Samstag, 29. November 2008

"Feier der Männlichkeit"

Mein lieber junger Kollege M. hat mich zu einem Fest eingeladen, das er "Feier der Männlichkeit" genannt hat.
JedeR von uns BesucherInnen sollte etwas mitbringen, was sie/er für ein Symbol von Männlichkeit hielt.
Spannend waren dann die Gespräche, die wir (sechs Frauen und zwei Männer!) über Männlichkeit hatten. Einig waren wir uns vor allem darin, daß sich die Geschlechter in erster Linie durch anatomische Gegebenheiten unterscheiden und alle anderen sogenannten typisch männlichen und weiblichen Eigenschaften wie Aggression, Empfänglichkeit, Mut, Fürsorglichkeit usw. gar nicht eindeutig zuzuordnen sind. Ich glaube ja auch, daß sie größtenteils kulturell bedingt sind.
M. erzählte uns von einem Buch über Männlichkeit, das er gerade liest. Der Autor behauptet, daß viele Männer heutzutage sich noch nicht von ihrer Mutter abgenabelt haben und deshalb eine Frau suchen, bei der sie ihre Nabelschnur einstöpseln können.
Diese Aussage führte, als wir sie uns bildlich vorstellten, zu großer Erheiterung, aber auch großer Zustimmung.
Ich kenne das ja auch, daß Männer mit mir in eine Art von Versorgungsbeziehung getreten sind, was immer erst klar wurde, wenn wir länger und enger zusammen waren.
Vor vielen Jahren sagte ein Arzt in der Klinik, in der ich damals arbeitete: Verheiratet sein ist schön, da wird man versorgt.
Dieser Satz machte mich sehr nachdenklich. Ich war auch verheiratet, aber ich fühlte mich nicht versorgt. Ich kam jeden Tag nach einem Acht-Stunden-Tag nach Hause, machte den Haushalt und kochte das Essen, während mein damaliger Mann am Schreibtisch saß und Marx und Hegel las.
M. erwähnte von genanntem Autor auch das Zitat der "Komfortzone Frau". Ja, auch das bekannt: Männer sagen mir, wie wohl sie sich bei mir fühlen. Und ruckzuck tauchen da plötzlich wie selbstverständlich Ansprüche auf: auf emotionale Versorgung, auf sexuelle Versorgung, auf Erfüllung all der Bedürfnisse, die die Mutter in der Vergangenheit nicht erfüllt hat.
Natürlich funktioniert das nicht.
Ich glaube ja noch immer an die Vision, die ich 1990 auf dem Alignement von Ménec in Carnac in der Bretagne im Kontakt mit einem einzeln stehenden Menhir hatte: Beziehung mit gegenseitiger Achtung ist nur möglich, wenn beide auf eigenen Füßen stehen und ihre Kindheitsneurosen hinter sich gelassen haben, d. h. erwachsen sind.
Jede Form von Abhängigkeit vom anderen führt zu chronischer Unzufriedenheit, beziehungstötenden Projektionen und vertreibt den Eros.
Umgekehrt: Freiheit geht nur mit Selbstverantwortung. Kein anderer kann schuld sein an dem, was ich bin und tue.
Wie auch immer: es war ein interessanter Abend. Ich fühlte mich auch sehr geehrt, daß M. mich eingeladen hat. Gefreut habe ich mich, daß er sich so ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzt, statt in diese seltsame Passivität zu gehen, die ich heute bei so vielen Männern sehe.
Die Frauenbewegung ist nach Antje Schrupp die einzige soziale Bewegung, die wirklich erfolgreich war (auch wenn es da noch einiges zu tun gibt). Ich fände es so schön, wenn jetzt auch die Männer sich mal aufrappeln und was für sich tun. Jungs, ich möchte so gern Achtung vor euch und Freude mit euch haben!
Danke, M., du Mutiger: für mich bist du ein Pionier.

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