Imkertreffen

Bei der gestrigen Mitgliederversammlung von De Immen sprach ein Mitarbeiter der Firma Stockmar, die Wachsmalkreiden und Knetwachs herstellt. Er sagte, daß die Wirtschaft in dreißig Jahren tot sein werde. Ja, er benutzte tatsächlich das Wort tot. Woher er diese Zahl nimmt, habe ich nicht gefragt. Ich war viel zu fasziniert von seinem Vortrag und vor allem seiner Art vorzutragen. Das geht mir oft so mit inspirierten Anthroposophen, auch wenn ich dieser Geistesrichtung nicht in allem folgen kann und will.
Als ich das erste Mal mit der Anthroposophie in Berührung kam, vor ungefähr 35 Jahren, berührte es etwas ganz tief in mir: ich las im Kursbuch einen Artikel, indem es darum ging, den Marxismus um die Lehren von Rudolf Steiner zu erweitern. Ich fühlte mich damals als Marxistin-Leninistin und als ich dann anfing Rudolf Steiner zu lesen (Die Philosophie der Freiheit) kam etwas in mein Leben, was mir weder Marx noch Lenin noch Mao Dse Dong geben konnten: Respekt vor dem Menschlichen und ein Gefühl von Sinn.
Nein, ich bin keine Anthroposophin geworden. Aber vieles gefällt mir, z.B. die Landwirtschaft. Mir gefällt, was Ibrahim Abouleish in der ägyptischen Wüste auf die Beine gestellt hat. Mir gefällt, daß die Demeter-Leute ihre Kühe nicht enthornen. Ich habe viele Jahre beste Erfahrungen mit der anthroposophischen Medizin gemacht und bedauere zutiefst, daß es im weiten Umkreis keinen anthroposophischen Arzt mit Kassenzulassung mehr gibt.
Nicht nur wegen des faszinierenden Vortrags fuhr ich gestern Abend erfüllt nach Hause. Ob ich das jetzt beschreiben kann? Es geschieht immer wieder bei diesen Treffen, auch schon während der Imkerschulung in der Waldorfschule in Neumünster: da sitzen Leute zusammen, von denen mir einige vertrauter sind, andere völlig neu. Und es entsteht - zumindest in mir - ein ganz tiefes Gefühl, was mich ausfüllt, was mich fast zum Weinen bringt, was ich gar nicht richtig fassen kann. Es hat mit den Bienen zu tun, die ja immer irgendwie, wenn auch nicht leibhaftig anwesend sind. Es hat auch was mit Liebe zu tun. Das mag jetzt pathetisch klingen, egal. So habe ich es empfunden.
Es gibt ja Leute, die sagen, die Bienen tun etwas für die Beziehungen der Menschen untereinander. Das halte ich für sehr gut möglich. Auf jeden Fall bin ich davon überzeugt, daß die Bienen meine Lehrerinnen sind und ich bin so dankbar, daß ich meinen Lebensraum mit einem vitalen Volk teilen darf.

Marie-Luise - 17. Feb, 19:42