Feminismus

Ein schöner Tag:
nach dem Markt traf ich mich mit Ida zum Essen und anschließend leisteten wir uns Cappucino, Kuchen und Pralinen bei Schokodeern an der Holtenauer Straße. Manchmal muss einfach etwas Luxus sein. Schokodeern stellen alles selbst aus ökologischen und regionalen Zutaten her. Absolut köstlich! Und in dem Laden arbeiten auch lauter Schokodeerns!
Nachmittag fuhr ich bei schönem Wetter zwölf Kilometer hügelauf und hügelab nach Lütjenburg zum Bioladen, weil es da Sachen gibt, die ich sonst nirgendwo bekomme, z. B. getrocknete Wildkirschen, die ich gern in meinen morgendlichen Porridge tue. Vielleicht gelingt es mir irgendwann mal, die selbst zu trocknen, aber vermutlich erst als Rentnerin ;-). Außerdem gibts da immer die neuste Ausgabe von Brennstoff, dieser kostenlosen Zeitschrift aus Österreich, in der ich immer wieder zutreffende, nachdenkenswerte und erfreuliche Dinge finde, etwa zum Thema Heimat:
"Wenn man gar nicht (oder kaum) in sich selber daheim ist, dann ist man für Ablenkungen aller Art anfällig, verführbar zu allen möglichen Unsinnigkeiten. Schon die Kinder sind Zielscheibe der Werbe-, der Computer- und der Konsumindustrie und so überrascht es gar nicht, dass Kinder in Afrika, trotz minimaler materieller Möglichkeiten, viel eher in sich selber daheim sind und so meistens verträglichere Mitmenschen sind als unsere Kinder , die von tausend Ablenkungen zerfressen werden. Warum lassen wir das zu?"
Heini Staudinger muss das wissen, weil er Projekte in Afrika hat und sich dementsprechend oft dort aufhält.
Als ich mein Fahrrad vorm Bioladen abstellte, drehte sich eine vorbeigehende Frau nach mir um. Es war G., eine ehemalige Nachbarin aus Kükelühn. Da mussten wir erst mal ein Weilchen schnacken. Ich bin ja vor fünf Jahren ohne Abschied aus dem Dorf verschwunden, weil ich nicht die Nerven für Fragen und Erklärungen hatte. Heute habe ich mich über unser Treffen gefreut.
Nach dem Einkauf fuhr ich mit Blick auf die Abendsonne zurück, ganz stolz über meine sportliche Leistung. Zwischendurch machte ich noch Fotos vom wunderbaren Himmel über dem Selenter See, während große Keile von Kanadagänsen laut rufend über mich hinwegzogen.

Als ich meinem Vater neulich gegenüber äußerte, ich wäre Feministin, verstand er das als Männerfeindlichkeit. Das denken wohl einige.
Der Feminismus entstand aus der Empörung über die Situation der Frauen in den Industrienationen und verlief in mehreren Wellen: die erste fand ungefähr um 1900 herum statt und es ging um das Wahlrecht für Frauen. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts sah es relativ gut für die Frauen aus, bis die Nazis wieder alles zunichte gemacht haben. Leider sind viele Frauen ihnen damals auf den Leim gegangen.
Die nächste Welle fing in den sechziger Jahren des letzen Jahrhunderts an. Ich bin Feministin geworden, als ich erkennen musste, daß die Linken, zu denen ich mich zugehörig fühlte, im realen Leben genauso ausbeuterisch und verächtlich mit Frauen umgingen wie die bürgerlichen Männer.
Der Feminismus ist keine einheitliche Bewegung. Es gibt darin auch Frauen, die ganz entschieden gegen Männer sind. Sie werden ihre Gründe dafür haben. Berühmte Pionierinnen der Frauenbewegung haben enge und langjährige Beziehungen zu Männern gehabt: Simone de Beauvoir hatte jahrzehntelang Jean Paul Sartre als Lebensgefährten, um nur ein Beispiel zu nennen.
Beim Frauen & Männer-Kongress hörte ich einen Mann sagen, er verstände nicht, warum es heute noch Feministinnen gäbe.
Ich möchte dazu sagen: solange es noch sexualisierte Gewalt und solche Abscheulichkeiten wie Zwangsprostitution gibt, solange noch der Mann in der Medizin und in vielen anderen Bereichen als der Prototyp gesehen wird, solange ist Feminismus eine Notwendigkeit. Frauen sind in unserer Kultur mindestens seit der Inquisition als Menschen zweiter Klasse behandelt worden. Da sitzt noch viel Schmerz und Wut in unseren Körperzellen. Heilung braucht Zeit und Wachsamkeit ist angebracht.
Und dabei bin ich mir bewusst, daß auch das Gros der Männer Opfer der patriarchalen Strukturen ist. Wenn die auch anfangen, sich um ihre Genesung kümmern, dann stehen die Chancen gut, daß wir es schön miteinander haben können.
Ach und nicht zu vergessen die unzähligen Frauen auf unserer Planetin, denen es ganz miserabel geht (ich sage nur: Afghanistan) und die noch einen langen schmerzhaften Weg vor sich haben und unsere ganze Solidarität brauchen!
Marie-Luise - 11. Okt, 22:46