Dienstag, 4. April 2017

Bewusstsein

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Ich hatte drei Monate lang einen trockenen Reizhusten und bin schließlich zum Arzt gegangen. Nicht um mir irgendwelche Mittelchen verschreiben zu lassen, die ich dann sowieso nicht nehme, sondern um mich mal röntgen zu lassen. Denn ich war immerhin bis vor elf Jahren starke Raucherin. Laut Röntgenaufnahme ist alles in Ordnung. Meine Osteopathin äußerte die interessante These, daß es mit meinem vor einigen Jahren ausgehebeltem Schlüsselbein zu tun haben könnte. Meine bewährten Pflanzenhelfer Huflattich, Thymian und Holunder haben den Husten nicht lindern können, Königskerze nur zeitweise. Seltsamerweise hatte ich nach Jans Tod über eine Woche gar keinen Husten. Jetzt ist er wieder da, allerdings nur noch ganz selten. Aber jetzt wächst auch wieder der Spitzwegerich im Garten, in solchen Massen, daß ich das nur als Aufforderung nehmen kann. Er hat mir schon einige Male geholfen, und ich fühle förmlich, wie er meine strapazierten Bronchien besänftigt.
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Kürzlich las ich in einem Buch über Meditation, daß Menschen im Unterschied zu Tieren Bewusstsein hätten. Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Sicherheit sowas behauptet wird.
Am Wochenende las ich im Zug nach Hamburg die Süddeutsche Zeitung. Da fand ich eine Artikel über Oktopusse, in dem ganz erstaunliche Sachen berichtet wurden. Z. B. daß sie ein Gehirn haben, das sich quasi im ganzen Körper befindet und bis in ihre acht Arme hineinreicht. Ja, und Wissenschaftler haben heraus gefunden, daß die Oktopusse ein Bewusstsein von sich selbst haben. Von Säugetieren und Vögeln wusste man das schon vorher. Ich musste lachen.
Na ja, wahrscheinlich wird man demnächst wissenschaftlich beweisen, daß alle Tiere und sogar Pflanzen und Pilze ein Bewusstsein haben.
Woher kommt eigentlich dieser Drang vieler Menschen, sich von Tieren abzuheben? Ich meine, wir sind ja nun mal biologisch gesehen Säugetiere. Was ist dagegen einzuwenden?
Wenn ich mich mit einem Oktopus vergleiche, könnte ich mir vorstellen, daß er vielleicht sogar viel, viel intelligenter ist als ich, da er eine viel längere Entwicklungszeit hatte. Uns Menschen gibt es ja nun wirklich erst seit Kurzem.

Mittwoch, 29. März 2017

Lehrer und Glaubenssätze

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Im Gespräch mit meiner Freundin L. kamen wir auf die Fehler unserer Lehrer zu sprechen. Auch J. war für mich ein Lehrer. Und je länger und besser ich ihn kannte, desto unausweichlicher wurde ich auch seiner blinden Flecken gewahr. Es gab auch Reibung zwischen uns. Nein, ich rede nicht schlecht über Tote, ich sage lediglich wie es ist.
Im Laufe der Jahre habe ich Lehrer und Lehrerinnen mit ganz krassen blinden Flecken kennen gelernt. Lange hat mich das gestört: ich wollte halt an das rundherum Gute glauben.
Damit bin ich jetzt weitgehend versöhnt. Ich habe es mit Menschen zu tun, die spiegeln mir etwas spiegeln, was ich vielleicht bei mir selbst nicht erkennen kann. Manchmal fallen mir plötzlich alte Begebenheiten ein, bei denen ich mich auf eine Art und Weise verhalten habe, die ich mittlerweile doof, peinlich und beschämend finde. Ja, wir sind wohl wirklich hier um zu lernen.

Eine weiter spannende Sache sind die Glaubenssätze, mit denen wir alle ständig zu tun haben: Überzeugungen, wie die Welt, wir selbst und andere zu sein haben.
Sätze wie "er sollte...", "sie hätte...", "ich müsste..." sind nach meiner Erfahrung in der Regel Glaubenssätze. Wenn ich zum Beispiel mit der Unzuverlässigkeit einer Freundin hadere, wie kürzlich geschehen, steckt dahinter der Glaubenssatz, daß sie gefälligst zuverlässig sein sollte, sprich meinen eigenen moralischen Vorstellungen zu entsprechen hat.
Ich habe vor langer Zeit ein Seminar mit Byron Katie in Hamburg besucht, bei dem sie in einem vollen Saal "The Work" mit Menschen und deren persönlichen Glaubenssätzen machte. Dieser Tag hat mir eine Menge Aha-Erlebnisse beschert. Die meisten Glaubenssätze über das, was andere machen oder sein sollten, führen unweigerlich zu Stress. Und ich habe noch nie erlebt, daß meine Männer, Freundinnen, KollegInnen meine Vorstellungen, wie sie zu sein und zu handeln hätten erfüllt haben.
Ich mache die Selbstbefragung "The Work" nur noch selten, aber wenn, führt sie fast immer zu einer deutlichen Entspannung. Nein, ich kann nicht wissen, wie andere sich zu verhalten haben. Nein, ich kann nicht wissen, was das Beste für sie ist. Und oft hat sich im Nachhinein herausgestellt, daß ich genau diese Erfahrung brauchte, um einen Schritt weiter gehen zu können.
Wenn ich keine vorgefasste Meinung mehr habe, wie Menschen sich verhalten sollten, wird mein Geist sehr weit und frei. Dann scheint plötzlich alles möglich.

Eine andere feine Methode frei zu sein, ist Naikan. Hier werden die Beziehungen zu nahestehenden Menschen mit drei Fragen untersucht: Was hat die Person für mich getan? Was habe ich für diese Person getan? Welche Schwierigkeiten habe ich ihr bereitet?
Im Alltag ist wohl eher die Frage da: Was hat diese Person mir angetan?
Naikan hat mir soviel Frieden geschenkt wie kaum etwas in meinem Leben. Und es hat meinen Blick für das Gute in mir und in anderen Menschen weiter gemacht.
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Sonntag, 19. März 2017

Jans ist tot

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In der Nacht vom 16. auf den 17. März ist mein langjähriger Freund Jans gestorben. Ich hatte bereits über seine schwere Erkrankung berichtet.
Seine Frau, meine Freundin I. rief mich am frühen Morgen an, und ich fuhr nach Kiel. J. lag so friedlich im Bett wie er an I.s Seite gestorben ist. Ich hatte ihn zehn Tage vorher das letzte Mal lebend gesehen und mit ihm geredet. Da war er deutlich abgemagert und vertrug den Kuchen, den ich mitgebracht hatte, nicht mehr so gut. Aber geistig war er noch frisch und klar, und sein Blick war wach.
Bemerkenswert finde ich, daß er noch zwei Tage vor seinem Tod mittags gekocht hatte, wie an jeden Tag seitdem er Rentner geworden war. Erst in den letzten Tagen bekam er Probleme mit dem Atmen. Er hat keine Schmerzmittel gebraucht, auch das finde ich beachtlich. Er ist sozusagen bis fast zum Schluss aufrecht gegangen. Das entspricht ganz seinem auf völlige Autonomie bedachten Wesen.
Alles in allem ist er also gut gestorben.
Ich sagte bei der Arbeit Bescheid, daß ich nicht zum Nachtdienst käme und blieb bei I. in Kiel. Es kamen noch zwei weitere Freundinnen angereist. Wir frühstückten, dann fuhr ich nach Hause, um zu duschen und ein Suppenhuhn aus dem Gefrierfach zu holen. Damit fuhr ich wieder nach Kiel. Auch meine Tochter und die Tochter von J. kamen. Wir saßen zusammen, erzählten Geschichten, die wir mit J. erlebt hatten und lachten sehr viel. Natürlich wurde auch geweint. Ab und zu suchte eine den Toten auf. Es war eine sehr schöne Stimmung.
Als ich nachmittags noch einmal bei ihm war, wurde mir klar, daß die Seele sich nicht plötzlich aus ihrer innigen Verflechtung mit dem Körper löst, sondern daß es fortschreitend geschieht. Ebenso gibt es auf körperlicher Ebene keinen festen Zeitpunkt des Todes: nach und nach verabschieden sich die Organe. Das mag bei einem schneller gehen, bei der anderen langsamer.

J. hat Silvester zu I. und mir gesagt, er wolle uns nach seinem Tod ein Zeichen schicken. Ich dachte an zerplatzende Glühbirnen oder fallende Jalousien. Als ich abends allein in der Küche von J. und I. stand und wartete, daß das Wasser mit dem Huhn anfing zu kochen, bekam ich das Zeichen. Es kam völlig unerwartet, es kam völlig anders, als ich es mir vorgestellt hatte, und es gab keinen Zweifel.
Ich möchte an dieser Stelle noch sagen, daß Jans vor dreißig Jahren der Therapeut war, mit dessen Hilfe sich mein Leben und mein Denken um 180° gedreht hat. Durch ihn habe ich gelernt, Energien im Inneren und Äußeren wahrzunehmen. Mit seiner Hilfe habe ich die feine flimmernde Aura um meine Hände sehen können und die wabernde Energie, die aus seinem selbstgebauten Orgon-Akkumulator kam. Zwei Jahre war er mein Therapeut, seitdem waren wir befreundet. Er zog Anfang der 90er Jahre aus beruflichen Gründen nach Kiel. Ende 1997 führte das Leben auch meinen Ex-Mann J. und mich in den Norden. So waren unsere Wege seit 31 Jahren schicksalhaft miteinander verknüpft.
Danke, Jans, daß du in meinem Leben gewesen bist.
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Sonntag, 12. März 2017

Kühe und andere Tiere

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Ich habe ja immer geglaubt, die Demeter-Bauern seien die besten. Dementsprechend kaufe ich seit Jahren Milch und sehr selten Fleisch fast ausschließlich bei den freundlichen Leuten von Hof Sophienlust. Ich habe sie nie näher nach den Haltungsbedingungen für ihre Tiere gefragt. Das werde ich aber demnächst tun.
Denn im Gespräch mit meinem Imkerkollegen R. kamen wir auf das Thema, daß Kälbchen kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden und dann nie mehr an deren Zitzen dürfen, sondern mit einem Milch-Wasser-Gemisch gefüttert werden. Weil die Milch ja an die Menschen verkauft werden soll. Das machen auch Bio-Bauern, ebenso wie die meisten von ihnen ihre Kühe enthornen, also verstümmeln. R. ist Demeter-Imker. Ich fragte ihn, was denn die Demeter-Bauern mit ihren Kälbchen machen. Ich erfuhr von ihm, daß sie in der Regel zwei bis drei Tage bei ihren Müttern bleiben. Das war's dann aber auch schon. R. sagte: "Die Demeter-Bauern können sich auch nicht mit gutem Gewissen im Spiegel anschauen."
Dann erzählte er von seinem Nachbarn, der sich zusammen mit zwei weiteren Milchbauern unter dem Namen De Ökomelkburen (http://deoekomelkburen.de/) zusammengeschlossen hat. Die drei lassen die Kälbchen bei ihren Müttern bzw. Ammenkühen, alle zusammen dürfen in ihrer Herde leben, wie es Rindern nun mal wesensgemäß ist. Vorteil dieser Art von Haltung ist, daß die Muttertiere nicht so oft entzündete Euter haben, daher viel seltener Antibiotika bekommen (ja, auch Biobauern arbeiten mit Antibiotika, nur eben nicht ganz so oft und selbstverständlich wie konventionelle) und natürlich geht es Müttern und Kindern besser. Ach, und enthornt werden diese Rinder auch nicht!
Die Milch dieser Bauern ist etwas teurer. Das ist es mir wert.
Wieder was dazu gelernt!
Jetzt werde ich mit den Demeter-Leuten auf dem Markt reden und dann entscheiden, wo ich demnächst meine Milch kaufe.
Übrigens ist der Begriff konventionell für nicht ökologisch orientierte Agrarmethoden eigentlich falsch. Als ich ein Kind war, habe ich noch konventionelle Landwirtschaft erlebt: Kühe mit Hörnern, unpasteurisierte und unhomogenisierte Milch, die wir in der Milchkanne abholten, Pferde, die Pflüge und Eggen über den Acker zogen und in Garben gebündelte Roggen- und Weizenpflanzen, die auf dem Feld trockneten, bevor sie gedroschen wurden, Roggen, der auf mannshohen Halmen wuchs. Das war konventionelle Landwirtschaft.
Gifte und Kunstdünger kamen da gerade erst auf. Das, was heute als konventionelle Landwirtschaft bezeichnet wird, müsste korrekterweise Agrarindustrie genannt werden.

Wegen der anhaltenden Aufstallerei und der Massentötung von Geflügel beim geringsten Verdacht von Geflügelpest hier im Norden wollen jetzt einige engagierte Menschen vor Gericht ziehen. Das kann man nur unterstützen, finde ich. Die personelle und finanzielle Nähe des Friedrich-Löffler-Instituts auf Riems zu Massengeflügelhaltern in Niedersachsen (Wiesenhof-Eier), das die Politiker seit Jahren mit immer den gleichen Empfehlungen versorgt, lässt vermuten, wessen Interessen bedient werden. Jedenfalls nicht die der kleinen Selbstversorger-Hühner-, Enten- und Gänsehalter und schon gar nicht die der Vögel.
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Samstag, 4. März 2017

Lassenskraft

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Meine Freundin I. brachte mir einen Artikel aus der TAZ mit. In ihm ging es um einen Großhändler, der in Spanien eine riesige Finca besitzt, die er permakulturell bewirtschaften lässt. Die Zitrusfrüchte, Avocados und das Gemüse aus diesem Anbau werden in allen Real-Filialen als Permakultur-Ware deklariert und verkauft. Real kann damit ganz groß auftreten, weil grundsätzlich Permakultur ein viel radikaleres Konzept hat als Bioanbau.
Als ich den Artikel gelesen habe, wurde mir schlecht. Mag ja sein, daß dieser Unternehmer in Spanien sein Land nach permakulturellen Prinzipien gestaltet hat, also die typischen Mischkulturen mit ausdauernden Pflanzen, Waldgarten etc. Aber er lässt dort arbeiten und bezahlt nach eigenen Worten seine Arbeiter zwar besser als sonst in der Biobranche üblich; daß er aber in großem Maßstab seine Produkte mit LKW nach Deutschland karrt, hat mit Permakultur-Prinzipien nichts mehr zu tun. Und daß die Früchte bei Real genauso in Plastik eingeschweißt sind wie die konventionell gezogenen, ist in meinen Augen das Letzte. Das Allerletzte ist, daß dieser Großunternehmer in Deutschland einen fetten Schlitten für satte 70.000 Euro fährt. Alles klar?
Dieses Beispiel zeigt ein weiteres Mal, daß der Kapitalismus sich bis jetzt noch fast jede Bewegung, die eigentlich aus ihm ausbrechen wollte, zu eigen gemacht hat. So die Biobranche, die mittlerweile auch mit riesigen Monokulturen und Massentierhaltung arbeitet.
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Die Zeitschrift Oya, die ich hier gern und oft erwähne, macht zur Zeit einen Transformationsprozess durch, der genau diesen Ausgangspunkt hat, nämlich die Feststellung, daß wir alle, ob wir wollen oder nicht, der Megamaschine (so nennen sie das globale kapitalistische System) dienen. Was also tun?
In einer der letzen Ausgaben kam auf diese Frage in einem imaginierten Dialog mit der Mystikerin und Kräuterkundigen Hildegard von Bingen von ihr die Antwort: "Geh nach Hause und kümmere dich um die Bienen." Dieser Satz hat bei mir und offensichtlich bei vielen Leser*innen der Oya wie ein Blitz eingeschlagen.
Für mich heißt er: Gehe nach Hause und kümmere dich um das, was dir nahe ist - dein Haus, dein Garten, die Menschen und die mehr-als-menschlichen Wesenheiten in deinem persönlichen Feld.
Ein zweites schönes Wort, auch aus der Oya, ist die "Lassenskraft". Ausgehend von der Beobachtung, daß der Zustand unserer Gattung und derer, die wir mit unserem Lebensstil mit ins Verderben reißen, durch unser Tun, unser ständiges Eingreifen, vorgebliches Optimieren der natürlichen Ordnung und Vernichten der natürlichen Unordnung hervorgerufen und weiterhin aufrecht erhalten wird, geht es darum zu lassen.
Da kommen Fragen auf: Was kann ich lassen? Was brauche ich wirklich?
Und da stelle ich fest, daß das Lassen oftmals ein aktiver Prozess ist. Es gehört Kraft dazu, Lassenskraft, aus dem ständigen Tun und Machen auszusteigen, Fünfe gerade sein zu lassen. Für mich bedeutet das z. B., daß ich die Bienen noch mehr sich selbst überlassen werde, noch weniger eingreifen will, ihnen noch mehr zutrauen will, daß sie ihre eigenen Wege finden, mit der Varroamilbe fertig zu werden.
Mein tägliches Ritual, das ich viele Jahre praktiziert habe und das mich manchmal in völlig neue Bewusstseinräume geführt hat, ist seit einiger Zeit zu einer eher lästigen Pflichterfüllung geworden. Lange bin ich über dieses unwohle Gefühl hinweg gegangen, jetzt habe ich mich entschieden, das Ritual zu lassen. Wenn ich es nicht mehr gern mache, hat es seinen Sinn verloren.
Also nichts tun stattdessen, in die Traumzeit gehen, den Raum einfach offen halten für das, was vielleicht geschehen möchte.
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Montag, 20. Februar 2017

Die schwingenden Felder

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Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Wie wahr!

Ich möchte etwas erzählen, was ich seit Ende letzten Jahres weiß, weil das jetzt kein Geheimnis mehr ist: mein langjähriger Freund J. hat Krebs.
Silvester habe ich mit ihm und seiner Frau, meiner Freundin I. gefeiert und wir haben über das Thema Krebs und Sterben ganz unbefangen sprechen können. Dabei haben wir viel gelacht. Vielleicht klingt das für einige befremdlich. Für mich ist es hingegen genau die Art und Weise, die ich mir den Umgang mit dieser Krankheit wünsche. Und ich verfolge mit großem Interesse, wie J. mit der Diagnose Krebs umgeht.
Heute haben wir lange miteinander telefoniert, und es war einfach nur erfreulich mitzubekommen, mit welcher Offenheit und Neugier er dieser Krankheit begegnet ("der Krebs bin ich", "das letzte Abenteuer meines Erdenlebens"). Es geht ihm gut.
Für ihn war vom Moment der Diagnose klar, daß er keine der schulmedizinischen Möglichkeiten, den Tumor zu verkleinern oder zu eliminieren versuchen wird. Das finde ich einfach nur großartig! Kein Bedauern, kein Hadern, stattdessen eine solche Offenheit für dieses seltsame Treiben in seiner Bauchspeicheldrüse. Ja, er will verstehen, wie und wann und warum irgendetwas in ihm die Entscheidung getroffen hat, in Tod bringendes Wachstum überzugehen. Er sieht den Krebs nicht als Feind - dann sähe er ja einen Teil von sich selbst als Feind - sondern als eine Möglichkeit Neues über sich herauszufinden.
Die Schulmedizin prognostiziert bei dieser Art von Krebs einen relativ schnellen Tod. Sie mag Recht haben, aber ihm geht es darum, sich die verbliebene Zeit, ob sie nun Monate oder Jahre beträgt, schön zu gestalten.
Wen es interessiert, in seinem Blog schreibt J. einiges zu diesem Thema: https://www.selbsterkenntnis-eigensinn.de/blog/
Ich habe in den letzten Jahren mit so vielen an Krebs erkrankten Menschen zu tun gehabt - einige sind gestorben, einige leben und haben die Krankheit als Aufforderung genommen, ihr Leben neu zu gestalten - und weil ich gern in Analogien denke, ist mir diese Idee gekommen:
Die Krebserkrankungen nehmen deutlich zu. Ich sehe da auf globaler Ebene eine Synchronizität zum vorherrschenden Wachstumsparadigma, das ja eine globale Form von Krebs ist - mit tödlichen Folgen für unsere eigene und andere Gattungen. Ich halte es für möglich, daß der Umgang mit einer persönlichen Krebserkrankung uns etwas über den Umgang mit der globalen Krebserkrankung des unbegrenzten Wirtschaftswachstums lehren kann.
Eine Gewissheit habe ich im Laufe meines Lebens gewonnen: wenn ich gegen etwas kämpfe, geht es mir schlecht. Wenn ich für etwas kämpfe, kommt Unterstützung aus den Bereichen, die Ute Schiran so schön "die schwingenden Felder" genannt hat.
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Mittwoch, 15. Februar 2017

Sonne

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Heute Morgen fuhr ich durch die weiß bereifte ostholsteinische Landschaft nach Oldenburg zur jährlichen Zahnreinigung. Ich fuhr in den Sonnenaufgang hinein, sah wie der riesige orange leuchtende Stern über den Horizont stieg und fühlte eine große Dankbarkeit für die Schönheit und die Magie, die mich umgibt. In der Zahnarztpraxis war es hell und freundlich wie immer, wir lachten über irgendwas.Auf dem Heimweg kaufte ich in Lütjenburg auf dem Wochenmarkt ein ziemlich leckeres Croissant - Erinnerung an meine vielen Frankreich-Aufenthalte. Im Radio hörte ich, daß das Land Schleswig-Holstein beschlossen hat, keine Geflüchteten aus Afghanistan abzuschieben.
Zu Hause gab es Frühstück und einen Artikel von Stephen Buhner über "Deep Diagnosis in the Practice of Sacred Plant Medicine".
Als die Sonne direkt auf die TBHs schien, fingen die Bienen an zu fliegen. Am schönsten ist das Summen!
Nachmittags ging ich nach Selent und erfuhr von einer meiner Schülerinnen aus Afghanistan, daß ihre Familie den Asylantrag bewilligt bekommen hat. "I'm very happy", sagte sie.
Was für ein schöner Tag!
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Ach, und Jan Koberstein vom Schmoeler Hexenstein hat was geschrieben, was mir gut gefällt:
http://www.hexenstein-schmoel.de/index.php/essays

Montag, 13. Februar 2017

Verständigung

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Früher habe ich geglaubt, je präziser ich mich ausdrücke, desto besser werde ich von anderen Menschen verstanden. In den letzten ein, zwei Jahren meiner zweiten Ehe schien keine Verständigung mehr möglich: was ich sagte, wurde auf eine Art und Weise aufgenommen und wiedergegeben, die nichts mit dem zu tun hatte, was ich gesagt hatte. Es war, als sprächen wir zwei völlig unterschiedliche Sprachen. Das brachte mich zur Verzweiflung, und irgendwann resignierte ich. Es war für mich umso schlimmer, als ich meinen Ex-Mann lange Jahre als einen erlebt hatte, der ein feines Gespür für Untertöne und Ungesagtes hatte und ich fühlte mich oft sehr verstanden. Das war alles vorbei.
Natürlich weiß ich, daß wir auf viel mehr Ebenen als der des Hörens von Worten wahrnehmen und daß Körpersprache, Stimme, Blick und Ausstrahlung eine viel größere Rolle spielen als Sprache.
Ich bin sehr fasziniert, wie meine Katze sich verständlich macht. Sie hat ein sehr feines Stimmchen, mit dem sie mir klar macht, daß sie den Napf gefüllt bekommen möchte, daß ihr das angebotene Essen nicht genehm ist oder daß ich ihr die Tür öffnen soll. Manchmal sitzt sie vor mir und sieht sie mich nur an, dann weiß ich, daß es Zeit für einen Schluck Sahne ist.
Neulich telefonierte ich mit meiner Tochter und wollte ihr etwas aus einem Buch vorlesen. Ich fing an, und Skadi kam, setzte sich auf die Seite und sah mich an. Ich schob sie zur Seite und fing wieder an zu lesen. Skadi setzte sich erneut auf die Seite und sah mich an: du sollst dich jetzt mit mir befassen.
Später saß ich am Laptop und Skadi setzte sich auf meinen Schoß. Dann sprang sie auf die Tastatur und ließ sich dort ganz gemütlich nieder. Das Bild drehte sich auf die linke Seite.
Jetzt fühlte ich mich genötigt, mich ihr gegenüber klar zu äußern. Ich schimpfte und setzte sie auf den Boden. Dann brauchte es einige Zeit und die telefonische Hilfe meiner Tochter, das Bild wieder so zu drehen, daß ich es ohne schief gelegten Kopf erkennen konnte.
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