Sinn-voll

Ich lese immer noch Stephen Buhners Plant Intelligence and the Imaginal Realm und nachdem es ein Weilchen etwas trocken daher kam, hat es mich nun wieder voll gepackt.
Ich bin jetzt in dem Kapitel angekommen, in dem er sich mit Überzeugungen wie "Menschen sind eine Fehlentwicklung der Natur" und "Wir müssen die Erde vor der Zerstörungswut der Menschheit retten" befasst. Großartig!
All die Bewegungen, die die Rettung der Erde zum Ziel haben, kranken an der gleichen Hybris wie diejenigen, die nach der biblischen Maxime handeln: Macht euch die Erde untertan. Wir leben, gemessen am Alter der Erde, gerade mal für die Dauer eines Lidschlags. Wer sind wir also, daß wir meinen, wir könnten oder müssten die Erde retten?! Das wird sie schon selber tun, sollte es denn notwendig sein - was sehr fraglich ist. Das einzige, was mir für uns Menschen sinnvoll erscheint, ist, daß wir uns selbst fragen: Wie wollen wir leben? Wofür bin ich auf diese Planetin gekommen?
Auch ich habe ja zeitweise Anwandlungen der Art gehabt, daß ich meiner Gattung nicht allzu viel abgewinnen konnte. Aber in den letzten Jahren wird mir immer klarer, daß auch die Entwicklung der Menschen als eine der unzähligen Varianten des Lebendigen einen tiefen Sinn haben muss. Nichts geschieht umsonst oder aus Versehen. Deshalb halte ich auch die Form des Feminismus für faschistoid, die die Schuld an den gesellschaftlichen Fehlentwicklungen den Männern zuweist und ihnen mehr oder minder unverhohlen eine gewisse Minderwertigkeit attestiert.
(Ja, ja, es wird jetzt wieder einige geben, die mich virtuell steinigen. Sei's drum, es muss gesagt werden!)
Auch das Männliche ist nicht ohne Grund in die Welt gekommen und hat mit der Tendenz der Erde zu tun, immer differenziertere Organismen hervorzubringen, die ganz spezifische Aufgaben im Ökogefüge des gesamten Universums haben.
Ich habe gerade in den letzten Jahren viele kluge, empathische, ernsthafte, humorvolle und fühlende Männer kennengelernt - mit einigen von ihnen pflege ich schöne Freundschaften - und sie bereichern mein Leben.
Das ändert nichts an der Tatsache, daß auch der Feminismus eine Notwendigkeit war, denn natürlich war es nicht akzeptabel, daß wir Frauen den Männern untergeordnet waren. Es erscheint mir auch weiterhin wichtig, sehr wachsam zu sein.
Es gibt Länder, in denen ich als Frau nicht leben möchte. Alle Bestrebungen von außen, die Befreiung der dortigen Frauen nach unserem Verständnis voran zu treiben, sind in meinen Augen aber kaum verhohlener Kolonialismus: wer sagt uns denn, daß die Mädchen in Tibet Schulen brauchen (um nur ein Beispiel zu nennen)?
Überlassen wir es doch ihnen, für sich herauszufinden, wie sie leben wollen. Und wenn das klar ist, dann wird das Leben ihnen helfen und dann können wir sie unterstützen, indem wir ihre eigene Idee von Freiheit respektieren.
Marie-Luise - 7. Sep, 23:02
Um Alternativen zu Althergebrachtem entdecken zu können, muss mehr als die Tradition ins Wissen, ins Bewusstsein gelangen.