Brennessel

Nachdem ich im September beim Besteigen des Rollers meines Kollegen S. gestürzt bin und dabei die Statik meines Schultergürtels verschoben wurde, habe ich es mit Osteopathie versucht. Das war sehr angenehm, hat mir auch einige neue Einsichten beschert, jedoch nichts an der Bewegungseinschränkung und den Schmerzen in meinem Schultergelenk geändert. Seit Anfang des Jahres bin ich also wieder bei der Physiotherapeutin, die mir schon so gut mit meiner tauben rechten Hand geholfen hat.
Ich bin wieder fasziniert von ihren wissenden Händen, die genau spüren, wo etwas getan werden muss. Es wurde auch schnell besser, aber der Schmerz wollte nicht ganz verschwinden. Bei der vorletzten Sitzung vertrat sie die Hypothese, daß der Schleimbeutel im Schultergelenk chronisch entzündet sei und durch den ständigen Kontakt mit der Sehne sich auch nicht erholen könne. Da helfe nur ein entzündungshemmendes Medikament: Cortison oder Diclofenac.
Wie immer, wenn mir etwas als alternativlos angeboten wird, noch dazu aus der Werkzeugkiste der Schulmedizin, fühle ich einen starken inneren Widerstand: Weder nehme ich Cortison noch Diclofenac, es muss auch anders gehen.
Wie haben es denn Menschen vor der Pharma-Ära gemacht?
Da fielen mir die Brennessel, meine alte Freundin, und die Weide ein. Beide wirken entzündungshemmend, Weidenrinde darüber hinaus noch schmerzlindernd. Ich entschied mich für die Brennessel, weil die in meinem Garten wächst. Ich glaube, daß die hilfreichen Pflanzen in der Regel vor der Haustür zu finden sind.
Jetzt gibt es jeden Morgen einen starken Brennesselsud, der über Nacht gezogen hat. Und was soll ich sagen: meine Schulter fühlt sich wieder normal an, die Schmerzen sind vorbei. Liegt es an der guten Physiotherapeutin oder an der Brennessel? Ich weiß es nicht.
Ich weiß aber, daß es sich mal wieder gelohnt hat, die Frage zu stellen: Geht es auch anders?
Und noch etwas ist mir bei der Gelegenheit eingefallen: ich wurde oft von anderen Menschen als eigensinnig und starrköpfig bezeichnet. Das bin ich sicher auch. Und mittlerweile sehe ich das als eine meiner Qualitäten. Denn dieser starke Wille, meinen eigenen Weg zu finden und die Weigerung, nur eine Antwort für richtig zu halten, hat mir zu einer großen Freiheit verholfen. Das heißt: in erster Linie glaube ich meiner eigenen Wahrnehmung und Intuition und nicht den sogenannten Fachleuten, die glauben, sie wüssten besser über meinen Körper Bescheid als ich.

Marie-Luise - 5. Feb, 20:19