AlleinSein

Ich habe überstundenfrei und genieße das sehr. Es ist um diese Jahreszeit so wenig zu tun und so kann ich mich in der Zeit ausbreiten.
Nach ein paar sehr kalten Tagen, an denen der Reif eine Zauberlandschaft schuf, ist es plötzlich wieder so mild geworden, daß die Bienen fliegen, jedenfalls die des großen Volks.
Gestern erkundete ich bei Nebel die Gegend östlich von Bellin, wo ich bisher noch nicht gewesen bin. Ich ging querfeldein, kroch durch Stacheldraht und watete durch einen munter murmelnden Bach und kam schließlich in einen Wald. Wenn Wolf-Dieter Storl sich als Teil des Waldes bezeichnet, kann ich das gut verstehen. So fühle ich mich auch, sobald ich den Wald betrete, obwohl er hier im Norden ja nichts mehr von seiner ursprünglichen Wildheit hat. Im Wald fühle ich mich zu Hause. Die alten Märchen, in denen es Wälder mit einsamen Häuschen gab, in denen eine alte Hexe wohnte, haben mich immer schon angesprochen. Hier ist der Ort, an dem echtes AlleinSein möglich ist: mit allem eins sein. Das Wohlgefühl, das mich oft auf meinen Streifzügen ausfüllt, kann ich gar nicht in Worte fassen. Ich würde es gern mit anderen Menschen teilen, aber das scheint mit Sprache nicht möglich zu sein.
Im Nebel tauchten eine Frau und ein Hund auf. Es ergab sich ein kurzes Gespräch, als ich stehenblieb und dem Hund die Gelegenheit gab, mich ausgiebig zu beschuppern.

Ich lese gerade Terry Pratchetts letztes Buch: The Shepherd's Crown. Es wird kein weiteres von ihm geben, er ist im letzten Jahr gestorben, nachdem er schwer an Alzheimer erkrankt war und seine Bücher nur noch mit Hilfe schreiben konnte.
Auch wenn es Fiktion ist, beim Lesen habe ich immer wieder den Eindruck, Terry Pratchett war einer von denen, die wissen: um die Geheimnisse zwischen Himmel und Erde, um die Menschen, um das feine Netz, das alles miteinander verbindet. Und es ist wunderbar, wie er Magie beschreibt: als das, was geschehen kann, wenn eineR konsequent der eigenen inneren Stimme folgt.

Marie-Luise - 26. Jan, 21:29