Ostern

Gestern kam Lynn zu Besuch: ein langer Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein, stärkende Gespräche und anschließend leckeres Irish Stew. Durch Lynn angeregt servierte ich heute abend den wilden Tieren im Wäldchen den Schulterknochen des Lamms mit Fleischresten. Das habe ich in Kükelühn auch gemacht, aber hier hatte es sich bisher nicht ergeben. Ich esse einfach so selten Fleisch.
Heute war ein schöner, ruhiger Tag. Ich machte einen langen Gang und genoss alles, was ich wahrnahm: den kreisenden Bussard über mir, die Rufe der Raben, den Wind, die Wolken und den Anblick dieser schönen, sanften Landschaft. Ich traf sogar einen Hasen.
Meine Mutter rief an und erinnerte mich an Opa, der jedes Jahr zu Ostern Fortsetzungsgeschichen über seine Treffen mit dem Osterhasen erzählte. In seiner unendlichen Fabulierlust erzählte er, wie er mit dem Osterhasen eine Pfeife geraucht habe und dieser denselben Tabak wie Opa benutzte.
Ostern habe ich immer geliebt, mehr als Weihnachten. Ich kann es nicht begründen. Sogar den Karfreitag mit seiner Stille mochte ich. Dieser Tag entsprach meinem Bedürfnis nach Tiefe.
Heute denke ich oft, daß das Kreuz, ein Folter- und Hinrichtungsinstrument, als Symbol der christlichen Religion uns nachhaltig geprägt hat. Ich glaube, wir in der westlichen Kultur haben das Leiden so verinnerlicht, daß es sehr viel Arbeit und Bewußtheit erfordert, um wieder Lust und Lebendigkeit an seine Stelle zu setzen.
Um Susun Weed zu zitieren: Schmerz ist unvermeidlich, Leiden ist freiwillig.
Noch ein Zitat zum Thema Karfreitag von Patti Smith: Jesus died for somebody's sins but not mine.
So isses!
Ich fühle mich ganz friedlich, dankbar und einverstanden mit meinem Leben.
Marie-Luise - 4. Apr, 21:56
