Vogelgrippe - déja vu

Gestern unterhielt ich mich mit einem Mann, der Geflügel hält, schlachtet und verkauft. Ich fragte ihn, ob er jetzt auch seine Vögel einsperren müsse. Er sagte, daß die Veterinäre über diese Anordnung nur höhnisch lachen könnten.
2006 habe ich die Hysterie um den Vogelgrippevirus H5N1 erleben müssen: wir hielten damals Laufenten, die sich eines schönen Lebens in unserem großen Garten mit großem Teich erfreuten. Dann wurde in der Nähe ein toter Bussard gefunden, der angeblich den Virus in sich trug. Nun wurde Stallpflicht für alles Federvieh angeordnet. Wer freilebendes Geflügel hält, weiß daß das Tierquälerei ist. Enten, die Wasser zum Gründeln, für die Gefiederpflege, zum Paaren und zum Wohlfühlen brauchen, sehen im Stall in NullKommaNix schmuddelig und unglücklich aus. Und natürlich werden sie unter diesen Bedingungen schnell krank. Ich habe meine Enten nur tageweise eingesperrt. Nicht in den Stall, das brachte ich partout nicht übers Herz, sondern in ein erweitertes Gehege, das wir teilweise mit Planen überdacht hatten. Eine der Enten flog weg, als wir sie in das Gehege trieben. Man sagt ja immer, Laufenten könnten nicht fliegen. Die konnte es offensichtlich. Ich habe sie nie wieder gefunden. Meistens ließen wir die Enten frei rumlaufen. Dabei hatte ich kein gutes Gefühl, weil ab und zu Nachbarn nachfragten: "Ihr müsst die doch einsperren." Ich fürchtete die immer noch vorhandene deutsche Blockwartmentalität.
Einige Jahre später sagte mir ein Mann, der 2006 zur Vogelgrippe forschte, die ganzen Maßnahmen seien hysterisch und völlig überzogen gewesen. Fein, dachte ich, dann wird so ein Schwachsinn wohl nicht mehr vorkommen.
Aber wie konnte ich auf die Lernfähigkeit der Politiker und ihrer Berater vertrauen? Der grüne Minister Habeck hat jetzt für Teile von Schleswig-Holstein ein Aufstallungsgebot erlassen. Vielleicht sollte er lieber wieder in seinen ursprünglichen Beruf als Schriftsteller zurückgehen.
Der Geflügelzüchter erzählte mir gestern ein paar Dinge, mit denen sich so bescheuerte und empörende Maßnahmen wie Massentötungen von Geflügel in Massentierhaltungen und Aufstallungspflicht erklären lassen: der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer soll mit dem Besitzer der Firma Wiesenhof (bekannt für Massengeflügelhaltung unter schlimmsten Bedingungen) verwandtschaftlich verbunden sein. Der durfte übrigens seine Zuchttauben weiter frei fliegen lassen.
Einen weiteren Grund für die aktuelle Lage sieht er darin, daß mal wieder zu viele Tiere "produziert" worden sind. Das führt zu Preisverfall. Also muss das Angebot an Geflügel reduziert werden.
Wer mehr zu den Hintergründen lesen will:
http://www.vhgw.de/vogelgrippe/20141122_das_toeten_geht_weiter.pdf

Ich hoffe, daß es dieses Mal mehr Menschen zivilen Ungehorsam zeigen und ihren Federtieren die Freiheit lassen. Eine mir bekannte Frau, die 2006 das Aufstallungsgebot konsequent ignoriert hat, musste nachträglich ein Bußgeld bezahlen. Es hielt sich im erträglichen Rahmen, und sie erzählte mir, das sei es ihr wert gewesen. Sie ist übrigens vom Dorfbewohnern verpfiffen worden.
Marie-Luise - 28. Nov, 22:04