Die Farben der Erde

Jutta und Sabine, danke fürs Teilen eurer Ansichten über das Schneckenproblem.
Es geht wohl immer um das gleiche Thema in verschiedenen Nuancen: wie ist ein für alle erfreuliches Zusammenleben mit menschlichen und nicht-menschlichen Lebensformen möglich?
Um noch mal auf die Schnecken zurück zu kommen: die machen ihren Job. Ich möchte gern verstehen, was sie mir mit ihrem Verhalten mitteilen.
Es gibt ein paar Märchen, die über ein Zusammenwirken von Tieren und Menschen erzählen: von den Hausschlangen, die Haus und Hof Glück brachten, solange sie von ihren Bewohnern geachtet und gefüttert wurden. Oder von den Helden, die in die Welt zogen, dabei Bienen, Vögeln oder Ameisen aus irgendeiner Notlage halfen und dann irgendwann von diesen Wesen Hilfe in einer aussichtslos erscheinenden Situation bekamen. Ich glaube, daß diese Geschichten etwas über unsere ursprüngliche Beziehung berichten. Daß Menschen sich mit Tieren verwandt und auf Augenhöhe fühlten, finde ich, wie bereits an anderer Stelle berichtet, in den Bildern der Höhlen von Chauvet und Lascaux wieder.
Mit dem Verlust dieser Verbindung ist uns etwas sehr Wesentliches verloren gegangen.
Heute war ich auf einem De Immen-Treffen bei einem Bioland-Imker in Niedersachsen. Schön war wieder der Austausch mit diesen vielen verschiedenen Menschen, ihre unterschiedlichen Ansichten, ihre Herzlichkeit, das leckere Büfett aus mitgebrachten Köstlichkeiten, das viele und laute Lachen auf der gemeinsamen Autofahrt.
Aber ich habe auch ganz deutlich gemerkt, daß mir die berufsmäßige Imkerei mit Hunderten Völkern nicht gefällt, egal ob Bioland oder konventionell.
Bei dieser Art zu wirtschaften bleibt etwas auf der Strecke: eben die Verbindung zum Wesen Biene. Allein die vielen Bienen, die an den Scheiben des großen Raums mit den Honigschleudern saßen und umhersurrten, machten mich traurig. Ich hätte ihnen gern ein Fenster geöffnet und sie rausgelassen.
Ich glaube, daß wesensgemäße Imkerei nur dann eine Chance hat, wenn die Bienen mit uns zusammenleben wie eine Katze oder Hühner oder die erwähnte Hausschlange: einige Völker, die uns ein wenig von ihrem Honig abgeben, während wir ihnen bunte vielfältige Blütenpflanzen anbieten.
Ja, ich sehe auch die andere Seite: ohne die Bioland- und Demeter-Imker wären nicht diese absolut notwendigen Prozesse gegen die Gentechnik- und sonstigen Agrargiftschleudern möglich.
Der Bioland-Imker sagte, die Agrarlobby wäre so stark, daß wir keine Chance gegen sie hätten: z.B. ist Raps eine der wichtigsten Trachtpflanzen für Bienen, aber gleichzeitig so belastet mit Chemikalien, daß viele Imker ihre Demeter-Zulassung verlieren. Er wirkte sehr entmutigt.
Wieder zu Hause ging ein gigantischer Regenguss herunter, während die Schnecken gerade die letzten Reste von meiner allerletzten Zucchinipflanze verputzten. Und hinter meinem Garten stand ein doppelter Regenbogen - die Farben der Erde.
Solange es immer wieder solche Schönheit gibt, werde ich mich nicht entmutigen lassen.

Noch was: HessNatur ist an den Capvis-Konzern verkauft worden, der mit seinen Gewinnen an der Börse spekuliert. Ich war jahrelang Kundin von HessNatur, weil sie von allen Öko-Textilherstellern die höchsten Standards hatten, auch in puncto Fair trade, und mir ihr Design besser gefiel als das ähnlicher Anbieter. Dann kaufte irgendwann Karstadt-Quelle den Laden, was mir schon nicht schmeckte. Nachdem Karstadt-Quelle pleite ging, sollte HessNatur an einen US-Investor verscherbelt werden, der auch im Rüstungsgeschäft hängt. Dagegen bildete sich ein Initiative, die mit Boykottdrohungen die Übernahme verhinderten und eine Genossenschaft, hngeno, gründeten. Der alte Eigentümer wollte aber nicht an die Genossenschaftsanteilseigner verkaufen. Damit ist HessNatur für mich gestorben. Ich kaufe dort von jetzt an kein einziges Kleidungsstück mehr.
Marie-Luise - 8. Jul, 21:14