Dienstag, 13. Juni 2017

Menschen und andere Tiere

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Baumscheibe mit Puffbohnen

Neulich blieb ich beim Surfen im Netz bei den Vorschauseiten des Buches Tiere als magische Helferwesen von Luisa Francia hängen. Da schreibt sie, was ich auch glaube, nämlich daß sich bei unseren jagenden und sammelnden Urahn*innen die Tiere als Nahrung zur Verfügung gestellt haben. Und gelegentlich haben sich auch Menschen den Tieren als Nahrung zur Verfügung gestellt.
Soweit habe ich bisher nicht gedacht! Was zeigt, daß in mir auch noch die tiefe und völlig unbewusste Prägung wirkt, uns Menschen stehe etwas zu, was anderen Wesen nicht zusteht. Es geht also um Gegenseitigkeit: da auf dieser Planetin eins vom anderen lebt, stellen alle sich auf die eine oder andere Weise irgendwann als Nahrung zur Verfügung und nicht erst nach dem Tod für die Würmer.
Wie ein Zusammenleben mit anderen Tieren möglich sein kann beschäftigt mich schon sehr lange. Wohl die meisten Gärtner*innen leben mit der Herausforderung, die die Nacktschnecken bedeuten. Ich glaube, kaum ein anderes Lebenwesen erfährt in unserer Kultur so wüste Verfolgungen wie diese völlig schutzlosen Tiere. Neulich war ich auf der Homepage eines Mannes, der mit großer Hingabe einen Insektengarten geschaffen hat. Die Idee fand ich ansprechend - gestalte auch ich meinen Garten immer mehr so, daß die kleinen fliegenden Wesen genug zu essen bekommen und es überall summt und brummt. Aber als ich dann seine Empfehlung las, die Nacktschnecken zu zerschneiden, war es mit der Sympathie vorbei. Ich behaupte nicht, daß ich das Schneckenproblem für mich völlig gelöst habe (bitte jetzt nicht wieder Empfehlungen, ich solle mir Laufenten zulegen!). Aber Töten kommt für mich nicht in Frage, natürlich auch nicht qualvolles Austrocknen mit Schneckenkorn. Wen es interessiert, dem kann ich dieses Buch empfehlen: Schneckenflüstern statt Schneckenkorn von Hans-Peter Posavac. Wichtig erscheint mir zu erkennen, warum denn die sogenannten spanischen Nacktschnecken (die, wie ich jetzt erfahren haben, gar nicht aus Spanien kommen, sondern hier zu Hause sind) sich so massiv ausgebreitet haben. Meine Vermutung: sie treten als Helferwesen der Erde auf, um die rasant schwindende Humusschicht wieder aufzubauen. Denn Schnecken sind nun mal genau wie Regen- und Kompostwürmer Humuserzeugerinnen ersten Ranges. Wenn das so ist, dann kann eine ihnen nur dankbar sein.
Neulich ging es im Gespräch um die Chinesen unter Mao Ze Dong, die die Spatzen ausgerottet haben, weil sie den Weizen gefressen haben. In der Folge gab es eine Insektenplage. Der ist man mit Giften entgegengetreten. Seitdem gibt es in einigen Regionen Chinas keine Bienen mehr, und die Obstbäume müssen von Hand bestäubt werden. Ein Kollege sagte: "Die spinnen ja sowieso."
Aber man muss gar nicht nach China schauen: was machen wir in Europa denn? Hier wird mit Glyphosat und sogenannten Pflanzenschutzmitteln gespritzt, so daß nicht nur Insekten vergiftet werden, sondern ihnen auch die wilden Blütenpflanzen fehlen, die es noch in der Landschaft meiner Kindheit gab. Hier haben wir Maismonokulturen für Biogasanlagen, aber keine Nahrung mehr für Bienen, Hummeln und Co. Also haben die Vögel nichts mehr zu essen. Vor sieben Jahren gab es noch sechs bewohnte Mehlschwalbennester am Haus, dieses Jahr nur noch zwei. Und im Winter hatte ich so wenige Vögel wie nie am Futterhäuschen. Wer spinnt also? (wobei spinnen eigentlich nicht das passende Wort in diesem Zusammenhang ist).
Seit ich einen Garten habe, stellt sich die Frage, wen ich mitessen lasse. Und was ich zu tun bereit bin, um das zu verhindern. Oder was ich zu tun bereit bin, um auf dem kleinen Flecken Erde, den ich bewohne, einen gedeckten Tisch für alle einzurichten.
Das Verhältnis zwischen Menschen und anderen Tieren ist schon sehr lange zutiefst gestört. Wenn ich mir die Höhlenbilder von Lascaux und Chauvet ansehe, erkenne ich, daß da mal ein Bewusstsein unserer engen Verwandtschaft war, daß Menschen andere Lebewesen als Ahnen gesehen haben. Und entwicklungsgeschichtlich sind sie soviel älter als wir.
Wenn wir also Tiere als Verbündete haben wollen, müssen wir einiges dafür tun. Tiere haben wenig Grund uns zu trauen, sie haben Schreckliches durch uns erlebt und erleben es noch. Und ich glaube, daß die Veränderung in erster Linie in uns selbst geschehen muss.
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