Jutta (Gast) - 11. Mär, 23:17

Ja, das ist schwierig. Hier in Münster ist es ja der Superbiomarkt, der den Bioladen-Sektor fast komplett überrollt hat (und natürlich die Bio-Lebensmittel aus den Supermärkten und Discountern). Ich habe ja eine Weile für die Schoppe gearbeitet, einen der letzten unabhängigen kleinen Bioläden, der dann auch prompt pleite gegangen bzw. von seinem Besitzer aufgegeben worden ist, weil er sich einfach nicht getragen hat. In der Schoppe habe ich 7,50 € die Stunde verdient. Mehr konnte der Besitzer einfach nicht zahlen, der hat eh jeden Monat drauf gezahlt.

Und auch die Bioerzeuger, die es wirklich ernst meinen, haben meist keinen nennenswerten Stundenlohn vorzuweisen. Ich meine, selbst ein konventionell arbeitender Landwirt mit einem relativ großen Hof verdient an der eigentlichen Landwirtschaft ja schon kaum was. Und im Bio-Landbau sind die Margen zwar geringfügig höher, dafür aber die Erträge doch deutlich niedriger, zumindest, wenn Bio eben nicht nur der Aufkleber auf dem Apfel sein soll, sondern neben dem für die Zertifizierung unbedingt notwendigen eben auch auf Aspekte wie Nachhaltigkeit geachtet wird. Die einzigen, die das wirklich ernst nehmen, sind die Demeterhöfe und die finanzieren sich meist nicht über die eigentliche Landwirtschaft, sondern über Fördergelder für Behindertenarbeit, über Seminarbetrieb, Ferien auf dem Bauernhof oder irgendeinem anderen zweiten Standbein. Nicht, dass ich das den Demeter-Betrieben vorwerfe. Im Gegenteil. Ich finde es nur wichtig, im Bewusstsein zu haben, dass selbst die auch für mein Gefühl schon ziemlich teuren Demeter-Produkte eigentlich immer noch billiger verkauft werden, als sie eigentlich verkauft werden müssten, wenn landwirtschaftliche Arbeitskraft irgendwie fair entlohnt werden sollte. Und die Schoppe ist jetzt von Schlickertann übernommen worden (die hatten vorher schon einen Bioladen auf der Warendorfer Straße) und läuft auch nur weiter, weil die jetzt Behinderte beschäftigen und deren Gehälter halt gefördert werden. Das kann es doch nicht sein.

In dem Dorf in Kanada, wo ich auf einem Biohof gewwooft habe, und wo es sehr viele kleine Biobetriebe gab, haben die Biobauern sich ernsthaft überlegt, eine lokale Fair-Trade Initiative zu gründen, weil ihnen nämlich auch nicht viel mehr zum Leben blieb als einem kolumbianischen Kaffeeplantagen-Arbeiter. Ein beliebter Witz war da: Ein Farmer gewinnt 1 Million Dollar in der Lotterie. Ein Reporter fragt ihn: "Was machen Sie denn jetzt mit dem ganzen Geld" "Och", antwortet der Farmer, "ich denke, ich werde einfach weiter farmen bis das Geld verbraucht ist."

Die Biobranche boomt, in Kanada ebenso wie hier. Jedes Jahr feiern die trotz Wirtschaftskrise zweistelliges Umsatzwachstum. Aber bei denen, die die eigentliche Arbeit machen, kommt davon nicht wirklich etwas an. Der Großhandel im Biobereich unterscheidet sich keinen Deut von dem für den normalen Supermarkt. Klar, ist alles irgendwie noch etwas kleiner und überschaubarer, man duzt sich am Telefon und in der Kantine gibt es Bio-Vollwertessen, aber im Endeffekt geht es da auch immer nur um Effizenzsteigerung. Und selbst die Händler und Produzenten, die es anders machen wollen, passen sich auf Dauer entweder an, oder sie gehen unter. Das ist "das System".

Wirklich entkommen kann man dem auch als Verbraucher schlecht. Ich kaufe auch nur noch das allernötigste, überlege mir bei jedem Teil, ob ich das wirklich brauche, ob ich nicht auch was altes reparieren und weiter verwenden kann, oder etwas SecondHand bekomme. Vieles braucht man auch wirklich nicht. Aber essen muss man ja nun mal. So eine richtig befriedigende Lösung hab ich da noch nicht gefunden. Demnächst hab ich dann wenigstens einen richtigen Garten und eigene Hühner (ich bin gerade im Umzug nach Ostfriesland).

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