Geheimnisse

Seit einiger Zeit spüre ich selten den Wunsch, mich hier für alle Welt öffentlich zu machen. Es gibt Veränderungen in meinem Leben, die noch ganz subtil sind, die ich jetzt nicht in Worte fassen möchte, vielleicht auch nie (obwohl das so gar nicht meiner Art entspricht) und die einen Schutzraum zu brauchen scheinen. Ich gehe da nach meinem Gefühl, der einzigen Instanz, nach der ich mich richten kann.
Kürzlich äußerte eine Frau aus meinem Kreis: der Grund für den Umstand, daß wir heute soviele junge Väter ganz selbstverständlich in liebevollem und fürsorglichen Kontakt mit ihren Kindern sehen, sei das Östrogen der Antibabypille, das mittlerweile massenweise im Trinkwasser vorhanden sei. Daß sich Östrogen im Trinkwasser befindet, sicher auch im Boden und an anderen Orten, wo es naturgemäß nicht hingehört, daran besteht für mich kein Zweifel. Auch die Unmengen an Plastikmüll haben eine östrogene Wirkung auf Menschen, Tiere und Pflanzen, deren Konsequenz wir noch gar nicht abschätzen können. Nicht zu vergessen: im Bier, dem Lieblingsgetränk der meisten Männer in Deutschland, sind östrogenartige Substanzen enthalten, die auf Dauer eher Impotenz als Friedfertigkeit verursachen. Die Schulmediziner machen allerdings nicht Östrogen, sondern das bei stillenden Frauen gebildete Hormon Oxytocin für Bindung und Zärtlichkeit verantwortlich.
Die These vom Zusammenhang von Östrogen und fürsorglichen Vätern scheint mir mehr als gewagt, ja sogar befremdlich: ist es nicht eher so, daß die Frauenbewegung mit ihrer Forderung nach Mitbeteiligung der Männer an der Erziehung und Pflege ihrer Sprösslinge und ein genuines Bedürfnis der Väter nach Teilhabe an ihrem Nachwuchs zusammen gekommen sind?
Ich bin sicher, daß es nicht die Hormone sind, die Menschen zu friedlichen oder kriegerischen Wesen machen. Was war denn mit Margaret Thatcher? Die hatte bestimmt soviel Östrogen im Körper wie jede Durchschnittsfrau, was sie nicht davon abgehalten hat, zunächst den Falklandkrieg anzufangen und dann die englische Arbeiterklasse ins Elend zu führen.
Nee, nee: das Sein bestimmt das Bewusstsein ebenso wie das Bewusstsein das Sein bestimmt.
Noch etwas zeigt mir, daß die Östrogenthese nicht stimmen kann: es finden nach wir vor reichlich Kriege statt und mittlerweile auch unter Mitbeteiligung von Frauen. Übrigens hat Alice Schwarzer herself vor langer Zeit gefordert: Frauen in die Armee! Was für ein Hormon war denn da im Spiel?

Marie-Luise - 19. Mai, 21:52