Sonntag, 16. August 2015

Tote Zonen

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Ich lese gerade ein Buch, das ich wärmstens empfehlen kann: Die rote Blume - Ästhetische Praxis in Zeiten des Wandels von Shelley Sacks und Hildegard Kurt.
Worum es darin geht, ist schwer in einigen Worten zu fassen, weshalb ich es gar nicht erst versuche. Shelley Sacks war Schülerin von Joseph Beuys und erweiterte sein Konzept der Sozialen Plastik (es gibt ein paar englischsprachige Youtube-Videos mit ihr, in denen ich sie enorm sympathisch und lebendig finde), Hildegard Kurt ist Kulturwissenschaftlerin und spielt immer mal wieder eine Rolle in der Oya.
In einem der Kapitel geht es um tote Zonen. Hildegard Kurt beschreibt, wie sie in einem Drogeriemarkt einkauft, der über eine eigene Biosparte verfügt (jetzt weiß sicher jeder, welcher Drogeriemarkt gemeint ist). Dabei stellt sie fest, daß ungefähr alles in Plastik verpackt ist und sie denkt an den Strudel von Plastikmüll im pazifischen Ozean, der mittlerweile die Größe von Europa erreicht hat. Der landet in den Mägen der Meeresbewohner und wirkt dort unheilvoll - und nicht nur dort.
Ich vermeide Plastik, wo ich nur kann. Schon lange lasse ich mir beim Einkaufen keine Plastiktüten mehr geben, trage immer ein paar Stoffbeutel und Papiertüten mit mir herum und kaufe soviel wie möglich Nachfüllbares. Dennoch kommt Plastik in meinen Haushalt. Zum Beispiel in Form von Zahnpastatuben. Auch die von mir ehemals sehr geschätzte Firma Weleda füllt mittlerweile immer mehr Kosmetikprodukte in Plastikbehälter statt wie früher in sympathische Glasflaschen. Was soll das? Das ist für mich ein Grund, sie nicht zu kaufen. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, die Kosmetikprodukte ganz weg zu lassen. In jungen Jahren habe ich mit der Cremerei angefangen, als ich in einem Reformhaus eine Gratiskosmetikberatung bekommen habe. Wer einmal anfängt zu cremen, cremt immer. Die Haut gewöhnt sich dran und stellt ihre Selbstregulation ein. Andererseits kann ich ja einfach mal ausprobieren, was passiert, wenn ich es sein lasse. Daß ich für mein Alter noch so glatte Gesichtshaut habe, hat jedenfalls ganz sicher nichts mit der Gesichtslotion zu tun, die ich benutze. Woher ich das weiß? 1994 nahm ich an einem Survival in Schweden teil: eine Woche lang konnte ich mich nicht waschen (außer mal ohne Seife in einen See springen) und erst recht nicht eincremen. Als ich wieder zu Hause war, hatte ich so glatte und reine Haut wie nie zuvor und nie wieder in meinem Leben. Das hat mir die Augen geöffnet. Schon damals habe ich meine Kosmetika deutlich reduziert und vor allem das tägliche Duschen gestrichen. Täglich mit Waschlappen und Seife waschen reicht völlig und geduscht wird nur noch alle vier Tage.

Zurück zum Buch: gerade habe ich über das Wahrnehmen ohne Fokus gelesen. Da fällt mir eine Augenübung ein, bei der ebenfalls der Fokus rausgenommen wird. Erst dann kann das ganze Bild gesehen werden. Ich denke, das kennt jedeR: wenn man etwas fokussiert ansieht, verengt sich das Gesichtsfeld immer mehr, es wird buchstäblich grau von den Rändern her. Manchmal ist fokussiertes Sehen erforderlich, als Gewohnheit bedeutet es Dauerstress für Augen und Organismus. Und es verhindert, daß wir Zusammenhänge wahrnehmen. Interessanterweise kann man dieses Prinzip auf andere Situationen übertragen: begebe ich mich in einen Zusammenhang mit festem Fokus (ein Thema, eine Zielrichtung), besteht die Gefahr, daß das Ganze starr und unlebendig wird. Eine Zusammenkunft von Menschen ohne Fokus empfinde ich jedenfalls oft als viel entspannender und belebender. Sie bietet eher einen offenen Raum, in dem Neues und Interessantes geschehen kann.
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