Alles ist richtig

Das wächst in der Kieler Innenstadt ganz öffentlich.
In den letzten Wochen hatten wir hier im Norden ganz schönes Sommerwetter. Ich war viel draußen und fand alles schön: die Blütenpracht, die üppigen Pflanzen, das Summen der Bienen, das Zwitschern der Schwalben. Mindestens einmal am Tag sagte ich mir oder anderen, die gerade da waren: wir haben es gut, es ist so schön hier!
Ja, ich sehe auch, was nicht schön ist: den breiten brauen Glyphosatstreifen unterhalb des Elektrozauns an der Schafweide, die Flüchtlinge, die jetzt dank der Schließung der Balkanroute wieder zu Hunderten im Mittelmeer absaufen, einen offensichtlich dissozialen Anwärter auf das amerikanische Präsidentenamt...
Aber auf einer anderen Ebene scheint das alles einen tieferen Sinn zu haben, alles hängt miteinander zusammen, alles ist viel zu groß, als daß wir es verstehen könnten. Ja, und jenseits von der Ebene von gut und schlecht sehe ich die Schönheit, die Fülle und wie gut ich es habe und fühle mich sehr beschenkt.
Ich habe häufig das Gefühl, daß es nichts mehr zu erreichen gibt, und das ist überraschenderweise ein ziemlich gutes Gefühl. Einfach die Hände in den Schoß legen und das Leben bestaunen!
Das sind Tage, an denen ich mit einem Urlaubsgefühl zur Arbeit fahre und mich morgens um Viertel vor sechs eine Frau anlächelt, die ihren Hund ausführt.
Mit den Geflüchteten übte ich heute die Anwendung von Verben mit Akkusativ. Das Verb vermissen kannten sie alle und bildeten Sätze damit: "Ich vermisse mein Land" und "Ich vermisse meine Heimat". Das kann ich so gut verstehen. Möge es ihnen gelingen, auf diesem schönen Flecken Erde Wurzeln zu schlagen.

Meine Tochter war zu Besuch
Marie-Luise - 8. Jun, 20:38