit vernachlässigte. Ich bin in der Klinik noch gefragt worden, ob mein Mann einverstanden mit meiner Berufstätigkeit ist und wer ihn denn jetzt versorgt.
Gut, das hat sich mittlerweile dank uns Feministinnen geändert. Und dennoch liegt so vieles im Argen: zwei Menschen tun sich in Liebe zusammen und wollen diesen Zustand festhalten. Ob sie nun heiraten oder nicht, in dem Moment, wo sie ihren Besitz und ihren Wohnsitz zusammenlegen, verabschiedet sich peu à peu die Freiwilligkeit aus ihrer Beziehung. Die gegenseitige Versorgung mit Nahrung, Sex, Zuwendung wird mehr oder minder subtil eingefordert (heißt es nicht heute noch in irgendeinem Gesetz "eheliche Pflichten"?) und hört auf, ein Geschenk an den anderen und sich selbst zu sein. Da bleiben Lust und Liebe auf der Strecke.
Ich weiß nicht, wie ich in Zukunft meine Beziehungen zu Männern gestalten will, aber eine Besuchsehe, wie sie die matriarchalen Mosuo praktizieren, finde ich durchaus reizvoll.

Donnerstag, 26. November 2009

Hoher Meißner

Ritualplatz auf dem Hohen Meißner
Herbst-2009-035
Morgen
Herbst-2009-038
Beim Godentreffen auf dem Hohen Meißner habe ich die beglückende Erfahrung gemacht, daß Konsens möglich ist. Das Treffen war ja wegen eines Konfliktes, der nach dem ersten Termin im März entstanden war, geplant worden.
Annette hat für ein gutes Quartier gesorgt, Evelyn hat das Organisatorische gemanagt, und Dora hat eine hervorragende Moderation hingelegt. Wir haben hart und konzentriert an unserem Selbstverständnis gearbeitet, unterstützt von den Energien dieses besonderen Ortes. Es gab Zeit für ein kleines, von Annette geleitetes Ritual auf dem Berg und Singen, Schunkeln und Klönen am Abend.
Ja, eine andere Welt ist möglich! Eine feste Absicht, die Bereitschaft zu lernen und keine Angst vor Fehlern scheinen mir die Grundvoraussetzung dafür zu sein. Ich freue mich über uns Frauen und bin froh, daß ich dabei geblieben bin.
Mittwoch waren Ida und ich im Kino: "Vision - Hildegard von Bingen" von Margarete von Trotta. Der Film hat mir gut gefallen. Die Hildegard war eine Hexe, davon bin ich überzeugt. Sie hat es überlebt, weil sie vor der Inquisition lebte und den Schutzraum eines Klosters hatte.
Heute habe ich ein Fleckchen im Garten mit Kompost (stammt noch von meiner Kompostkiste auf dem Balkon) versorgt und die Walderdbeeren, die mein Kollege Niklas mir geschenkt hat, eingepflanzt. Ja, ich weiß, daß jetzt nicht die richtige Zeit dafür ist, aber im Balkonkasten wollte ich sie nicht über den Winter bringen. Außerdem habe ich Blumenzwiebeln in den Knick gesetzt, Johanniskrautsamen vom Hohen Meißner im Vorgarten ausgesät und eine Vogeltränke aufgestellt.
Beschwingt von dieser Arbeit habe ich dann noch einen kleinen Gang gemacht und mich der Landschaft vorgestellt.

Donnerstag, 19. November 2009

Geburtstag

Herbst-2009-015
Ich bin sechsundfünfzig Jahre alt geworden. Wenn ich das so schreibe, kommt mir das alt vor, aber ich fühle mich nicht so.
Ich habe niemanden eingeladen, habe nur die Glückwünsche per Telefon, Karte und Mail angenommen und mir ansonsten einen schönen Tag gemacht.
Der November ist ja ein sehr unbeliebter Monat, ich aber mag ihn. November ist die Zeit der Stürme, des Nebels, der Tiefe. Ein Lied von Ute Schiran passt dazu:

Geh und such den Stein zu finden,
geh und such dich zu ergründen,
in die Tiefe, in die Tiefe, in die Tiefe, Wanderin.

Heute morgen war der schwere Orkan vorbei, Frau Holles wilde Jagd hatte meine Altpapiertonne ausgeleert, so daß ich nach dem Aufstehen erst mal den Knick an der Grundstücksgrenze von nassem Papier befreite. Dabei hörte ich die Kraniche trompeten und freute mich darüber. Später sah ich ein Rabenpaar am Himmel miteinander tanzen und nahm es als Omen für das kommende Jahr.
Ich fuhr zum Markt nach Kiel, trank Cappucino in der Tragbar an der Holtenauer Straße und las den Spiegel.
Morgen früh fahre ich zum Godentreffen auf den Hohen Meißner, wo die Holle wohnt.

Mittwoch, 18. November 2009

Holles Brunnen

Herbst-2009-022
Am Sonntag feierten wir das Ahninnenfest am Selenter See. Es war stockdunkel, der Beifuß wollte nicht glimmen, so daß wir uns das Räuchern nur vorstellen konnten, einige unserer Kürbislampen wurden immer wieder vom Wind ausgeblasen, es regnete und war wirklich nicht einladend. Aber unsere Lichtschiffchen schwammen hinaus auf das Wasser und leuchteten geheimnisvoll.
Anschließend zeigte sich, daß meine Küche ohne weiteres mit sechs essenden, trinkenden, albernen und versaute Witze erzählenden Frauen fertig werden kann.
Passend zur Schweinegrippe schenkte mir Ida den Wildschweinkopf, der jetzt neben meiner Haustür hängt. Das akademische Personal in meiner Klinik rennt zur Impfung, das Krankenpflegepersonal nicht. Ich glaube mit Luisa Francia, daß Infektionen mit Viren, Bakterien und Pilzen Kommunikationsversuche zwischen diesen Lebensformen und unseren Immunsystemen sind. Ich bin gegen ganz wenige Krankheiten geimpft, weil das in meiner Kindheit noch nicht üblich war. Und ganz bestimmt lasse ich mich nicht gegen Grippe impfen. Alle zehn bis fünfzehn Jahre erwischt mich die sogenannte Influenza: ich liege etwa drei Tage mit über 40°C in einer Art Trance, in der etwas in mir sich mit den Viren unterhält. Und jedes Mal waren diese Infektionen so etwas wie Durchgangspforten in ein neues Lebensstadium. Es fühlt sich nicht bedrohlich, nicht unangenehm an, es ist wie ein Abstieg in eine große Tiefe. Frau Holles Brunnen fällt mir ein. Den letzten Abstieg dieser Art hatte ich Anfang 1997, das Jahr, in dem wir uns auf unseren Umzug nach Schleswig-Holstein vorbereiteten.
Apropos Frau Holles Brunnen: der Gutsverwalter war vor ein paar Tagen da und teilte mir mit, daß sich auf meinem Grundstück tatsächlich ein Brunnen befindet, den ich nutzen kann. Wie erfreulich!
Heute tobte ein ordentlicher Orkan übers Land, wehte mich nach der Arbeit durch Kiel, während ich meine Einkäufe machte. Stürme bewegen etwas in mir, wecken meine wilde instinktive Natur. Sie sind Wesenheiten, z.B. Oyá, die westafrikanische Windgöttin, der ich mich seit vielen Jahren verbunden fühle.

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