Astrid Wehmeyer (Gast) - 30. Jan, 12:18

Liebe Marie-Luise,

interessanterweise hatte ich beim Lesen deines heutigen Bogeintrags, vor allem in Bezug auf die Zusammenstellung (heftige Gefühle-Frage der Resonanz/Chauvet-Höhle-Nähe der Tiere resp. des "Wilden") einen spannenden Geistesblitz. Als ich mir so habe vorzustellen versucht, wie das wohl gegangen ist, dass Menschen ein so intimes Wissen der Wildnatur der anderen Mitgeschöpfe haben konnten, habe ich gedacht: Das hat was mit der Fähigkeit zu tun, das eigene "Wilde" ganz nah an sich herankommen zu lassen! Und dazu gehören für mich gerade auch die Empfindungen/Gefühle, die wir heutzutage normalerweise lieber nicht haben wollen, Angst, Wut, Trauer ...
Ich bin davon überzeugt, dass unsere VorfahrInnen eine Form entwickelt hatten, die es ihnen erlaubte, diesen "wilden" Emotionen (die damals bestimmt noch nicht so gewertet wurden!) einen sozial verträglichen Raum zu geben - denn darum geht es ja bei der Frage der "Zumutbarkeit". Ob das Ritual waren, Hinausgehen in die "Wildnis" und sich mit den MeisterInnen der "wilden" Gefühle konfrontieren und damit mit dem eigenen Anteil - ich denke, es gab eine Vielzahl solcher "Ausdrucksmöglichkeiten", die eine Integration, eine Annahme, ein Gewahrwerden zum Ziel hatten udn nicht eine Verdrängung.
Wenn ich in das Auge des Tigers schauen kann, dann kann ich auch in das Auge meiner eigenen inneren Jägerin schauen, die, die sich in der "Zivilisation" eingesperrt fühlt, am liebsten alles Zerreissen und Zerfleischen würde ... oder ihren Stachel tief in das Fleisch eines anderen bohren, damit der/die sich auch einmal so fühlt, wie einEr selbst ...
Ich bin auch davon überzeugt, dass viele unserer "untragbaren" Emotionen daher rühren, dass wir ein derart domestiziertes Leben führen. Eben wie die Wildkatzen im Zoo, die dann auch nur noch Hin- und Herrasen am Zaun entlang. Und einen kontinuierlich hohen Adrenalinspiegel haben, wie sonst nur während der Jagd oder auf der Flucht. Unser "Adrenalinspiegel" ist ebenfalls kontinuierlich hochgeschraubt, eben weil wir uns auch ständig bedroht fühlen, und das zu Recht. Ein beispiel sind die vielen Wechsel-Frauen, die "plötzlich" über extreme Ausbrüche etc. "klagen". Da wird etwas deutlich, oder ein Deckel brüchig, und darunter kommt der Schmerz und die Wut über die jahrzehnte- und generationenlange Zerstückelung/Unterdrückung zum Vorschein.
Was also tun? Ist ja auch deine Frage. Ich für mich lerne immer mehr, meinen "wilden" Aspekten ins Auge zu sehen, nicht mehr davon zu rennen, übrigens auch nicht mehr ins "wildwütige" (!) ausagieren. Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen, zumeist draußen in der freien Natur, und gehe in meinen "Dschungel". Ich lausche den Stimmen meiner inneren Elefanten ("Trampeltier"), meiner Wildkatzen ("Kratzbürste"), Tarantel ("Stechen und Hauen") und was da sonst noch so auftaucht ... Und versuche herauszufinden, was sie eigentlich brauchen. Und ich finde heraus, dass ich immer noch und immer wieder in zu engen Bezugssystemen lebe, mich fürchte, mich der Eigenmacht des Lebens zu überlassen und zu wenig Vertrauen in mein Eingebunden-sein habe. Eben alles Deformationen einer zu lange Haustauglich-gemachten Seele. Also: Wi(e)der die Domestizierung, es leben die wilden Höhlen!

SirToby (Gast) - 30. Jan, 15:41

Hört sich gut an, Astrid

"... dass wir ein derart domestiziertes Leben führen." Genau, so ist es, da sehe ich nämlich einen Zusammenhang mit dem Entstehen des Christentums und deren Entwicklung als Mittel die Völker zu domestizieren, zu unterdrücken und auszubeuten, im Sinne der jeweils Herrschenden. Und da Frauen, vor dem unsäglichen Chritstentum, ihr Fähigkeiten als Hexen oder was auch immer, frei leben konnten, mithin immer mehr als Bedrohung der herrschenden Männer angesehen wurden, kam die Kirche gerade recht um sie, mittels der Inquisitionen, wieder als dienstbare "Geister" des Mannes umzufunktionieren... was das für "Arbeit" ist, das wieder umzudrehen, zeigt ja die mühsame Emanzipation der Frauen, die ständigen Anfeindungen und Rückschlägen, sogar durch die Frauen selber, ausgesetzt ist und das im 21. Jahrhundert, von Eva Hermann einmal abgesehen...

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