Felder

Mittags hörte ich eine Serie von Schüssen in unmittelbarer Nähe. Als ich meinen Kaffee im Holzschuppen trank und in die Sturm- und Regenlandschaft hinausschaute, rannten zwei Damhirschkühe über den Acker. Mit großer Betriebsamkeit fuhren Forstfahrzeuge über das Feld und den Weg vorm Haus einige Male hin und her. Es lag etwas Hektisches, Angespanntes in der Luft.
Auf dem Weg zum Einkaufen kam mir in den Sinn, was Ute über das Töten gesagt hat: daß es wieder gelernt werden müsse und daß es eine Übereinkunft zwischen dem Gejagten und dem Jagenden gebe.
Trifft das auch auf Sklaventiere zu? Die zehntausende von gequälten Geschöpfen, die z.B. in den niedersächsischen Massentieranlagen vor sich hin vegetieren? Ich habe da so meine Zweifel.
Ich habe die Abbilder der wilden Tiere in der nachgebildeten Höhle von Lascaux gesehen. Manche sagen, unsere JägerInnen-AhnInnen hätten mit diesen Bildern Jagdzauber betrieben, damit immer genug Wild zum Töten da war. Auch das bezweifle ich. Man weiß ja aus JägerInnen- und SammlerInnen-Kulturen, daß sie nur zu einem kleinen Teil von tierischer Nahrung gelebt haben (Ausnahme sind arktische Völker wie die Inuit). Für mich sprechen die Bilder eine andere Sprache: von einer Zeit, in der Menschen und Tiere noch nicht als getrennte Spezies gesehen wurden, in der es eine Art von Kommunikation zwischen allen Lebewesen gegeben hat, von der wir nur träumen können, von dem Bewußtsein, daß alles lebt und alles eine Seele hat, vom Wissen um die wechselsseitige Abhängigkeit und von einer großen Freude, Leben inmitten von Leben zu sein.
Wir leben in einer sogenannten Kultur, in der das Morden normal ist: ich rede vor allem von Krieg, von dem manche behaupten, daß die Menschheit nicht ohne sein könnte. Das sagen die, die nicht wahrhaben wollen, daß Krieg eine recht neue Errungenschaft in der Geschichte der menschlichen Gattung ist, seit ca. 6000 Jahren. Und wenn einer/einem klar ist, daß Deutschland einen großen Teil seiner Exporte mit Rüstung macht, dann wundert es auch nicht, daß es ein großes Interesse am Morden/Kriegführen gibt.
Das ist also das Feld, in dem wir leben und dem wir uns nicht entziehen können. Wenn wir jetzt in dieses mächtige Feld hinein Inseln setzen: z.B. indem wir darüber nachdenken, was es bedeutet, wenn wir ein anderes Lebewesen töten, um selber zu leben?
Und bitte jetzt kein Aufschrei von Vegetariern und Veganern! Auch Pflanzenesser töten. Das Argument, daß Pflanzen kein Nervensystem und damit auch keine Schmerzrezeptoren haben, kann ich nicht gelten lassen. Solche Behauptungen entspringen menschlicher Überheblichkeit.
Meine Frage ist, egal ob Vegetarier, Veganer oder Mischkostfresser: wie können wir respektvolles Töten lernen?
Zum Thema Feld: ich befinde mich zur Zeit im Prüfungsstress-Feld meiner Tochter, die mir jeden Tag Teile ihrer Englisch-Examensarbeit zum Korrekturlesen mailt. Wenn ich dann abends mit ihr telefoniere, um ihr Korrekturen vorzuschlagen, bin ich anschließend so wach und aufgemöbelt, als machte ich selbst Examen. Dann hilft nur eine Stunde Kundalini-Yoga, damit ich zur Ruhe kommen kann. In der letzten Nacht wachte ich um vier auf, war putzmunter und schob noch eine Stunde Yoga ein. Das erinnert mich an meine eigenen Prüfungssituationen, aber auch an die beiden Geburten, bei denen irgendwann der Punkt kam, wo ich es nicht mehr für möglich hielt, daß ich noch weiter machen könnte. Und dann konnte ich doch, weil es sein mußte! Was für erstaunliche Organismen sind wir doch! Ein weiterer Grund, Respekt vor dem Lebendigen zu haben.
Marie-Luise - 13. Dez, 21:07