Dienstag, 15. März 2011

Urania

Lichtmess-2011-081
Wenn ich mir die Amateurfilme im Netz von der Tsunami-Welle ansehe, die alles durcheinanderwirft, wegrasiert, unterpflügt, und ich mir dabei bewußt bin, welch furchtbarer Schmerz damit verbunden ist, wenn Menschen auf diese Weise alles verlieren, woran ihr Herz hängt, dann würgt es mich.

Angeregt durch eine Mail von Ute Schiran habe ich begonnen, anders als bisher über die radioaktive Strahlung nachzudenken, die jetzt unaufhaltsam aus den japanischen AKWs austritt. Es ist ein Versuch und noch lange nicht zu Ende gedacht, schon gar nicht gefühlt. Trotzdem möchte ich meine bisherigen Gedanken schon mal zugänglich machen:
Uran ist ein unschuldiges Erz, das Jahrmillionen in Fels gebettet in der Erde geschlummert hat. Indigene Völker haben um strahlende Orte auf der Erde gewußt und sie mit Respekt und angemessenem Abstand behandelt, z. B. die australischen Aborigines.
Dann kamen weiße europäische Wissenschaftler auf die Idee, das schlafende Erz aus seiner Wohnung im Stein zu lösen und es für sich arbeiten zu lassen (weil es so schön strahlt, weil mit seiner Hilfe nicht zu stoppende Kettenreaktionen erzeugt werden können, weil es für Zerstörung größter Ordnung benutzt werden kann, weil man mit seiner Hilfe Elektrizität erzeugen kann). Übrigens ist es eine gigantische Lüge, wenn Atomstrom als sauberer CO2-neutraler Strom hingestellt wird. Die Errichtung eines Atomkraftwerkes verursacht 20 Millionen Tonnen C02, das Auslösen von Uran aus Felsen erzeugt eine gewaltige Menge strahlenden Müll, der nicht unschädlich entsorgt werden kann, von der ungeklärten Endlagerfrage mal ganz zu schweigen (alles verständlich beschrieben in dem Buch "Leben ohne Erdöl" der indischen Physikerin Vandana Shiva).
Zurück zu Uran: es ist geweckt worden, es arbeitet für unseren Strom in den AKWs, und bevor es das tat, wurden mit seiner Hilfe mal eben zwei Städte ausradiert, ironischerweise auch in Japan - Hiroshima und Nagasaki.
Nun ist also der größte anzunehmende Unfall passiert - und passiert noch - in Kettenreaktion auf ein Beben, das sich nicht an menschliche Vorgaben gehalten hat, und eine radioaktive Wolke breitet sich aus. Und wie vor 25 Jahren nach der Explosion von Tschernobyl haben Menschen Angst.
Wie wäre die Vorstellung, diese gewaltige Kraft anzuerkennen als das was sie ist, nämlich größer als wir selbst und mit dem Potential begabt, alles zu ändern, was uns bisher fest und sicher erschien. Ein Anfang ist ja bereits geschehen: unsere Regierung will jetzt plötzlich für drei Monate die Laufzeitverlängerung der deutschen AKWs aussetzen. Das mag Wahlkampftaktik sein oder nicht, ist mir jetzt gerade ziemlich schnuppe, aber wir sehen, daß etwas in Bewegung kommt.
Nein, diesen Geist bekommen wir nicht mehr in die Flasche zurück, mit dem müssen wir jetzt leben.
Ich bin gespannt, was ich in meinem derzeitigen Aggregatzustand als Inkarnierte (übersetzt: Eingefleischte), noch alles erleben und dazu lernen kann.

Mögen die japanischen Menschen bekommen, was sie jetzt brauchen, um ihr Leben neu und schön zu gestalten. Möge die Menschheit den notwendigen und unausweichlichen Veränderungen der Erde keinen Widerstand entgegensetzen.
Luisa Francia glaubt in ihrem Blog(http://www.salamandra.de/tagebuch/start.php), die Erde hätte genug von uns. Das finde ich allerdings eine gewagte Behauptung. Was die Erde will oder nicht, kann ich nicht wissen.
Lichtmess-2011-080

Samstag, 12. März 2011

Erddrachen in Bewegung

Meine Tochter ruft mich an. Sie findet die Anhäufung von Naturkatastrophen bedrohlich. Beben in Haiti, Chile, China, Japan. Was kommt als nächstes? Und was ist mit der Explosion im japanischen Atomreaktor? Kann es für uns gefährlich werden?
Sie war fünf, als der Reaktor von Tschernobyl in die Luft flog und radioaktiver Fallout über großen Teilen von Europa niederging. Sie konnte nicht verstehen, daß die Kindergärtnerinnen das Spielen im Sand verboten. Man sah doch nichts, fühlte doch nichts. Aber sie fühlte die Angst der Erwachsenen, die Ratlosigkeit.
Ja, die Ratlosigkeit gab es auch in Tschernobyl, als das passierte, worauf man nicht vorbereitet war, und dann gingen Tausende Feuerwehrleute und Soldaten ohne Schutzkleidung zum Löschen und in den Strahlentod. Und jetzt zeigt sich die Ratlosigkeit in Japan, dem Land, das vielleicht am besten auf Erdbeben und die Folgen eingerichtet ist.
Im Fernsehen auf der Station erfuhr ich, daß die japanischen Atomkraftwerke nur für Erdbeben der Stärke Sieben auf der Richter-Skala eingerichtet sind. Dieses Beben hatte eine Stärke über Acht.
Im Gespräch mit Marietta Slomka vom ZDF dreht und wendet sich der Bundesumweltminister Röttgen, gibt keine Antworten auf die deutlichen Fragen von Frau Slomka, redet vorbei, redet in Worthülsen, sagt eigentlich gar nichts. Er ist ja auch Politiker: viele Worte, keine Aussage. Übrigens hatte er bei dem Gespräch auch keine Mimik, als trüge er eine Maske.
Er schwafelt von Sicherheit, dreimal in einem Satz höre ich dieses Wort aus seinem Munde. Welche Sicherheit? Seit wann sind Atomkraftwerke sicher?
Frau Merkel sagt, man könne aus der japanischen Katastrophe lernen. Was, sagt sie nicht. Ich hätte da eine Idee: Atomkraftwerke ausschalten! Aber das geht ja nicht, denn dann sind RWE, Vattenfall und Eon böse auf sie.
Nach alter Vorstellung stammen die Kräfte in der Erde, die Beben verursachen, von den Erddrachen, den unterirdischen Kräften, die von Menschen nicht beherrschbar sind: Tiamat, Tahom, Lindwurm und wie sie alle heißen. Ich habe ein inneres Bild, wie die alten Drachen aufwachen, sich dehnen und strecken, schütteln und laut und herzhaft gähnen.
Unabhängig voneinander glauben viele, daß die Erde sich in einem gewaltigen Transformationsprozess befindet. Susun Weed sagt zum Beispiel, daß die Erde sich in den Wechseljahren befindet. Nicanor Perlas Analogie von den Imagozellen, die grundlegende Wandlung bewirken, habe ich bereits an anderer Stelle zitiert.
Was kann eine kleine Laus wie ich im Pelz der Erde tun? Für mich heißt die Antwort auf diese Frage: so gut wie möglich leben, jetzt und in jedem Moment. Radikal ehrlich mit mir selbst und anderen sein, achtsam mit allen Wesen in meinem Umfeld, dankbar für die täglichen Geschenke des Lebens und lachen, tanzen und mich freuen.

Hallo Jutta, danke für dein ausführliches Posting. Ja, wahrscheinlich zahlt nicht nur Erdkorn Hungerlöhne in der Biobranche. Ich kannte eine Bioladen-Besitzerin, die tagein, tagaus in ihrem Laden schuftete.Sie sagte mal zu mir: "Urlaub, was ist das?" Sie hatte gerade das Nötigste zum Leben. Und die Marktbeschicker aus dem Bio-Sektor schwimmen auch nicht im Geld, um es mal zurückhaltend auszudrücken.

Betreffend die drohende Übernahme von Hess Natur: Unter folgendem Link gibt es nähere Infos, wie es überhaupt dazu kommen konnte und was die Mitarbeiter der Firma zusammen mit dem Netzwerk Attac planen, um die Übernahme abzuwenden - http://www.taz.de/1/zukunft/konsum/artikel/1/hessnatur-wehrt-sich-gegen-ausverkauf/
Die Gründung einer Genossenschaft finde ich eine unterstützenswerte Idee, zumal Hess Natur der einzige Öko-Textil-Anbieter ist, der ganz konsequent ökologische und fair gehandelte Kleidung verkauft. Ja, sie sind teuer. Aber das ist relativ: die Klamotten von Tchibo, H&M und wie sie alle heißen sind billiger, dafür kann eine sie aber nach ungefähr drei Monaten wegschmeißen. Meinen Alpacawollmantel von Hess Natur trage ich nun schon den sechsten Winter und bekomme immer noch anerkennende Kommentare dafür. Wahrscheinlich ist das, was so viele Menschen teuer nennen, einfach nur der angemessene Preis.

Donnerstag, 10. März 2011

Flexible Systeme

Lichtmess-2011-078
Aus der neuen Oya erfahre ich, daß der Öko-Textilhersteller Hess-Natur von der amerikanischen Carlyle Group übernommen werden soll. Die Carlyle Group steckt dick im Rüstungsgeschäft. Jetzt gibt es Initiativen der Mitarbeiter und Kunden von Hess Natur, die Firma in eine Genossenschaft umzuwandeln, um den Ausverkauf abzuwenden.
Heute habe ich erfahren, daß der Biodiscounter Erdkorn seinen Mitarbeitern einen Stundenlohn von 7 Euro brutto bezahlt. Erdkorn hat mittlerweile in Kiel das Monopol. Alle anderen Bioläden sind eingegangen. Es gibt Genossenschaftsläden, die aber für mich nicht in Frage kommen, weil meine Einlage das übersteigen würde, was ich monatlich an Geld im Bioladen lasse. Ich besorge nämlich das meiste auf dem Markt, einfach weil ich Märkte schon immer geliebt habe.
Was haben beide Geschichten miteinander zu tun?
Johannes Heimrath schreibt in der Oya, daß das kapitalistische System gelernt hat, flexibel auch auf Protest- und Alternativbewegungen zu reagieren. Das waren zur Zeit von '68 noch ganz anders: damals stand uns das Gesellschaftssystem als monolithischer Block gegenüber.
Von den liebenswürdigen Bioläden der Pionierzeit ist wenig übrig geblieben. Mittlerweile gibt es Discounter auch in der Bioladenbranche, die Aldi, Schlecker und Lidl in puncto Mitarbeiter-Ausbeutung in nichts nachstehen.
Ich weiß noch nicht, was das für mich konkret bedeutet: natürlich möchte ich nicht weiter mein Geld bei Erdkorn lassen (hab mich eh nie wohl gefühlt in diesem Laden). Aber ich will auch nicht 12 km nach Lütjenburg mit dem Auto fahren, nur um meine Hirse, Nüsse und Hülsenfrüchte im dortigen Bioladen zu kaufen.
Sollte Hess Natur wirklich übernommen werden, dann werde ich dort kein einziges Kleidungsstück mehr kaufen. Aber auch da fehlen mir leider die Alternativen, denn alle anderen, die sich Öko-Textilhersteller nennen, erfüllen längst nicht alle Kriterien, die ich für notwendig halte, z.B. fairen Handel.
Andrerseits: wenn das System gelernt hat, flexibel zu sein, dann bin ich es auch. Und nicht nur ich, sondern viele Menschen, die einfach ganz klar wissen, daß es so nicht mehr weitergehen soll, kann und wird. Wir werden also neue Möglichkeiten finden. Eine davon zeichnet sich für mich immer deutlicher ab: sehr genau zu überlegen, was ich wirklich brauche, immer weniger zu kaufen, Dinge zu recyceln, Second Hand-Läden in Anspruch nehmen, Sachen selber nähen.
Was ist wirklich wichtig?

Dienstag, 8. März 2011

Internationaler Frauentag

Lichtmess-2011-023
Fluse, die WG-Katze

Unsere Stationsärztin gratulierte uns heute morgen zum Internationalen Frauentag. Sie kommt aus der ehemaligen Sowjetunion und erzählte, daß das dort ein gesetzlicher Feiertag ist, an dem die Frauen frei haben und daß ihr Mann ihr an diesem Tag Blumen schenkt. Mich hat das angerührt, besonders die Geste des Gratulierens: ich fühlte plötzlich so etwas wie Schwesterlichkeit, Würde, auch eine Art von Stolz, weil wir Frauen uns in 100 Jahren soviel erkämpft haben. Ja, es stimmt, was Antje Schrupp vor einigen Jahren bei Alma mater gesagt hat: die Frauenbewegung ist bis jetzt die einzige erfolgreiche soziale Bewegung.

Als junge Frau habe ich mich wie so viele andere als Opfer der Gesellschaft, der Männer empfunden. Das war damals eine sehr ungemütliche Zeit, in der ich im Krieg mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, dem männlich-chauvinistischen Denken und oft genug auch mit mir selbst lag. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, daß ein sicheres Gefühl für die persönliche Würde der beste Schutz vor Übergriffen ist. Und ein Kampf gegen irgendetwas scheint mir immer Energieverschwendung zu sein. Lieber lache ich, tanze ich und freue mich daran, daß ich mich in einem weiblichen Körper inkarniert habe.
In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Mädels, alle Kraft ist bei uns!

Freitag, 4. März 2011

Ausflug

Lichtmess-2011-027
Heute machten Dorothee und ich eine Ausflug nach Hamburg, um uns die Ausstellung "Götter, Götzen und Idole" anzusehen. Den Titel finde ich ziemlich bescheuert, die Exponate waren interessant. Viele der kleinen Figuren kannte ich von Abbildungen, vor allem aus den Büchern von Marija Gimbutas, die sich so gründlich und schlüssig mit der Symbolsprache beschäftigt hat. Sie wurde übrigens in der Ausstellung mit keinem Wort erwähnt. Besonders anrührend fand ich die kleinen Marmorstatuetten von den Kykladen mit ihren vor den Solarplexus gelegten Armen. Ich bin auf den Inseln gewesen, von denen sie kommen - da wurden soviele Erinnerungen wach.

Anschließend besuchten wir das Golden Temple Teehaus an der Grindelallee. S. hatte gestern abend beim Yoga davon erzählt, guter Tipp. Leckere kleine Currygerichte und köstliche Süßigkeiten, angenehme Atmosphäre, moderate Preise und eine überaus freundliche und umsichtige männliche Bedienung.
Lichtmess-2011-053
Englisches Frühstück im Café Malik in Münster

Dienstag, 1. März 2011

Allgäu

Lichtmess-2011-057
Ich war wieder auf Reisen: zwei Tage in Münster bei Eltern und Tochter, dann eine Woche im Frauenhof im Allgäu mit Ute Schiran. Ich versuch schon gar nicht mehr zu beschreiben, was wir Frauen da gemacht haben, denn es entzieht sich einfach jeder Schilderung. Eine muß es erleben. Nur soviel: dieses Mal haben wir in den ersten Tagen geschwiegen. Daß eine, die so gern und viel redet wie ich, sich leicht tut im Schweigen und es sogar genießt, verwundert vielleicht die eine und den anderen, ist aber so. Interessant war auch, daß ich in der Schweigezeit das hervorragende vegetarische Essen von Gabriele noch mehr genießen konnte und gleichzeitig weniger aß. Ich war viel draußen, habe Rehe aus der Nähe gesehen, und an einem klaren Tag zeigten sich auch die Alpen. Am Berghang wuchs massenweise Bärlauch und trotz Schnee lag schon Frühlingsstimmung in der Luft.
Hier im Norden ist es dagegen noch sehr kalt.
Wir sprachen über die Aufstände im arabischen Raum. Ute bezeichnet die Haltung vieler Westler als Kolonialismus: wir bilden uns ein, wir wüßten, was für die Frauen in Afghanistan, im Iran, in Algerien usw. gut und richtig ist. Tatsächlich können die Frauen dort nur selbst herausfinden, wie sie leben wollen. Wer sagt denn, daß unsere Lebensweise die einzig Wahre und Gute ist? Und um eines beneide ich die dortigen Frauen sehr: sie haben eine eigene weibliche Kultur, die sich in ihren Tänzen, in ihren gemeinsamen Aktivitäten zeigt. Ich habe das vor vielen Jahren bei einer türkischen Freundin erlebt: das Feiern und Tanzen, das gemeinsame Essen und die ganz spezielle Erotik, die entstehen kann, wenn Frauen unter sich sind.
Erotik ist ein Lebensmittel, sagt Ute in Anlehnung an die verstorbene afroamerikanische Dichterin Audre Lorde. Sexualität ist nur ein Splitter davon. Es geht um größtmögliche Lebendigkeit.
Lichtmess-2011-033
Martin, Katharina und ich auf dem Spielplatz
Lichtmess-2011-040

Donnerstag, 17. Februar 2011

Wölfe

Lichtmess-2011-008
Im Radio gab es eine Sendung über die Wölfe in Brandenburg. Die Biologin, die diese Tiere erforscht, räumte ein hartnäckiges Vorurteil aus: es war ja lange Zeit "wissenschaftlich bewiesenes" Allgemeingut, das es in Wolfsrudeln eine Hierarchie mit Alpha-Wolf und Alpha-Wölfin und "Untertanen" (so nannte die Radio-Moderatorin das tatsächlich) gibt. Weit gefehlt! Die neueren Beobachtungen zeigen, daß es sich bei Wolfsrudeln um Familienverbände handelt: Mutter und Vater Wolf, einjährige und ganz junge Welpen. Ab einem bestimmten Alter trennen sich die jungen Wölfe von ihrer Familie und suchen eineN PartnerIn für eine neue Familie.
Die Sache mit den Alpha-Wölfen entstand durch Beobachtung von in Gefangenschaft lebenden Wölfen, die für ihr erzwungenes Zusammensein neue Regeln finden mußten.
So ist das mit der Wissenschaft: eineR sieht immer das, was sie/er kennt. Wer also aus einer Gesellschaft stammt, die aus Herrschern und Beherrschten besteht, der wird dieses Muster auch bei Tieren sehen.
Interessant ist auch immer, wie unterschiedlich Beschreibungen ein und derselben Sache ausfallen, je nachdem, von welchem Standpunkt aus sie angesehen werden.
Ich nahm mal an einem Überlebenstraining für Frauen in Schweden teil. In unserer Gruppe gab es auch zwei Journalistinnen. Die eine machte alles mit und schrieb im Anschluss einen positiven Bericht über unsere gemeinsame Zeit. Die andere wollte sich das Training "von außen" ansehen. Sie machte nur einige wenige Sachen mit und blieb uns allen fremd. Sie schrieb hinterher eine ziemlichen Verriss über das Training in der Süddeutschen Zeitung. Schade für sie.
Aber zurück zu den Wölfen. Ich freue mich ja über jeden Wolf, der in Deutschland lebt. Aber da gibt es viele, die schon wieder vom Einfangen und Töten reden, weil Wölfe sich auch Tiere von der Weide holen. Die Biologin sagte, ein guter Elektrozaun könne das verhindern.
Wie schwer scheint es zu sein, sich mit den wilden Tieren, die mit uns diesen Planeten bewohnen, zu arrangieren.
Der Glaube, daß eine Gesellschaft aus Herrschern und Beherrschten bestehen muß, ist wohl genauso verbreitet wie der Glaube, daß wir Menschen das selbstverständliche Recht haben, uns gegenüber den Tieren immer und überall an die erste Stelle zu stellen. Neulich erzählte mir eine Frau, daß sie ein Elsternnest aus einem Baum entfernt hätte, weil die Vögel auf ihr Auto gekackt hätten. Solche Geschichten lösen eine große Traurigkeit in mir aus. Das Auto mal für die Dauer der Brutperiode woanders parken wäre doch vielleicht auch eine Option gewesen. Ich weiß, daß ich dieser Frau keinen Vorwurf machen kann: sie denkt so wie die meisten Menschen.
In einem Gespräch erwähnte ich, daß ich keine Kleidung aus Seide mehr kaufe, weil ich es abartig finde, daß für deren Herstellung unzählige Seidenraupen getötet werden (Ähnliches gilt für roten Lippenstift und Nagellack). Eine Bekannte sagte: "Aber dafür werden die doch gezüchtet." Ja, macht es das denn besser?
Aber ich muß auch zugeben, daß ich früher Seide getragen und Lippenstift und Nagellack benutzt habe. Bis ich mich näher mit dem Thema befasst habe.

Astrid schreibt in ihrem Blog (http://frauenstolz.blogspot.com/) einen schönen Text über den Winter in Portugal. Sie spricht von Seelenlandschaften. Das Wort spricht mich an: Seelenlandschaften sind Landschaften, in denen ich mich verwurzeln kann. Es hat einige solcher Landschaften in meinem Leben gegeben: der Solling, das Münsterland, die Region um Carnac in der Bretagne, das Périgord, Naxos und Amorgos, der finnische Teil von Lappland und die ostholsteinische Hügellandschaft. Es gibt eine Art Zwiegespräch zwischen mir und einer Landschaft, vielleicht sollte ich das besser Korrespondenz nennen. Ein Wald, ein Hügel, ein Felsen sprechen mich an: manchmal ist es wie ein Erinnern, ein Wiedererkennen.
Alles lebt, alles fühlt, davon bin ich überzeugt.

Dienstag, 15. Februar 2011

Was haben Gewohnheiten mit Wohnen zu tun?

Jule-078
Liebste Astrid, ich halte Gewohnheiten durchaus für sinnvoll und bin weit davon entfernt, sie alle ablegen zu wollen. Nicht umsonst findet sich auch das Wohnen in Gewohnheiten wieder (ach, ich liebe die deutsche Sprache). Gewohnheiten helfen mir, mich wohnlich in meinem Leben einzurichten, nicht mehr über jede Verrichtung nachdenken zu müssen.Viele Gewohnheiten machen das Leben leichter.
Und dann kommt im Leben immer mal wieder der Moment, in dem alte Gewohnheiten nicht mehr greifen, nicht mehr nützlich sind. Da entsteht eine Leere, eine neue Möglichkeit, ein Innehalten, ein Angebot des Lebens, sich neu zu entscheiden. Das finde ich spannend.
Übrigens, Holzwurm, ich trinke immer noch Milch in meinem Kaffee, werde aber demnächst beim Demeter-Bauern anfragen, wie sie es mit den Kälbchen halten.

Ich habe auf YouTube die Ur-Version von "Morning Dew" von Bonnie Dobson gehört. Ganz zauberhaft! Ich kannte das Lied bisher nur in der gecoverten Version von den Einstürzenden Neubauten und fand es da schon großartig mit seiner Eindringlichkeit und dem treibenden Rhythmus. Aber jetzt weiß ich endlich, daß es nicht der Dialog eines Liebespaares ist, sondern ein Lied über den finalen Atomschlag, sozusagen ein Kalter-Krieg-Lied.
Wie lange ist sie schon her, diese immer vorhandene Angst vor genau diesem Atomschlag, mit der meine Generation von Kindheit an gelebt hat. Ende der 80er Jahre verschwand dann die Angst. Die Atomwaffen sind noch da, aber kaum einer redet darüber. Und in ihren geheimen Laboren basteln die Todes-Ingenieure schon längst an neuen, noch gruseligeren Waffen.
"Morning Dew" von den Neubauten ist in meiner Erinnerung verbunden mit einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung, deren zeitliche Begrenzheit ich von Anfang an sah. Es tut mir leid, K., aber es lagen Welten zwischen uns, nicht nur was die Wahl unserer Rauschmittel anging. Ich behalte diese Zeit in vorwiegend guter Erinnerung: war es vielleicht das erste Mal, das ich mich ganz bewußt dem gewaltigen Strömen des Lebens in meinem Körper hingab. Und Dank an dich, K., daß du damals da warst.

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