Pyrrolizidinalkaloide

Gestern Abend druckte ich den neuen Trachtkalender der schleswig-holsteinischen Stiftung Naturschutz aus und war beim Lesen erst mal fassungslos. Da werden nämlich ausdrücklich alle Rauhblattgewächse (also Beinwell, Vergissmeinnicht, Lungenkraut, Borretsch, Natternkopf usw.) sowie Huflattich, Kreuzkräuter und Wasserhanf ausgespart, mit dem Hinweis auf die giftigen PAs. GärtnerInnen sollen diese Pflanzen also nicht halten, damit die Bienen kein Gift in ihren Honig bringen.
Himmel, Leute, ihr werdet immer verrückter! Eigentlich will ich mich über so viel Schwachsinn nicht mehr aufregen, andererseits habe ich direkt damit zu tun, wenn ich in Kräuterberatungen immer wieder von Neuem erklären muss, daß hier schlimmste Hysterie verbreitet wird, weil eine Pflanze PAs im Mikrogrammbereich enthält.
WelcheR Angst um seine/ihre Leber hat, sollte erst mal seinen/ihren Alkoholkonsum unter die Lupe nehmen: wie regelmäßig und welche Mengen? Oder sich mal fragen, welche Medikamente er/sie zu sich nimmt: die beliebtesten sind heutzutage ja Paracetamol (gibt's ohne Rezept), Betablocker und Schlaftabletten. Was meint ihr, was eure Leber dazu sagt? Das steht übrigens im Kleingedruckten, aber es werden keine reißerischen Artikel darüber in der Zeitung geschrieben, wie in den letzten Jahren über den Borretsch.
Und zum Bienenhonig: ich finde, daß Honig ein absolutes Luxusprodukt, ja eigentlich Medizin ist und nehme nur ganz wenig davon. Wenn dann ein wenig Pyrrolizidin drin ist, stört mich das nicht, wohl aber die Tatsache, daß massenweise Agro-Chemikalien im Raps-Honig stecken. Ich weiß das, weil ich seit Jahren erlebe, wie der Raps viele Male pro Vegetationsperiode gespritzt wird. Auch das muss meine Leber bewältigen.
Mich erinnert dieses hysterische Miesmachen von altbewährten Heilpflanzen an die 70er Jahre, als mein Sohn geboren wurde und jungen Müttern ernsthaft vom Stillen abgeraten wurde, weil die Muttermilch so schadstoffbelastet sei (damals noch DDT, auch ein weltweit eingesetztes Agrogift. Ich finde es übrigens ziemlich übel, daß diese Substanzen "Pflanzenschutzmittel" genannt werden).
Unser Fettgewebe ist das chemische Gedächtnis unseres Körpers, und natürlich finden sich Gifte aller Art in der Muttermilch. Aber welchen Schluss ziehen wir daraus? Auf alles Natürliche zu verzichten oder endlich mal Schluss mit der Vergiftung der Natur zu machen?
Und die Gifte in den Pflanzen? Die Dosis macht's, das wusste schon Paracelsus.
Ich werde weiterhin Borretsch in Frankfurter grüner Soße essen. Beinwell habe ich kürzlich erst wieder mehrere Wochen lang kurmäßig in starker Konzentration zu mir genommen (gut für meine Gelenke), und meine bei der Betriebsärztin bestimmte Gamma-GT ist bestens.
Ha!
Ein Trost war mir dieser Anblick heute auf dem Markt: die Natur setzt sich letztlich immer durch!

Marie-Luise - 14. Jul, 15:15