Ordnung

Astrid, immer wenn ich eine Nachricht von dir bekomme, wird mir warm ums Herz. Danke, daß du da bist.
Ich bin eine ziemlich ordentliche Frau, zugegebenermaßen etwas zwanghaft. Das finde ich meistens sehr angenehm - ich muss nie nach dem Autoschlüssel suchen - aber manchmal stände es mir sicher gut, wenn ich mal fünfe gerade sein lassen könnte.
Mein Garten ist allerdings nicht ordentlich. Das zeigt mir der Vergleich mit den Gärten in der Umgebung, die jetzt aufgeräumt sind: die Erde liegt wildkrautlos, quasi gehäutet da, die Stauden sind fein säuberlich direkt über dem Boden abgeschnitten, alles Welke ist entfernt.
Als ich mit dem Gärtnern anfing, träumte ich auch von dieser Art von Ordnung. Aber mir fehlte ganz einfach die Zeit, das alles vor dem Winter hinzukriegen.
Mittlerweile habe ich von der wilden Natur gelernt: die sich selbst überlassene Erde ist immer mit Wildkräutern und Blättern bedeckt, eine warme weiche Decke, die vor Erosion schützt und den Erdorganismen Nahrung schenkt. In den trockenen Pflanzenskeletten können Insekten und andere kleine Wesen überwintern. Gerne sehe ich zu, wenn die Meisen an den dürren Liebstöckel- und Saubohnenstengeln herumturnen und dort immer etwas zu essen finden.
Nur die trockenen Ahorn-, Birken- und Eichenblätter, die als dicke feuchte Schicht auf der Wiese liegen, harke ich zusammen: einen Teil schütte ich in den Knick, wo der Igel sein Winterquartier hat und den anderen gebe ich auf den Kompost. Den habe ich heute zu einem stattlichen Haufen aufgeschichtet, während es um mich herum stürmte und regnete und ab und zu ein Regenbogen aufleuchtete. (In den Aussaattagen 2014 wird der heutige Tag wegen irgendeines astronomischen Events als ungünstig angegeben. Aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen: ich muss die Tage nutzen, an denen ich frei habe.)
Jetzt ist die Herbstarbeit erledigt.
Morgen ist der letzte Kräuterkurs in diesem Jahr: Wurzeln graben und Salben rühren.
Ich freue mich auf die ruhige, dunkle Zeit.

Marie-Luise - 9. Nov, 21:44