Einschließen - Ausschließen?

Beim Googeln (eigentlich muss das bei mir mittlerweile Startpagen heißen) bin ich auf das nicht mehr ganz so neue Projekt der Einstürzenden Neubauten gestoßen: eine Performance zum Thema 1. Weltkrieg, die im Auftrag der belgischen Provinz Flandern entwickelt wurde. Großartig, was die Jungs daraus gemacht haben. Ich bin nun seit dreißig Jahren immer wieder von Neuem von ihnen fasziniert, das hat keine andere Musikgruppe geschafft. Ich habe sie in den 80er Jahren, während der tiefgreifendsten Umbruchphase meines Lebens, kennen gelernt.
Hier eine Kostprobe, das hypnotische Der 1. Weltkrieg (percussion version):
https://www.youtube.com/watch?v=57UD76ys6ek
Vor einigen Tagen sah ich einen Film über den Weg von Geflüchteten aus Afghanistan, Eritrea und Syrien, der aus Handyfilmen zusammengeschnitten worden ist. Er ist mir sehr nahe gegangen, weil er etwas zeigt, was ich mir in dieser Weise bisher gar nicht vorstellen konnte:
http://www1.wdr.de/fernsehen/film_serie/kinozeit_dokumentarfilm/sendungen/my-escape-meine-flucht-100.html
Gestern stieß ich auf den Nachdenkseiten (die ich mittlerweile nicht mehr gern ansehe, da ich sie oft unangenehm polemisch finde) auf einen Filmausschnitt, in dem Gabriele Krone-Schmalz sich zum Syrien-Krieg und besonders zu der Art und Weise, wie die Rolle Russlands seit einiger Zeit in den Medien dargestellt wird, auf sehr scharfsichtige Weise äußert. Nebenbei entlarvt sie auch noch Anne Wills ziemlich platte journalistische Manipulation. WelcheR also mehr wissen will als die immer gleiche Rethorik "Wir sind die Guten und der Putin ist der Böse", sollte sich das ansehen:
https://www.youtube.com/watch?v=xZ1grUrxWvU
Und auf Luisa Francias Blog steht unter dem heutigen Datum ein extrem bissiger und guter Witz zum Thema Flüchtlinge.
Genug der Links. Heute fiel mir auf, daß die Dinge, die ich aus meinem Leben, meinem Denken, meinen Überzeugungen ausschließe, im Laufe meines Lebens immer weniger geworden sind. Ich merke es z. B. an meinem Umgang mit Religion. Ich bin mit 17 Jahren aus der evangelisch-lutherischen Kirche ausgetreten und seitdem nur noch in der Kirche gewesen, wenn es unbedingt sein musste: bei Beerdigungen und Hochzeiten. Ich war dann auch immer nur stumme Teilnehmerin. Mit meiner Ablehnung der Kirchen ging auch eine Ablehnung des christlichen Glaubens einher.
Nun bin ich immer noch keine Kirchenfreundin und werde es in diesem Leben kaum noch werden (außerden drückt die lutherische Kirche sich nach wie vor mit windelweichen Ausreden vor dem endlich fälligen Eingeständnis ihrer massiven Beteiligung an den Hexenverbrennungen). Aber ich beginne zu sehen, daß es eigentlich egal ist, was Menschen glauben, solange sie damit keinem Wesen schaden: wenn es ihnen hilft, sich im Leben zu verwurzeln, dann ist es doch gut. Und MystikerInnen hat es in allen Religionen gegeben: das sind in meinen Augen die Menschen, die das sogenannte Spirituelle direkt erfahren. Die führen jedenfalls keine Kriege um den rechten Glauben und missionieren auch nicht.
Wenn ich nicht mehr ausschließe, schließe ich dann aber ein? Das Einschließen ist für mich freiheitsliebende Frau kein schönes Wort: da gibt's ja auch wieder eine hermetische Grenze. Was dann? Vielleicht Annehmen.

Marie-Luise - 23. Feb, 19:55