Sonntag, 12. November 2017

Auslaufmodell

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Kompost - mein Beitrag gegen den Humusschwund

Heute Morgen nach dem Nachtdienst hörte ich im Radio ein interessantes Interview mit dem Schriftsteller Ralf Bönt zum Thema #me too. Er outete sich als Fan des Feminismus und sagte sinngemäß, daß diese übergriffigen und "supermännlichen" Typen (er nannte sie "Übermänner") Auslaufmodelle sind. Die Polanskis, Strauss-Kahns, Weinsteins und Trumps scheinen die letzten ihrer Art zu sein - kein Verlust für die Menschheit. Es liegt natürlich auch an uns Frauen, ob wir uns in einer Opferrolle einrichten oder klare rote Linien ziehen, wenn Männer unsere Grenzen überschreiten.
Was ist ein sexueller Übergriff? Das kommt doch sehr auf den Mann, auf die Art der Handlung, auf die persönliche Tagesform an, finde ich.
Der Steuerberater, der mir vor den Augen meiner kleinen Tochter auf den Hintern haute und einen meiner Freunde (durch dessen Vermittlung ich zu ihm gekommen war) fragte, wie ich denn so im Bett sei, hat einen klaren Übergriff begangen. Den Freund meiner damaligen Freundin K., der mich unserer Stammkneipe höflich fragte, ob er mir mal an den Hintern fassen dürfe, da er ihn so schön fände, fand ich nicht übergriffig. Er durfte und seine Freundin fand das auch völlig in Ordnung. Wo ich gerade bei Hintern bin: auch ich habe mal einen Mann an seinen gefasst, nachdem ich ihn um Erlaubnis gebeten habe. Er gefiel mir einfach und ich war in ausgelassener Stimmung.
Vor vielen Jahren, als ich mit einem wohligen Körpergefühl und gut gelaunt durch die sommerliche Stadt ging, pfiffen Arbeiter aus einem Loch in der Straße hinter mir her. Das hat mir in der Situation gefallen und ich bin danach noch beschwingter und fröhlicher gegangen. Wenn ich einen schlechten Tag gehabt hätte, hätte sich der Pfiff möglicherweise als Belästigung angefühlt.
Ich wünsche mir im Umgang mit Männern mehr Leichtigkeit, mehr Spiel. Daß das möglich sein kann, habe ich immer wieder mal erlebt und erlebe es auch heute noch.
Neulich wurde ein Yogalehrer zitiert, der die bauchfreie Mode junger Frauen kritisierte, da sie sexuelle Gedanken/Gefühle in Männern auslöste. Er meinte, die Frauen sollten sich gut überlegen, was sie bewirken wollten. Da musste ich an die 70er Jahre und die Zeit davor denken, wo Richter in Vergewaltigungsprozessen oft der Frau den Schwarzen Peter zuschoben: "Sie waren ja auch so freizügig gekleidet".
Der Leiter einer Selbsterfahrungsgruppe konfrontierte mich mal sehr streng mit meinem angeblich zu großen Dekolleté. Ich wollte ihn definitiv nicht verführen und trug meine normale Kleidung. Er projizierte einfach seine eigenen Empfindungen auf mich.
Ich bin nicht verantwortlich für die sexuellen Empfindungen von Männern, auch wenn mein Aussehen sie möglicherweise triggert. Was sie mit dem machen, was sich in ihnen abspielt, liegt ganz und gar in ihrer Verantwortung. Und im Zweifel kann Mann fragen, ob eine Frau eine Annäherung wünscht und dann ihre Antwort respektieren.
Unsere Kultur hat eine sehr zwiespältige Haltung gegenüber Nackheit: einerseits springen uns von jedem Kiosk die Bilder von Nackten oder leicht bekleideten Frauen an, andererseits gilt eine leicht bekleidete Frau in der Öffentlichkeit immer noch häufig als eine, die vernascht werden möchte. Da sollte eine selbstbewusst genug sein ganz klar zu sagen: "Alter, nimm die Flossen weg, du bist nicht gemeint!"
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