Orkan

Am Montag brauste ein mächtiger Orkan über den Norden.
Immer schon habe ich Stürme geliebt und mich ihnen ausgesetzt. Meine Tochter war zu Besuch und wir machten einen Spaziergang. Wir hielten respektvoll Abstand zu den großen Bäumen und ließen uns durchwehen, lauschten dem Brausen und schauten uns die Spuren des Sturms an. Katharina wollte abends nach Hause fahren. Sie hatte am Donnerstag ihren ersten Tag als Referendarin. Auf der Internetseite der Deutschen Bahn erfuhren wir, daß kein einziger Zug mehr fahren würde.
Am nächsten Morgen war immer noch keine Bahnstrecke im Norden passierbar. Katharina fuhr mit mir zum Frühdienst in der Hoffnung, im Lauf des Vormittags doch noch einen Zug oder eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Daraus wurde nichts. Später habe ich die Bilder von den umgestürzte Bäumen auf den Bahngleisen gesehen. Allein auf einer kleineren Strecke Richtung Nordsee sollen es schon 55 gewesen sein.

Schließlich fuhr ich Katharina nach Münster, begleitet von der strahlenden Venus am Südosthimmel. Um 21 Uhr kamen wir an. Martin bewirtete uns mit einer leckeren Nudelsuppe, dann fuhr ich wieder nach Hause.
Die Rückfahrt auf der fast leeren Autobahn erinnerte mich an die vielen Frankreichfahrten, die ich immer nachts stattfanden, während die Kinder auf der Rückbank schliefen und ich die Straßen weitgehend für mich allein hatte. Ich gönnte mir eine kleine Kaffeepause in der leeren Wildeshausener Raststätte und stellte mal wieder fest, daß nachts die beste Musik im Radio kommt. Um 3 Uhr kam ich zu Hause an, fiel ins Bett und stand fünfeinhalb Stunden später wieder auf, um zum Spätdienst zu fahren.
Verrückte Aktion, ich weiß. Aber auch richtig, denn erst gestern Mittag gab die Bahn die Strecke wieder frei. Man kann ja seit vielen Jahren nicht mehr viel Gutes über die Deutsche Bahn sagen, aber dieses Mal habe ich vollstes Verständnis dafür, daß sie mehrer Tage Zeit brauchten, um die Schienen frei zu bekommen und die Oberleitungen zu reparieren.
Ich finde es spannend, wie ein Sturm innerhalb weniger Stunden alle menschlichen Sicherheiten außer Kraft setzt.

Marie-Luise - 2. Nov, 01:16