Mittwoch, 28. Januar 2015

Verrückt

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Mein Sohn hat mich zu Recht darauf hingewiesen, meine Äußerungen zum Anschlag auf Charlie Hebdo noch mal zu überdenken. Ich habe da von "Verrückten" gesprochen. Das ist in meiner ersten Fassungslosigkeit geschehen.
Bei genauem Nachdenken wird aber klar, daß ich damit erstens der Sache derer, die der Volksmund verrückt nennt, also den psychisch Kranken, keinen guten Dienst erweise. Denn es könnte der Eindruck entstehen, daß Verrückte auch gleichzeitig potentielle Gewalttäter sind. Tatsächlich ist aber der Prozentsatz derer, die auf Grund einer seelischen Erkrankung gewalttätig werden, verschwindend gering. Es gibt sie, aber die Zahl derer, die als ganz normal gelten und dann Menschen angreifen, sexualisierte Gewalt ausüben oder töten, ist um ein Vielfaches größer.
Zweitens ist es wohl so, daß es sich bei den Tätern von Paris um die Loser eines Gesellschaftssystems handelt, Entwurzelte, Menschen, die keiner zu brauchen scheint. Das haben wir in Deutschland auf kollektive Weise in der Weimarer Republik erlebt: aus den Reihen der nach der Weltwirtschaftskrise arbeitslos gewordenen Menschen sind den Kackbraunen die Massen nur so zugeströmt. Mein Lieblingsopa war einer von denen, die den Versprechungen des Anstreichers (Bert Brechts süffisante Benennung Hitlers) auf den Leim gingen.
Das entschuldigt nichts, aber es erklärt einiges.
Überall, wo das soziale Gefälle sehr krass ist und es nur um Wirtschaftswachstum und Profit geht, aber das Wohlergehen und Zusammenleben aller lebendigen Wesen keine Rolle zu spielen scheint, droht die Gefahr von Terrorismus.
Der Zynismus der Anschläge in Frankreich spiegelt nur den Zynismus der kapitalistischen Systems.

Den sehe ich zur Zeit auch an der Kieler Uniklinik gespiegelt: seit Tagen ist die Berichterstattung voll von den multiresistenten Keimen, die dort auf der Intensivstation aufgetaucht sind und schon Todesopfer gefordert haben. Man muss dazu wissen, daß die Vorstandsmitglieder unanständig viel Geld für ihre Arbeit bekommen, daß aber seit Jahren schon Mangel an Pflegekräften besteht, die zu Gehaltskürzungen als Beitrag zur Sanierung des bankrotten Klinikums gezwungen wurden, darüber hinaus die Mitarbeiter einer ausgelagerten Reinigungsfirma mit Hungerlöhnen und zusammengekürzten Arbeitszeiten ein Pensum erledigen sollen, was schlicht nicht zu schaffen ist.
Unterm Strich kann man also sagen, daß Hygienemängel und Personalknappheit eine der Ursachen der Ausbreitung von multiresistenten Keimen ist.
Ein jahrzehntelanger fahrlässiger Umgang mit Antibiotika tut sein Übriges dazu.
Das Pflegepersonal des UKSH hat in den letzten Jahren immer wieder mit Überlastungs- und Gefahrenanzeigen auf die Misere hingewiesen. Wenn nun der Vorstandschef behauptet, es gäbe genug Personal und die Hygienemaßnahmen seien bestens, finde ich das auch nur zynisch und ignorant.
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