Vodou in Berlin

Am Wochende machte ich einen Ausflug nach Berlin und sah mir im Ethnologischen Museum mit Jans (der mitgekommen war) und E., bei dem ich übernachtete, die Ausstellung "Vodou - Kult und Kunst in Haiti" an. Ich war so beeindruckt, daß ich vergaß zu fotografieren. Schade! Besonders eine Figur, deren Name mir entfallen ist - übersetzt sinngemäß Königin der Sterne - sprach mich buchstäblich an, und ich versprach ihr etwas. Sie war aus Holz und hatte eine seltsam gebogene Gestalt, teils Schlange, teils Frau, mit Flügeln, und erinnerte mich sofort an die Wesen, die ich während der Trancen in der Toskana gesehen habe. Schon am Beginn der Ausstellung, wo eine auf einem Bildschirm das Video einer Vodou-Zeremonie ansehen kann, fing mein Körper an, sich ohne meine bewußte Entscheidung nach dem Trommelrhythmus zu bewegen. Dann dachte ich: das geht doch nicht. Hier sind soviele Leute, und wer weiß, was geschieht, wenn ich einmal anfange zu tanzen. Es war aber ausgesprochen mühsam, nicht zu tanzen.
Am Abend waren wir beim Thailänder und unterhielten uns über das Matriarchat. E. hat was gegen Matriachate, weil er darunter Frauen"herrschaft" versteht. Es wird ja auch immer wieder falsch übersetzt: Matri-arché bedeutet "am Anfang die Mutter". Arché heißt eben nicht Herrschaft, so wenig wie Archäologie die Lehre von der Herrschaft bedeutet. Und demgemäß heißt Patriarchat übersetzt "am Anfang der Vater", was sich z.B. in der christlichen Religion wiederfindet: ein männlicher Gott, Gott-Vater, hat alles hervorgebracht. Das ist ja das Perfide am Patriarchat: es begründet seine Herrschaft auf der Elimierung der Mutter als Grund allen Seins und behauptet, daß alles vom Vater kommt. Der nächste Schritt, Frauen zu verachten, zu entwerten, zu unterdrücken und zu vernichten, ist dann nur folgerichtig.
Ich will jedenfalls weder Männer- noch Frauenherrschaft. Vielen Dank, liebe Mara, für deinen Hinweis in der MatriaVal, daß das Wort Matriarchat von Patriarchat abgeleitet wurde. Vielleicht sollten wir uns wirklich ein anderes Wort für die herrschaftsfreie Gesellschaftsform, in der das Mütterliche als das Zentrum des Seins an-erkannt wird, ausdenken.
Ansonsten: interessante Gespräche mit E. und die Erkenntnis, daß ich Berlin immer noch gern mag, diese Stadt, die ich als junges Mädchen so oft besucht habe, in der ich Freunde hatte und in der ich leben wollte.
Marie-Luise - 3. Okt, 22:48