Hell

Vor einigen Tagen sah ich bei meinem Morgenritual vor meinem inneren Auge massenweise reglose Bienen auf ihren Waben. Ein Schreck durchfuhr mich: meine Bienen sind tot.
Ich ging in den Garten und legte mein Ohr an die beiden Top Bar Hives. Nur der sehr stürmische Wind war zu hören. Gestern versuchte ich es noch mal und hörte ein ganz leises stetiges Brausen aus dem großen Volk. Beim kleinen Volk war alles still.
Heute war der erste sehr helle klare Tag, noch kalt, und der letzte Rest Schnee schmolz nur zögerlich. Ich ging mit meiner Kaffeetasse raus und hörte den Meisen zu, sah auch schon einen Star, der das Vogelfutter entdeckt hatte. Alles wirkte nach Frühlingsanfang, sogar die Schneeglöckchen guckten vorsichtig aus den reichlich vorhandenen Maulwurfshaufen.
Eine Biene landete an der Schuppenwand wie eine Botschafterin. Vor dem sonnenbeschienenen Top Bar Hive des großen Volkes summte und wimmelte es, und ich zog mit Stuhl und Kaffeetasse um, um den Bienchen ganz nah zu sein. Welch eine Freude, die kleinen glänzenden Körper vor dem Flugloch zu sehen. Sie räumten tote Bienen raus, einige setzten sich auf meinen Handrücken und hinterließen große lehmfarbene Kottropfen. Die Bienen finden jetzt noch keine Nahrung in der freien Natur, aber sie nutzen jede sonnige Gelegenheit, um ihre Reinigungsflüge zu machen, denn sie wollen ihr Zuhause nicht mit ihren Ausscheidungen beschmutzen.
Das Volk, das aus dem kleinen Nachschwarm entstanden ist, hat den Winter nicht überlebt. So fühlte ich mich gleichzeitig froh und traurig. Und war wieder einmal erstaunt darüber, wie häufig und exakt mir Geschehnisse durch innere Bilder, manchmal auch Träume, angekündigt werden. Und doch ist das Phänomen, das ich innere Stimme nenne obwohl es nicht nur Worte sondern auch Bilder schickt, so störanfällig: durch meine Wünsche, die Unwillkommenes nicht sehen wollen, durch einen zu dicht gepackten Tagesablauf, der keinen Raum mehr lässt für die Botschaften aus dem Inneren. Kommen sie aus dem Inneren? Ich denke schon, weiß es aber nicht wirklich.
Neulich sagte die junge Astrophysikerin Anna Frebel in einem Radiointerview, daß wir nur 5 Prozent des Kosmos erforscht haben. 95 Prozent aber sind uns gänzlich unbekannt. Die Wissenschaftler nennen es Dunkle Materie und wissen nur aus Berechnungen, da sie da sein muss.
Wir wissen also ganz, ganz wenig. Keine Ahnung also, woher das helle Hören, das helle Sehen kommt. Aber es ist da!

Marie-Luise - 1. Mär, 22:23