Einverstanden sein

Soviel Holundersaft hat die gestrige Ernte ergeben!
In Ursula Seghezzis Buch Kompass des Lebens fand ich diese Stelle: "Wenn nach der rosaroten Verliebtheitsphase die Unvollkommenheit des Partners oder der Partnerin sichtbar wird, entscheidet sich, ob die Schwächen des anderen angenommen werden - wei die Eigenen angenommen sind - oder ob sie bekämpft werden. Im zweiten Fall benehme ich mich in Bezug auf die Liebe noch wie ein Kind. Ich übertrage das kindliche Bild mütterlicher Vollkommenheit auf meine Partnerin und den vollkommenen Vater auf meinen Partner - und bin dann enttäuscht, wenn die Unvollkommenheit zutage tritt."
Kennen wir das nicht alle? Der Andere wird erzogen, was das Zeug hält, beschimpft, bedrängt, verantwortlich für alles gemacht, was in unserem Leben nicht rund läuft. Er wird mit Bedingungen überhäuft, die er alle erfüllen muss, damit er liebenswert ist. Manche halten das lange aus, manche nicht. Meine erste Ehe war diesbezüglich ein einziges gruseliges Übungsfeld. Natürlich fanden diese Erziehungsversuche gegenseitig statt, aber ich erinnere mich vor allem an meine eigenen mit mehr oder minder großer Beschämung.
Nein, ich meine nicht, daß alles akzeptiert werden muss oder kann. Es gibt ernsthafte Beziehungshindernisse, z.B. Gewalt und Sucht.
Aber darum geht es jetzt nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht: je mehr ich mit mir selbst einverstanden bin, auch und gerade damit, daß ich kein perfekter Mensch bin, daß ich Fehler mache, daß ich nicht immer in Höchstform bin, desto mehr kann ich andere Menschen sein lassen, wie sie sind.
Und wie kommt eine dahin, mit sich selbst einverstanden zu sein? Ursula Seghezzi findet, daß eine psychologische bzw. therapeutische Herangehensweise nicht ausreicht. Sie führt als Beispiele die Märchen an, in denen der Held oder die Heldin Fehler machen, in Fallen laufen, sich blamieren, Aufgaben nicht lösen können und schließlich gerade dadurch schließlich zu starken und selbstverantwortlichen Menschen werden. Ich glaube das auch. In meinem Fall haben gerade die gemeisterten Krisen dazu beigetragen, immer mehr in meine eigene Kraft zu kommen und anzuerkennen, welche schlimmen Situationen ich meistern konnte. Es geht nicht darum, gute Noten zu bekommen, auch nicht im übertragenen Sinne - dann mache ich mich ja wieder nur abhängig von den Bewertungen anderer Menschen. Mich hat es weiter gebracht zu sehen: Hey, ich kann überleben, auch wenn ich anschließend etwas gefleddert aussehe. Am meisten habe ich wohl aus meinem Scheitern gelernt, besonders dem Scheitern meiner beiden Ehen. Das war traurig, das war sehr schmerzhaft, aber es hat dazu geführt, daß ich mich immer wohler mit mir selbst und der Welt fühlen konnte. Allerdings ist es auch gut, Freunde, Freundinnen, Helfer, vielleicht auch mal eine Therapeutin oder einen Mentoren zu haben.
Gut gefallen hat mir übrigens der Blogeintrag von Luisa Francia vom 22.9. (http://www.salamandra.de/tagebuch/start.php). Der passt zum Thema.

Nachdem ich gestern so schwärmerisch über die netten Kontakte beim Spazierengehen geschrieben habe, hatte ich heute gleich die nächste Begegnung, die sich zu einer richtig genussvollen Klatschorgie entwickelte. Hat Spaß gemacht!
Marie-Luise - 24. Sep, 22:29