Schöne Ostern

Endlich mal wieder ein paar freie Tage ohne Programm:
Am Karfreitag bekam ich Besuch von L. Samstag war ich allein und genoss es, mich mal wieder in der Zeit auszudehnen. Heute machte ich einen langen Gang auf den Strezerberg, zum Megalithgrab und zum Grundlosen See. Alles ist noch immer eine einzige Schneelandschaft, aber hell beleuchtet von einer frühlingshaften Sonne. Auch die Vögel singen schon ganz fleißig.
Unterwegs traf ich erst einen Mann, der mir bekannt vorkam. Im Weitergehen dachte ich: den habe ich beim letzten Imkertreffen gesehen. Dann gegegneten mir zwei Frauen. Eine davon war S., die vor vier Jahren an einem meiner Kräuterkurse teilgenommen hat und die ich vor drei Wochen überraschenderweise beim Imkertreffen traf. Jetzt war sie plötzlich in "meinem" Revier zu Besuch. Wir umarmten uns erfreut und unterhielten uns zu dritt über die interessanten Menschen, die jede von uns in Norddeutschland kennengelernt hat.
Beim Langgrab war es sehr still und friedlich. Zur Zeit lese ich gerade "Tibets weise Frauen" von Tsültrim Allione (sehr spannend, auch wenn ich gar nichts mit dem Buddhismus am Hut habe). Vielleicht musste ich deshalb an die Dakinis, die Himmelstänzerinnen, denken, die Weisheit hüten und verstecken. Wer weiß, welches Wissen in den alten Steinen versteckt ist.
Abends nähte ich einen Rock fertig, mit dem ich schon länger beschäftigt war. Als ungeübte Näherin fand ich es schwierig, einen nahtverdeckten Reißverschluss und eine Tasche in der gleichen Seitennaht unterzubringen. Um Hilfe zu bekommen, habe ich mich sogar im Forum von Hobbyschneiderin24.de angemeldet. Dort gab es aber keine Reaktion auf meine Frage. Selbst ist die Frau: ich habe so lange scharf nachgedacht, bis ich die Lösung hatte. Jetzt bin ich ziemlich stolz.

Vor einigen Monaten äußerte ich in einer Freundinnenrunde, daß ich erstaunt bin, daß die meisten Menschen das Herz auf der linken Seite des Brustkorbs lokalisieren, wo es doch in der Mitte liegt. L. bestritt das energisch. Wir konnten uns nicht einig werden. Zu Hause habe ich dann in mein Anatomiebuch geschaut und gesehen, was ich schon wusste: das Herz sitzt auf dem Zwerchfell zwischen den Lungenflügeln und hinter dem Brustbein, also in der Mitte des Brustkorbs. Dabei zeigen etwa zwei Drittel auf die linke, ein Drittel auf die rechte Seite.
Am Freitag nahm L. den Faden wieder auf: auch sie hatte in ihr Anatomiebuch geguckt und gesehen, daß das Herz auf der linken Seite des Brustkorbs liegt. Es schien ihr wichtig, mir das mitzuteilen. Ich musste plötzlich grinsen: wir beide hatten das gleiche Bild gesehen, aber unsere Beschreibung von dem, was wir gesehen haben, unterschied sich völlig voneinander. Für sie sitzt das Herz links, für mich sitzt es in der Mitte mit einem Drall nach links. Diese unterschiedlichen Wahrheiten konnten wir nebeneinader stehenlassen, Göttin sei Dank. Zu anderen Zeiten hätte ich wahrscheinlich keine Ruhe gegeben, sie von meiner Sicht der Dinge zu überzeugen.
Interessant daran finde ich, daß uns solche Situationen wohl sehr oft begegnen und Anlass für Streit und Missverständnisse sein können. Es gibt so viele Sichtweisen und Meinungen (in diesem Wort ist ja schon "mein" enthalten). Wissen ist nichts Absolutes, nichts ewig und allgemein Gültiges. Es ist immer nur vorläufig und immer ganz stark eingefärbt von den Wahrnehmungsgewohnheiten der jeweiligen Person.
Marie-Luise - 31. Mär, 23:52