Shit happens

Am Samstag hatten wir ein wunderschönes Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche-Ritual. Wir werden immer freier in der Gestaltung, so daß sich Dinge ergeben können. Und auf irgendeine Weise machen die wilden Wesen um uns herum mit: dieses Mal zog eine Gruppe Kraniche ihre Kreise über den See und landete schließlich mit lautem Trompeten im seichten Wasser, wo sie wohl ihren Schlafplatz haben.
Schön finde ich auch immer das anschließende Essen, zu dem jede etwas mitbringt. Oben ist A.s Kunstwerk aus Brombeeren und Vanillepudding.
Immer noch beschwingt von dem schönen Tag fuhr ich gestern Mittag zur Arbeit. Als ich vom Auto den Hügel zur Klinik hochging, hielt meine Kollege S. mit seinem Roller neben mir und forderte mich auf aufzusteigen. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Leider konnte ich mein Bein nicht so einfach über den Sitz schwingen: meine neue Hose war so eng, mein Rucksack zog an mir, ich wollte S., der etwas nach vorn gerutscht war, nicht in den Hintern treten. Ich rutschte ab und fiel rücklings auf den Asphalt. S. schrie entsetzt: "Ich wollte dir was Gutes tun!" Ich musste lachen, obwohl mir die Knochen weh taten, und rappelte mich hoch.
Auf der Station versorgte ich meine Schürfwunde am Unterarm, ärgerte mich über den Riss im Mantelärmel und nahm einen zunehmenden Schmerz in der Schulter wahr. Schließlich entschloss ich mich doch, in die Zentrale Notaufnahme zu fahren, um einen Bruch auszuschließen.
Die Kollegen dort bereiteten mich auf stundenlange Wartezeit vor, aber ich hatte Glück: nach einer Stunde konnte ich zurück auf meine Station. Ein junger Arzt bewegte meinen Arm in alle Richtungen und war davon überzeugt, daß trotz Schmerzen nichts kaputt gegangen war. Auch Röntgen hielt er nicht für nötig, was mir ja nur recht war. Aber er wollte mir unbedingt eine Tetanus-Spritze geben. Die wollte ich jedoch nicht. Eine Diskussion mit ihm über Sinn oder Unsinn von Tetanus-Spritzen wollte ich auch nicht, also griff ich zu einer Lüge: ich wolle am nächsten Tag sowieso zu meiner Hausärztin. Wahrscheinlich glaubte er mir nicht. Ich bin einfach keine gute Patientin.
Auf dem Weg zur Station dankte ich der Erde und allen verbündeten Kräften für meine soliden Knochen.
Aber am späten Abend zu Hause empfand ich es plötzlich als Mangel, daß da keiner war, der mit heißem Tee und Trost kam.
Heute wollte ich mit der Sense mähen. Aber die Schulter schmerzte immer noch, und ich nahm es als Wink mit der Dachlatte, daß ich mal Pause machen sollte. Na ja, eine Stunde habe ich den Handrasenmäher benutzt, um die Flächen zu mähen, die ich den ganzen Sommer kurz halte. Das ging mit der Schulter. Zur Belohnung gab es einen schönen Milchkaffee und dann wurde ich furchtbar müde. Ich legte mich aufs Sofa, die Katze kuschelte sich an mich und ich schlief eineinhalb Stunden mit wilden Träumen, bis das Telefon mich weckte. Das war mein Heilungsschlaf.
Tue nichts, ist der erste Schritt des Heilens. Ich habe ihn so oft intuitiv angewendet und später bei Susun Weed gelesen. Heilung geschieht und kann nicht gemacht werden. Deshalb werde ich immer ganz misstrauisch, wenn eine_r sich Heiler_in nennt. Und deshalb misstraue ich auch der Schulmedizin und ganz besonders den Gynäkolog_innen, die es neuerdings für sicherer halten, wenn Frauen auf Hebammen verzichten. Die werden ja gerade in großem Stil abgeschafft - auch das Kieler Geburtshaus hat mittlerweile dicht gemacht.
Für mich ist das eine Bestätigung, daß wir das Thema Geburt, Sterben und die Behandlung von Krankheiten wieder radikal in die eigenen Hände nehmen müssen, an den Gesetzen und Versicherungen vorbei. Es heißt, kreativ und mutig zu sein. Vielleicht können wir da was von den Griechen lernen.

Marie-Luise - 22. Sep, 00:14