Widrigkeiten

Zur Zeit könnte ich fast jeden Tag sagen: Irgendwas ist immer.
Es fing damit an, daß die Deckel nicht mehr auf die beiden Top bar hives passten. Die Bretter der Seitenwände hatten sich nach außen verzogen. Wie einer der Tischler so schön sagte: "Im Gegensatz zu uns arbeitet Holz immer."
Nachdem ich tagelang bibberte, daß jetzt die Oberträger mit den Waben abrutschen würden, bekam ich eine neue Kiste und konnte die Bienen umquartieren. Übrigens hatte tatsächlich ein Oberträger schon eine gefährliche Schrägneigung.
Mein Fahrrad hat den Winter im feuchten Schuppen und Katharinas tägliche Fahrten zur Schule in Selent nicht gut überstanden und musste gründlich in Ordnung gebracht werden. Weil es nicht in mein kleines Autochen passt, hat mein neuer Nachbar E. es in seinem großen Wagen nach Lütjenburg zum Fahrradladen gebracht und wieder abgeholt.
Am Donnerstagabend fuhr ich frohen Mutes nach Bellin zum Public Viewing in Dorfgemeinschaftshaus. Auf halbem Weg rutschte ich mitsamt Sattel in die Tiefe. Die Fahrradleute hatten dämlicherweise den Metallstreifen entfernt, den der liebe Horst mir vor Jahren angebracht hatte, um genau das Problem zu beheben.
Daß Italien das Spiel gewonnen hat, hat mich deutlich weniger erschüttert, als die Tatsache, daß es auf dem Lande doch sehr schwierig ist, einen guten Fahrradmechaniker zu finden, der dann auch noch in akzeptabler Nähe arbeitet.
Vielleicht konnte ich deshalb in der Nacht nicht einschlafen. Mein gewohntes Schlafmittel, eine Stunde ziemlich anstrengendes Yoga, half dieses Mal überhaupt gar nicht. Irgendwann schlief ich dann doch ein, um etwa drei Stunden später wieder aufzuwachen. Draußen entlud sich ein gewaltiges Gewitter. Durch meine geschlossenen Augen sah ich die Blitze, denen sofort krachende Donner folgten. Da stand ich auf, zog meine Regenjacke an und versprühte mit meiner großen Gartenspritze EM (Effektive Mikroorganismen) im Gemüsegarten, wo seit einigen Wochen die Schnecken wieder ganze Arbeit leisten.
Wahrscheinlich, weil ich vor einiger Zeit damit angegeben habe, daß ich schon länger kein Problem mehr mit Schnecken habe. Das hätte ich nicht sagen sollen, denn in diesem Jahr machen sie sich über fast alles her.
Früher bin ich regelmäßig hysterisch geworden, wenn ich sah, was die Schnecken von meinen Pflänzchen übrig ließen. Dann habe ich sie jahrelang Abend für Abend abgesammelt und weggetragen (heute weiß ich: das hätte ich mir sparen können, denn Schnecken kehren zurück). Schließlich hatte ich Laufenten und keine Schnecken mehr, dafür aber ander Probleme (einen Küken mordenden Erpel, chronischen Wurmbefall der Enten, Stress wegen der staatlich angeordneten Vogelgrippe-Hysterie).
Heute weiß ich über Schnecken, daß sie die Müllabfuhr der Natur sind. Sie machen überaus sinnvolle Arbeit: sie vernichten das, was ich besser nicht essen sollte, weil es auf die eine oder andere Weise minderwertig ist. Es ist schwer für mich zu schlucken, daß das offensichtlich auch für mein gutes Bio-Saatgut gilt, sogar für die Wermut-Stauden aus dem Kräuterpark Stolpe und - besonders schmerzhaft - auch für das Bilsenkraut, das ich schon seit Jahren selber vermehre (na ja, das esse ich nicht).
Aber alles, was wild ist und sich seinen Ort selbst ausgesucht hat, lassen sie in Ruhe, zum Beispiel die köstlichen kleinen 'Walderdbeeren, die hinter dem Holzschuppen wuchern.
Ich sprühte also in aller Fraugöttinfrühe Effektive Mikroorganismen, weil ich vor einiger Zeit die Eingebung hatte, daß das dem Boden auf jeden Fall gut tun würde. Ob es die Schnecken auf einen anderen Geschmack bringt, wird sich zeigen.
Am Donnerstagnachmittag kam Alma mater-Schwester Friederike, die gerade in Plön weilte, für ein paar Stunden vorbei. Wir fuhren zum Strezerberg, um das schöne Langbett zu besuchen.
Ich bin schon einige Male dort gewesen, aber dieses Mal machte es sich unsichtbar. Es war wie verhext. Als ich mich zum Pinkeln hinhockte, wusste ich plötzlich, in welche Richtung wir gehen mussten. Im gleichen Moment hatte Friederike die gleiche Eingebung. Aber als wir uns den Steinen näherten, war es, als habe eine gigantische Hand alles einmal um 180° gedreht.
Ich kann mir das alles gar nicht erklären, was mich zugegebenermaßen stört. Möglicherweise wollte uns die Anderswelt einfach mal an der Nase herumführen. Auch der Rückweg führte uns in völlig unbekanntes Gelände: zu einem magischen, mit Seerosen bedecken See mitten im Wald, dann zu einem Funkturm, über Wege mit Hunderten von winzig kleinen Krötenkindern und schließlich wieder zurück zu meinem Auto.

Marie-Luise - 30. Jun, 22:38