Freitag, 13. Juni 2014

Wald

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Ich lese mal wieder in Gary Snyders Practice of the wild. Sehr angesprochen hat mich seine Schilderung eines Urwalds an der Westküste. Er sieht die uralten Bäume als die Urgroßeltern, die das Wissen von Jahrtausenden in sich tragen. Wenn ein Baum stirbt, wird er Nahrung für vielfältige Lebewesen. Der Prozess seines Verzehrtwerdens zieht sich über eine Zeitspanne hinweg, die der seines Werdens und Wachsens entspricht. Wie so etwas aussehen kann, habe ich im letzten Jahr in der Rhön erlebt.
Gary Snyder behauptet: wenn Menschen mit diesen langsamen Rhythmen mitgingen, könne es keine Ausbeutung unserer Lebensgrundlagen geben.
Das Langsamsein kommt mir sehr entgegen. Ich glaube, daß ich von Natur aus ein eher langsamer, bedächtiger Mensch bin. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, meine Zeit mit vielen Aktivitäten zuzustopfen, weil es mir halt notwendig erschien.
Wann immer es mir gelingt, aus dieser Selbstkonditionierung auszusteigen - und das geschieht schon sehr häufig - erweitert sich meine Wahrnehmung und das Genießen dessen, was ist: dann schaue ich mich nach dem Vogel um, den ich gerade zwitschern höre, dann richte ich mich öfter mal beim Hacken der Beete auf und sehe in den Himmel, dann nehme ich wahr, aus welcher Richtung der Wind kommt, dann geschieht es, daß die Pflanzen anfangen zu mir zu sprechen.
Auf diese bedächtige Weise habe ich heute auch die Sense geschwungen - ich will mir ja nicht wieder das Schlüsselbein aushebeln wie im letzten Jahr - und das ging gut und mühelos.
Natürlich leben wir in einer Kultur, die mit ungeheuer viel Zwang arbeitet und durch die Angst der Menschen aufrecht erhalten wird.
In einem Arbeitskreis, in dem es um Heilpflanzen geht, kam die Rede darauf, auf welche Weise die TeilnehmerInnen sich den Pflanzen nähern wollen. Der Fraktion, die das intuitive und achtsame Wahrnehmen üben will, standen die gegenüber, die vehement dafür fochten, daß möglichst viel Wissen über Heilwirkungen und Inhaltsstoffe in möglichst schneller Zeit ausgetauscht werden müsse, weil man nur so bei seinen Kunden oder Patientinnen landen könne.
Die Angst, die dahinter steht, verstehe ich. Dennoch sehe ich, daß diese Menschen im Begriff sind, ihre Seele zu verkaufen.
Das geschieht auf allen Ebenen: mir fällt seit einiger Zeit auf, daß sich die Qualität der Produkte der anthroposophischen Firma Weleda, die ich immer sehr geschätzt habe, verschlechtert hat. Außerdem gefällt mir die Art von Werbung, die sie neuerdings machen, überhaupt nicht mehr. Jetzt habe ich erfahren, daß sie kurz vor der Insolvenz standen und einen neuen Manager eingestellt haben.
Es muss verkauft werden, um jeden Preis!
Es wird Zeit, daß Geld wieder Tauschmittel und magische Substanz wird statt Lebenssinn!
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Rhabarbermarmelade - bedächtig hergestellt

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