Samstag, 23. Mai 2015

Schwärme und neue Stiche

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Vor zwei Tagen kam ich nachmittags nach Hause und wurde Zeugin, wie die Bienen schwärmten. Sie hängten sich in den kleinen Holsteiner Cox und konnten leicht von mir allein in die Schwarmkiste gestoßen werden. Ich brachte sie nach Kiel, so Jans schon alles vorbereitet hatte, und wir ließen sie einziehen und freuten uns an dem großen und friedlichen Schwarm.
Aber am nächsten Tag bekam ich einen Anruf von Jans: die Bienen waren verschwunden, offensichtlich wieder ausgezogen. Ich habe ja schon gehört, daß das vorkommt, wenn es ihnen nicht gefällt. Das ist der Grund, warum einige Imker die Schwarmkiste mit den Bienen für ein bis drei Tage in "Kellerhaft" halten. Dann sind sie so hungrig, daß sie keine Energie mehr haben umzuziehen. Aber das verträgt sich mit meiner Vorstellung von wesensgemäßer Bienenhaltung. Ich denke immer: wie würden sie das in freier Natur machen? Bestimmt würden sie nicht freiwillig länger im Baum hängen als nötig.
Ich war ein wenig traurig und fragte mich, was falsch gelaufen sein könnte. Der Standort war sicher nicht ideal: zu schattig und feucht und zu wenig Platz für mich, um bequem am Top bar hive zu arbeiten.
Natürlich rechnete ich mit einem Nachschwarm. Der kam dann heute. Ich machte das Badezimmerfenster auf, wunderte mich über das laute Summen und sah die Bienen in die Eibe an der Grenze zum Nachbargrundstück hängen, eine sehr schöne gleichförmige Schwarmtraube.
Weder B. noch ihr Sohn waren da. Wer konnte mir helfen? Denn dieses Mal saßen die Bienen so hoch in dem engen Baum, daß es ohne Leiter und zusätzliche Hände nicht gehen würde. Mein Nachbar erklärte sich netterweise bereit, obwohl er keine Erfahrung hat. Er bekam eine Netzhaube, ich zog mir meine Imkerjacke an, musste dann aber den Hut wieder absetzen, weil er mir auf der Leiter die Sicht versperrte und es in dem Baum einfach zu eng war. Als ich in Reichweite des Schwarms war, ließ ich mir den Eimer geben und versuchte, den Ast mit Schwung nach unten zu ziehen. Mein Nachbar meinte hinterher, es wäre besser gewesen, ihn mit der Astschere abzuschneiden, wie ich es ursprünglich vorhatte. Mag sein, ich weiß es nicht. Wie auch immer: die Bienen flogen auf, und ich spürte die ersten Stiche.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie gut der menschliche Organismus auf solche Situationen eingerichtet ist: Adrenalin ist schon ein feines Hormon. Ich registrierte die Stiche und trat den geordneten Rückzug an, in Ruhe und ohne Panik (während immer neue Bienen auf mich einstachen). Mein Nachbar hatte längst die Leiter losgelassen und stand auf der Straße. Da hat wohl sein Selbsterhaltungstrieb die Oberhand gewonnen.
Noch einen Versuch habe ich nicht gewagt. Es tut mir in der Seele weh, diesen schönen Schwarm da hängen zu sehen - mittlerweile ist es Abend.
Ich habe mir diverse Stacheln aus Oberschenkel, Hand, Unterarm und Ohren entfernt, und im Gesicht sind auch Stiche, insgesamt habe ich mindestens sieben. Meine linke Hand ist sehr geschwollen und tut weh, ich habe ein ganz ungewohntes Doppelkinn, sehe aber längst nicht so verunstaltet aus wie beim letzten Stich. M. hat mir übrigens auch gleich wieder mit Apis C 200 und Vespa C 200 geholfen. Mein Herz schlug heftig, mir ist wieder heiß und kalt. Das ist unangenehm aber auszuhalten.
Aber ich fühle mich irgendwie aus dem Lot geraten, könnte heulen, fühle mich persönlich gemeint von den Bienen. Soll ich es als gutes Zeichen ihrer neu erworbenen Wehrhaftigkeit sehen? Aber man sagt doch immer, Schwärme stechen nicht, und das war bisher auch meine Erfahrung.
L.kam, um mich zum Trommeln abzuholen, aber ich wollte allein sein. Als sie wieder weg war, fühlte ich mich plötzlich einsam und verletzlich.

Ich war den Rest des Nachmittags dann lieb zu mir, habe in der Sonne gesessen, viel Wasser zum Entgiften und Milchkaffee für den Genuss getrunken, Rhabarberkuchen gegessen und gelesen. Das Buch von Hetty Kemmerich Sagt, was ich gestehen soll musste ich übrigens weglegen. Es handelt von den Hexenverfolgungen und war zu harter Stoff für meinen Gemütszustand. Grundsätzlich kann ich es allerdings empfehlen. Stattdessen fing ich mit Peter Wohllebens Die Gefühle der Tiere an.
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