Sonntag, 18. November 2012

November

Ahninnenfest-2012-002
Ahninnenfest vor einer Woche

Ich habe den Eindruck, für die meisten Menschen ist der November der verhasseste Monat. Nicht für mich: während ich gestern die dicke Schicht gelben Eichenlaubs in der Einfahrt zusammenharkte, genoss ich den freien weiten Blick durch die Äste der leergefegten Bäume. Ich mag den Novembernebel, die grauen kurzen Tage, die dazu einladen, sich ans warme Feuer zu setzen, langsam zu werden und sich nach innen zu wenden. Den Garten kann ich jetzt Wind und Wetter und sich selbst überlassen und anfangen, mich in der Zeit auszudehnen.
Ich fuhr im Nebel nach Hause, siebte Puderzucker auf meinen Geburtstagskuchen (morgen werde ich 59 Jahre alt) und war sehr einverstanden mit mir und der Welt, so wie sie ist.
In diesem Jahr ist viel passiert, was ich nicht in Worte fassen kann. Mir scheint, daß etwas in mir immer weiter, immer offener, immer akzeptierender wird. Und ich verabschiede mich Stück für Stück von den Schubladen, auch von denen, die ich mir selbst gezimmert habe.
Ein Beispiel ist die Schublade mit der Aufschrift "Die Männer".
Ahninnenfest-2012-003
Luisa Francia beschrieb kürzlich in ihrem Blog, wie sie auf einer Zugfahrt mit einem Rudel besoffener Männer zusammentraf, die in den Gang pinkelten und sich auch sonst gründlich daneben benahmen. Sie zog daraus den Schluss, daß die Männer es ihr unmöglich machten, sich mit ihnen anzufreunden.
Meine erste Reaktion war ein heftiges Aufwallen: wie wohl jede von uns kenne ich solche Situationen. Ich habe sehr unangenehme und bedrohliche Erlebnisse mit alkoholisierten Männern gehabt. Ich mag diese Art von Rausch nicht, ich finde Betrunkene im besten Falle langweilig, im schlimmsten abstoßend.
Dieses Aufwallen brachte wieder meine ganze Liste von Vorwürfen und Schuldzuweisungen an die Männerwelt ans Licht.
Dann wusste ich plötzlich, daß meine Reaktion einer Konditionierung entspricht: nämlich die Männer für alles verantwortlich zu machen, was nicht rund läuft in unserer Welt.
Ich glaube mittlerweile, daß Schuldzuweisungen uns nicht weiterbringen.
Ja, ich kenne die Statistiken, daß Männer 80% aller Gewalttaten begehen. Ich habe Frauenverachtung erlebt und weiß, daß sie auf dieser schönen Planetin in vielen Ländern noch tief in den Zellen eingeätzt ist.
Und ich finde auch, daß Männer verantwortlich für die Heilung ihrer eigenen Deformierungen sind.
Was ich sagen will: es gibt nicht die Männer, ebenso wie es nicht die Frauen gibt. Es gibt bei beiden Geschlechtern welche, die sehr schlecht und welche, die gut drauf sind.
Auf dem Frauenkongress hat Astrid Brinck in ihrem schönen Ritual die Geschichte von der Initation eines Mädchens in das Stadium der erwachsenen Frau erzählt. Sie begegnet den wilden Geistern der freien Natur, die ihr klarmachen: eine erwachsene Frau beklagt sich nicht mehr über ihre Eltern.
So sehe ich das mit den Männern: eine eigenmächtige Frau beklagt sich nicht mehr über die Männer. Sie hat die Kraft und die Freiheit, sich mit denen zusammenzutun, die ihr guttun und die anderen zu lassen. Sie ist nicht länger Opfer.
Auch der oft geäußerten Annahme, daß Frauen die besseren und nützlicheren Menschen sind, kann ich nicht (mehr) zustimmen.
Es sind Frauen, die Genitalverstümmelungen an Mädchen ausführen. Es sind Frauen, die ihre Söhne zu lebensuntüchtigen Muttersöhnchen abrichten. Es sind Frauen, die untereinander intrigieren und sich gegenseitig in die Pfanne hauen. Der Falklandkrieg wurde von einer Frau angezettelt. Das sind nur einige wenige Beispiele.
Auch die Ansicht, daß Männer biologisch weniger wichtig sind als Frauen, finde ich ignorant. Ich traue der Evolution zu, daß sie gute Gründe gehabt hat, nach dem Weiblichen irgendwann auch das Männliche hervorzubringen. Von den Bienen habe ich gelernt, daß das Männliche für die genetische Vielfalt zuständig ist. Denn die Parthenogenese bringt ja immer nur Klone hervor, also Monokulturen.
Wie so viele andere Menschen glaube auch ich, daß wir auf der Schwelle zu einer neuen Zeit stehen. Die Aufgabe und große Herausforderung scheint mir darin zu bestehen, daß wir lernen, als weibliche und männliche Menschen zusammenzuwirken zum Wohle des Großen Ganzen. Ich glaube auch, daß es noch mehr Geschlechter gibt, deren Existenz erst allmählich ins öffentliche Bewusstsein dringt.
Ahninnenfest-2012-005

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