Samstag, 4. April 2015

Verkehrs-Wahnsinn

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Am Mittwoch wollte ich nach dem Frühdienst nach Hamburg fahren, hatte dort eine Verabredung. Während der Arbeit hatte ich ein sehr deutliches Keine-Lust-Gefühl. Nachdem ich seit vier Uhr morgens auf den Beinen war, wollte ich nur nach Hause, ein Nickerchen machen, einen Kaffee trinken und meiner üblichen Routine nachgehen. Und ich wollte die Katze nicht so lange allein lassen.
Statt mich nach diesem Gefühl zu richten, dachte ich daran, wie schwer es gewesen war, einen Termin zu finden und daß die nächste Möglichkeit frühestens in drei Wochen sein würde. Ich fuhr also los und geriet in einen gigantischen Stau, der kurz hinter Kiel begann. Aus dem Radio erfuhr ich, daß der Sturm bei Neumünster einen LKW-Anhänger umgeblasen hatte. Der lag jetzt quer und musste wieder aufgerichtet werden, was aber wohl nicht so einfach möglich war.
Es war irgendwie surrealistisch: Ich stand auf der A 215 in Sichtweite der A 7, auf die ich ja wollte. Aber auch da stand alles. In den folgenden zwei Stunden kam ich gerade 500 m weiter und das in Meter-Etappen. Den größten Teil der Zeit war einfach nur Stehen angesagt. Dabei hatte ich Gelegenheit, den Müll im verdorrten Gras neben der Fahrbahn zu betrachten: Plastikfetzen, Bier- und andere Dosen, leere Zigarettenschachteln, von Wind und Wetter transformierte Reste menschlicher Zivilisation (jetzt finde ich den Begriff Zuvielisation aus der Oya noch passender). Auf der Fahrbahn klebte ein plattgefahrenes Tier. Nur der lange buschige Schwanz wehte im heftigen Wind. Diesen Anblick hatte ich über eine Stunde vor mir, und ich kann gar nicht beschreiben, welche seltsamen Gefühlszustände ich in dieser Zeit durchlief: es war ein wenig wie in einem Fiebertraum, in dem bedrängende Szenen sich abwechseln.
Neben mir stand ein dicker LKW, dessen Fahrer fast die ganze Zeit den Motor laufen ließ. Die Frau im Auto hinter mir war offensichtlich bestens mit ihrem Smartphone beschäftigt, während mein altes Handy nur (immerhin) dazu taugte, meinen Termin abzusagen. Das Radio nervte mich. Ich dachte daran, wie ich vor vielen Jahren mal auf dem Rückweg aus der Bretagne kurz vor Paris in einen Stau geriet. Meine Tochter und ich haben bei glühender Hitze über eine Stunde laut alle Lieder gesungen, die uns einfielen und den Stau bestens gelaunt hinter uns gelassen.
Aber dieses Mal war mir nicht nach Singen. Ich hätte gern ein kleines Schläfchen gemacht, aber auch das war nicht möglich.
An diesem Tag bin ich nicht nach Hamburg gekommen, aber lauthals gesungen habe ich dann abends zu Hause vor Erleichterung.

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