Dienstag, 20. Februar 2018

Kummer

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Meine liebe kleine Skadi ist tot. Sie ist nur drei Jahre und sieben Monate alt geworden.
Es fing am vorletzten Dienstag mit einem klagenden Laut an, den ich noch nie von ihr gehört hatte. Ich konnte aber nicht erkennen, was sie hatte. Sie verließ abends mit mir zusammen das Haus. Als ich morgens vom Nachtdienst kam, begrüßte sie mich nicht wie sonst vorm Haus oder im Flur, sie war auch offensichtlich die ganze Nacht nicht da gewesen. Da bekam ich Angst. Vor einem Jahr ist der Kater einer Nachbarin an Rattengift gestorben. Leider hält sich bis jetzt der Verdacht, daß eine Person aus dem Dorf ihre Hände im Spiel hatte.
Auch mittags war Skadi nicht da. Nachmittags ging ich auf die Suche und fand sie bei M. im Schuppen. Seltsamerweise hatte sie auf den Boden gepinkelt, obwohl sie den Schuppen hätte verlassen können. Sie begrüßte mich, wollte aber nicht mitkommen und wirkte irgendwie verstört. Ich ließ sie in Ruhe, darauf vertrauend, daß der Hunger sie nach Hause treiben würde. Aber sie kam auch in der nächsten Nacht nicht zurück. Am frühen Morgen ging ich mit der Futterdose rüber und fand sie im Carport von M. Dort hatte sie bei eisiger Kälte wohl die ganze Nacht ausgeharrt. Sie fraß gierig aus meiner Hand und folgte mir bzw. der Futterdose nach Hause. Sie wirkte noch verwirrt, kam immer wieder zu mir und sagte mit ihrer leisen Stimme "Mi". Irgendwann fiel mir auf, daß ihr große Mengen Speichel vom Mäulchen tropfte und sie etwas benommen aussah. Als ich nachmittags aus Kiel zurückkam, hatte sie einen epileptischen Krampfanfall: dabei zuckte ihr Schnäuzchen, die Zähne klickten, ihr Hals war überstreckt, die Pupillen riesengroß und starr und wieder tropfte Speichel. Danach benahm sie sich jedoch normal, zeigte auch Interesse an ihrer Umgebung und fraß mit gutem Appetit. Ich machte mir Sorgen.
Nachts muss sie einige dieser Anfälle gehabt haben: ich fand am Morgen die Speichelspuren auf dem Teppich und meine Bettdecke hatte einen feuchten Urinfleck. Ich war so ratlos. Ich hatte schon das Internet durchgeforscht, was mir nicht wirklich weiterhalf. Also saß ich, Skadi auf meinem Schoß, und bat meine Helferwesen um Hilfe für Skadi und mich. Nach einem weiteren Anfall, der den ganzen Körper erfasste und sie verwirrt in einer Urinlache zurückließ, rief ich die Tierärztin an und fuhr dann mit Skadi zu ihr.
Die Ärztin untersuchte die Kleine von Kopf bis Fuß: Pupillenreflexe, abhören, Bauch abtasten, Fiebermessen, Zähne und Rachen ansehen. Skadi ließ alles überraschend gut mit sich machen. Zum Schluss sagte die Ärztin: "So ein gesundes Tier!" Kein Anzeichen für eine Vergiftung oder Verletzung. Ja, aber die Anfälle!
Ich fuhr wieder nach Hause. Abends rief die Ärztin an und äußerte die Vermutung, daß Skadi einen Vitamin B1-Mangel habe. Das glaubte ich nun nicht: eine Katze, die reichlich Mäuse fängt und futtert und zusätzlich mit frischem Rinderherz und gelegentlich Trockenfutter gefüttert wird, hat bestimmt keinen Vitamin B1-Mangel. Aber ich war damit einverstanden, Vitamin B1 versuchsweise spritzen zu lassen. Die Tierärztin kam am nächsten Tag vorbei, gab ihr eine Injektion und äußerte die Hoffnung, daß die Anfälle ganz schnell abklingen würden. Taten sie aber nicht. Allmählich dämmerte mir, daß es nicht nach meinen Wünschen gehen würde, sondern daß die Entscheidung über Heilung oder Nicht-Heilung an anderer Stelle getroffen würde.
Nachts wurde ich wach von Skadis kläglichem Maunzen und Zähneklicken. Mittlerweile hatte sie auch tonisch-klonische Anfälle, bei denen sie mit den Vorderläufen auf den Boden trommelte. Ich schlief kaum und fühlte mich sehr schlecht und hilflos. Am Sonntagmorgen verkroch Skadi sich unter mein Bett. Sie wirkte jetzt auch nicht mehr gesund. Sie hatte zwischen den Anfällen offensichtlich keine Energie ihr Fell zu putzen, was man ihr ansah. Als sie schließlich einen etwa drei Minuten langen Anfall hatte, bei dem sie auf die Seite fiel, rief ich die Tierärztin an. Die sagte, es gäbe jetzt entweder die Möglichkeit, Skadi alle zwölf Stunden Luminal zu geben, allerdings ohne Garantie auf Erfolg. Oder sie einzuschläfern.
Meine Entscheidung war sofort klar: ich wollte Erlösung für das arme Wesen - ja, und auch für mich.
Die Tierärztin kam nachmittags vorbei und wir gaben Skadi gemeinsam den Tod. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich war erst mal erleichtert, daß das Leiden ein Ende hat. Dann kam der Schmerz über den Verlust dieses schönen und freien Tieres. Es war so schön mit ihr zusammen zu leben, ihre feine Stimme zu hören, ihre raue Zunge auf meinen Händen, ihren warmen Körper nachts an meinen Beinen zu spüren. Sie hat mir soviel Freude gebracht, war ein so freundliches Wesen und wenn sie mich ansah, hatte ich oft das Gefühl, sie sieht mir direkt ins Herz.
Seit sie weg ist, denke ich, daß wir eine ideale Beziehung hatten: ohne Bedingungen, in völliger Freiheit. Auch wenn sie bei mir wohnte, ist sie doch immer ein wildes Tier geblieben.
Ach, sie fehlt mir so sehr!
Ich habe mir tatsächlich drei Trauertage genommen und mich dafür bei der Arbeit krank gemeldet.
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Ich möchte auch sagen, daß ich in meinem Schmerz ganz viel Trost bekommen habe: Freundin L. hat mich telefonisch und per SMS unterstützt. Meine Kinder haben mich getröstet. Nachbarin M. kam mit einer weißen Rose, die jetzt an Skadis verwaistem Fensterplatz steht. Auch die Tierärztin war toll: sie hat mir sogar nach der Einschläferungsaktion angeboten mir noch ein wenig Gesellschaft zu leisten und sagte zum Abschied, ich sei sehr tapfer gewesen.
Mein Nachbar T., selber großer Katzenliebhaber, sagte mir, Skadi wäre mir im Himmel dankbar für meine Entscheidung, ihr Leiden nicht mit Tabletten zu verlängern.
In den Tagen danach hat mich auch Charles Eisenstein mit seinem Buch Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich getröstet.
Danke an euch alle!
Es ist seltsam: seit 2012 sind soviele Menschen aus meinem persönlichen Feld gestorben - mein Vater, Ute, Norbert, Jans - aber bei keinem habe ich solch einen großen Schmerz empfunden wie bei Skadi.
Danke, du kleines Wesen, daß du bei mir warst und mir soviel Freude und Liebe gebracht hast!
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Die Ursache für die Krampfanfälle wissen wir nicht. Vielleicht ein Tumor oder eine Nekrose im Gehirn. Letztendlich ist es egal.

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