Freitag, 23. September 2016

Trickster

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Holz hinter der Hütte

Eine Teilnehmerin meiner Kräuterkurse ist dieses Jahr im Kiesgruben-Biotop gewesen, in dem wir so oft gemeinsam wilde Pflanzen besucht haben. Sie erzählte, das sich dort ganz viel verändert habe, Erdbewegungen von Menschenhand hätten stattgefunden, und der erst vor wenigen Jahren errichtete Erdwall vor unserem ehemaligen Eingang sei planiert worden.
Heute fuhr ich dahin, das erste Mal in diesem Jahr und mit einem mulmigen Gefühl wegen ihrer Erzählungen. Ich fand ein völlig unberührtes Biotop vor, all die alten Bekannten waren noch da: Beifuß, Johanniskraut, Königskerze, Rainfarn, Steinklee, wilde Möhre... mittlerweile weitgehend verblüht. Kein Mensch hatte etwas zerstört. Ich scheuchte ein Reh auf, ansonsten war ich dort für mich. Der Erdwall am ehemaligen Eingang stand immer noch da, völlig überwuchert, so daß nichts mehr daran erinnerte, daß es dort mal einen Weg gab.
Wo war diese Frau nur gewesen? Es kann nicht dieser Ort gewesen sein. Vielleicht hatte ein Trickster-Wesen sie an der Nase herum geführt.
Heute schien jedenfalls ein Trickster unterwegs zu sein. Ich war gekommen, um Rainfarn für Bienentabak zu sammeln. Als ich damit anfing, die bereits trockenen Pflanzen zu schneiden, fing es an zu regnen. Ich entdeckte eine noch blühende wilde Möhre, die aus einem Stengel einen Riesendolde aus mindestens zehn normal großen Einzeldolden hervorgebracht hatte. Sie sprang mir schon von Weitem ins Auge, so ungewöhnlich sah sie aus. Als ich sie fotografieren wollte, streikte meine Kamera: Akku leer.
In vielen alten Kulturen gab es diese Trickster-Gestalt: Heyoka und Coyote bei den First Nations von Nordamerika, Eshú in Westafrika, Loki in der germanischen Mythologie. Das sind Namen für die Kraft, die alles durcheinander bringt, die die gewohnten Abläufe stört, die das Leben eines Menschen auf den Kopf stellt. Sie ist eine paradox wirkende Kraft, die nicht den Gesetzen der Logik folgt und sich kein bisschen um irgendeine Moral schert. Man konnte sich weder bei ihr einschmeicheln noch mit ihr verbünden. Aber es war wohl gut, von ihrer Existenz zu wissen. Sie war einfach die anarchische Kraft, die dafür sorgte, daß Gewissheiten und Selbstzufriedenheit zu Staub zerfielen.
Heutzutage ignorieren wir die Existenz dieser chaotischen Energie. Das hält sie nicht davon ab, hin und wieder unsere Pläne zu durchkreuzen.

Anschließend fuhr ich zu B. nach Plön. Sie zeigte mir den neuen Naturkostladen Die Wegwarte. Es gibt manchmal Orte, wo ich mich einfach wohlfühle. Dieser ist einer davon. Das machen nicht nur die schönen alten Möbel, der Holzfußboden, der Tresen, der an die Kaufläden meiner Kindheit erinnert, als es noch keine Supermärkte gab und man fast alles lose kaufen konnte. Es war einfach zu spüren, daß hier ein freundlicher Geist lebt.
Wir gingen dann mit einem Cappucino (ganz unökologisch im Pappbecher) und einer Waffeltüte mit leckerem Schoko-Straciatella-Eis an den See und genossen die Sonnenstrahlen.
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