Urteile

Ich lese gerade mit großem Vergnügen Terry Pratchetts I Shall Wear Midnight. Wie die anderen Bücher über die Hexe Tiffany Aching voller köstlichem englischen Humor und gleichzeitig sehr tiefsinnig. So liebe ich es: was zum Lachen und zum Nachdenken. Es geht in dem Buch um die wie aus dem Nichts kommende Verfolgung von Hexen.
Die Frage beschäftigt mich ja schon lange: was hat dazu geführt, daß Zehntausende Frauen, Männer und Kinder über mehrere hundert Jahre wegen Hexerei verbrannt wurden? Es gibt viele Erklärungsmodelle, bei denen die Kirchen als Schuldige da stehen. Sie haben auch ganz offensichtlich den Weg bereitet. Aber sie waren es nicht allein, das muss jetzt auch mal gesagt werden. Seit ich mich mit den ganz konkreten Hexenprozessen in Schleswig-Holstein befasse, wir mir immer klarer, daß sich da etwas ganz Banales abgespielt hat: einem ist die Kuh gestorben oder die Ernte verdorben. Nun wird ein Schuldiger gesucht. Vielleicht ist es ja die Nachbarin gewesen, mit der man schon länger Streit hatte. Also wird die angezeigt.
Das ist die "Banalität des Bösen", wie Hannah Arendt es nannte. Jetzt sind die Flüchtlinge in einigen Kreisen das kollektive Feindbild.
Überhaupt sind die meisten von uns sehr schnell mit Urteilen, und damit meine ich auch mich. Ich dachte geringschätzig über eine Frau in meinem Umfeld, weil ich eine ihrer Handlungen befremdlich fand. Vor einigen Tagen ließ sie im Gespräch ganz beiläufig ein paar Worte fallen, die mein Befremden sofort auflösten. Das war ein Moment der Erleuchtung für mich: Ah, deshalb hat sie das gemacht! Sie hat auf diese Weise richtig gut für sich selbst gesorgt!
Wie oft geschehen diese Verurteilungen aus Unkenntnis?! Wie wahr ist doch das indianische Sprichwort, man solle einen anderen Menschen erst verurteilen, wenn man drei Monate in seinen Schuhen gelaufen ist.
In letzter Konsequenz würde das dazu führen, daß keiner mehr verurteilt wird.
Oft spielen ja auch Neid und Missgunst eine Rolle. Wie wäre es, wenn ich mich daran freue, daß eine andere Person Fähigkeiten hat, die ich nicht habe? Ich kann doch davon ausgehen, daß ich andere Dinge besser kann und wir uns auf diese Weise gegenseitig helfen können.
Wenn ich z. B. sehe, wie mein Nachbar mit seiner Motorsäge die Bäume in meinem Knick ganz leicht und elegant zerlegt, kann ich nur staunen. Ja super, er macht etwas, was ich erst lange üben müsste. Und ehrlich gesagt, ich habe schon genug andere Sachen zu tun, da bin ich froh und dankbar, daß er diese Aufgabe übernimmt. Dafür spalte ich dann die Stumpen und freue mich über das neue Brennholz.
Immer wieder fordert mich das Leben heraus, meinen geistigen Horizont zu erweitern. Das fühlt sich manchmal rauh und holperig an, wenn ich liebgewonnene Glaubenssätze fallen lassen muss, weil sie sich als unwahr herausgestellt haben. Aber letztendlich ist es großartig und fühlt sich sehr weit und frei an.
Alles ist möglich. Das ist auch das Thema der Lichtmesszeit.

Dieses Foto zeigt meine Tochter und ihren Vater und ist vierunddreißig Jahre alt. Damals wurde überall und in jeder Lebenslage geraucht, und keiner hat sich drum geschert. Nicht daß ich wieder mit Rauchen anfangen möchte, aber manchmal finde ich es doof, wenn sich bei geselligen Anlässen die ganzen Raucher nach draußen verziehen und dort ihre Parallelkultur zelebrieren (müssen). Deshalb dürfen rauchende Freunde auch in meiner Wohnung schmöken. Kommt allerdings nicht oft vor.
Marie-Luise - 11. Feb, 21:37
meertau (Gast) - 18. Feb, 22:01
oh... so eine gastliche nichtraucherin. wie lieb.
ich wollte einfach nur mal einen gruß hier lassen, weil ich so lang schon still mitlese.
ich wollte einfach nur mal einen gruß hier lassen, weil ich so lang schon still mitlese.
Erinnerungen
ich weiß nicht, ob Du Dich noch an mich erinnerst? Ich habe einige Zeit auf Deine Tochter Katharina aufgepasst.
Ich bin heute zufällig auf Deine Seite gestoßen und das Kinderbild von Katharina und Deinem ersten Mann gesehen.
Danach habe ich Deinen kompletten Block gelesen. Hat mich ziemlich aufgewühlt auch Deine vielen tollen Bilder haben mir sehr gefallen.
Viele liebe Grüße
Marlies Schräer