Das gute Leben

Maria Mies spricht in ihrem schönen Buch "Das Dorf und die Welt" häufig vom guten Leben.
Sie meint damit das, was sie in ihrer Kindheit in einem Dorf in der Eifel mitbekommen hat: ihre Eltern waren Bauern, die damals noch hauptsächlich für den eigenen Bedarf gewirtschaftet haben. Das nennt man Subsistenzwirtschaft. Heute ist das für Bauern kaum noch möglich, diese Lebensform wird systematisch und vorsätzlich zerstört von den multinationalen Agrar-, Chemie- und Energiekonzernen und willfährig unterstützt von den PolitikerInnen der westlichen Länder, also auch unserer Bundesregierung. Man nennt dieses System auch Neo-Liberalismus. Es führt dazu, daß die Anzahl der Armen auf der Erde überproportional ansteigt, daß es immer mehr Kriege gibt und daß aus allem eine Ware gemacht wird.
Das gute Leben, das ist das, was ich hatte, als ich in Kükelühn den großen Garten hatte. Zum guten Leben gehörte für mich, mit relativ wenig Geld auszukommen, mein Gemüse und Obst aus dem Garten zu holen, mit diversen Konservierungsmethoden zu experimentieren, die Zyklen der Natur hautnah mitzubekommen, Frösche, Eidechsen, Insekten, Vögel und anderen Tiere in meiner Nähe zu haben. Dazu gehört auch die Befriedigung, die anstrengende körperliche Arbeit macht (andere Leute gehen in die Mucki-Bude, ich hatte das, was meine Tochter "Arbeitsmuskeln" nennt und wofür Michelle Obama hart trainiert). Oder der Stolz, regelmäßig Brot zu backen aus selbstgemachtem Sauerteig. Das Kochen aus wirklichen Lebensmitteln - Alma mater-Schwester Hilka nannte das mal "wahre Nahrung". Der unmittelbare Kontakt mit den Naturkräften Wind, Regen, Schnee, das Holzhacken und Feuermachen (ohne Grillanzünder, den ich zu meinem Erstaunen auch in Öko-Haushalten gefunden habe), das Kompostaufsetzen. Dazu gehörten auch die Laufenten, die die Schnecken gefressen haben und mich bei der Gartenarbeit begleitet haben, weil immer mal ein Würmchen für sie abfiel. Ich muß aber zugeben, daß ich als unerfahrene Tierhalterin viele Fehler gemacht habe, die ich aufrichtig bereue und wofür ich mich bei den Enten ausdrücklich entschuldigen möchte. Sie leben mittlerweile, hoffentlich gesund und munter, in der Lüneburger Heide. Auch die Kräuterkurse, das Weitergeben von Wissen, sind Teil davon.
Das gute Leben ist für mich wie für Maria Mies ein nicht-entfremdetes Leben, wo das, was ich tue, unmittelbar mir und meiner Familie/Gemeinschaft zu Gute kommt.
Ich verdanke J., daß ich die Möglichkeit zu diesem guten Leben bekam: durch ihn kam ich zur Gartenarbeit. Daß ich ihn und damit das gute Leben verlassen mußte, war eine bittere Notwendigkeit.
Möge es mir gelingen, an einem anderen Ort wieder die Möglichkeit zum guten Leben zu finden.
Marie-Luise - 27. Mär, 20:24
